„Dass man das dem Merz jetzt anhängt, finde ich unfair“
Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat nach der geplatzten Wahl der drei Verfassungsrichter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Schutz genommen. Die Union habe zwar den Wahlvorschlag im zuständigen Wahlausschuss mitgetragen. Die politische Verantwortung für den Eklat liegt nach Gabriels Ansicht aber nicht beim Kanzler, sondern beim Unions-Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn: „Dass man das dem Merz jetzt anhängt, finde ich unfair.“ Es sei vielmehr Spahn gewesen, der offenbar zu spät bemerkt habe, dass es in seiner Fraktion Widerstand gebe.
Gleichzeitig kritisierte Gabriel auch seine eigene Partei: Die Sozialdemokraten hätten ihrerseits bei der Nominierung der Kandidatin sorgfältiger prüfen müssen, welche Reaktionen im konservativen Lager bei der Kandidatur der Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf zu erwarten seien. Der politische Prozess innerhalb einer Koalition, so Gabriel, erfordere gegenseitige Rücksichtnahme: „Man muss als Koalitionspartner den anderen mitdenken“, sagte Gabriel.
Für den Fall, dass die Richterwahl nun an den Bundesrat übergeht, weil sich die Fraktionen nicht auf die drei Kandidaten einigen können, formulierte Gabriel eine drastische Einschätzung zum parlamentarischen Selbstverständnis: „Dann hat der Deutsche Bundestag sich selbst – also bei uns im Harz würde man sagen – kastriert. Und muss dann zusehen, wie er damit klarkommt.“
Gabriel verwies zugleich auf die verfassungsrechtlichen Regelungen, die einen geordneten Fortgang des Verfahrens ermöglichen. Dass eine Staatskrise vorliege, sieht er deshalb nicht: „Also es ist alles kein Desaster, und es ist auch nicht das Ende der Republik, auch nicht das Ende der Koalition. Es gibt für alles eine kluge Regel. Jedenfalls haben die Verfassungsmütter und -väter das ziemlich schlau gemacht.“
Kritik am „Friedensmanifest“ der SPD-Linken
Auch in außenpolitischen Fragen lobte Gabriel den Kurs des neuen Kanzlers: „Ich finde es absolut richtig, dass Friedrich Merz zuerst dieses Verhältnis zu Frankreich und zu Polen wieder in Ordnung bringen will.“ Dass Merz als „Außenkanzler“ agiere, sei weniger Ausdruck von Machtwillen als eine Reaktion auf veränderte Realitäten: „Die Zeiten sind so.“
Gleichzeitig warnte Gabriel vor einer zu wohlwollenden Bewertung der neuen Ukraine-Rhetorik von US-Präsident Donald Trump. Dass die USA nun wieder Waffen liefern wollen, sei zwar positiv – aber auch taktisch motiviert: „Trotzdem hat er sich natürlich jetzt von Putin am Nasenring durch die Arena geführt gesehen. Das wird der wesentliche Grund sein.“
Besonders hart fiel Gabriels Urteil dagegen über das „Friedensmanifest“ des linken SPD-Flügels aus. Das Papier, das mehr diplomatische Bemühungen mit Russland fordert, sei aus seiner Sicht nicht nur politisch fragwürdig, sondern auch historisch naiv: „So ziemlich das Unhistorischste, was ein Sozialdemokrat in der Außenpolitik bislang öffentlich gesagt hat.“ Gabriel stellte klar, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen der früheren Sowjetunion und dem heutigen Russland gebe: „Die Sowjetunion war eine Status-Quo-Macht. Russland ist eine revisionistische Macht.“
Selbstkritisch sagte Gabriel in Bezug auf das Projekt Nord Stream 2: „Wir haben eine ziemlich arrogante Haltung eingenommen und sind da bitter eines Besseren belehrt worden.“ Man habe auf Warnungen aus Osteuropa nicht gehört und sich für unfehlbar gehalten – ein Fehler, den er nicht wiederholen wolle. Mit Blick auf die häufig kritisierten finanziellen Ausgaben für Waffenlieferungen an die Ukraine sagte der ehemalige Außenminister: „Dass wir das bezahlen müssen, fein. Aber ich glaube, das ist immer noch preiswerter, als die Ukraine untergehen zu lassen.“
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke