Ulla Schmidt wehrt sich gegen Vereinnahmung durch Union
Frau Schmidt, sind Sie noch in der richtigen Partei?
Absolut. Warum fragen Sie?
Weil Sie sich kritisch über Frau Brosius-Gersdorf geäußert haben, die die SPD ans Verfassungsgericht schicken will. In der CDU sind Sie dieser Tage deshalb ziemlich angesagt.
Das nehme ich wohl wahr. Die CDU nutzt mich gerade als Kronzeugin, um ihre eigenen Fehler zu überdecken. Sie sucht Gründe dafür, dass der Widerstand gegenüber Fau Brosius-Gersdorf nicht allein aus der Union kam. Ich verstehe das. Aber die Vereinnahmung meiner Position finde ich nicht in Ordnung. Da gibt es ein Missverständnis.
Aber Sie kritisieren doch die Haltung von Frau Brosius-Gersdorf zur Menschenwürde. Oder haben wir da was falsch verstanden?
Ich halte es für falsch, dass die Menschenwürde erst nach der Geburt gelten soll. Der Schutz des menschlichen Lebens gilt für mich von Anfang an. Ich finde, dass es darüber eine breite gesellschaftliche Debatte geben sollte. Aber ich habe keine grundsätzlichen Zweifel daran, dass Frau Brosius-Gersdorf die Qualifikationen als Verfassungsrichterin mitbringt. Wir haben im Übrigen ein Verfassungsgericht, in dem der Senat entscheidet, nicht ein einzelner Richter oder eine einzelne Richterin. Es ist sehr problematisch, wenn wir die Richterwahl jetzt politisieren, wie das zum Beispiel in den USA der Fall ist.
Hätten Sie sie denn auch mitgewählt, wenn Sie noch im Parlament sitzen würden?
Natürlich hätte ich Frau Brosius-Gersdorf mitgewählt, wenn ich noch Abgeordnete im Bundestag wäre. Ich sehe Ihre Position zur Menschenwürde kritisch. Aber das stellt doch nicht infrage, dass sie eine herausragend gute Juristin ist. Im Übrigen bin ich nicht weit weg von ihr, was die Frage des Schwangerschaftsabbruchs angeht. Ich teile die Auffassung, dass er nach Beratung innerhalb der ersten zwölf Wochen außerhalb des Strafrechts geregelt werden sollte. Es gibt für diese Position gesellschaftlich eine große Mehrheit. Es gibt sogar CDU-Politiker, die das so sehen.
Die schwarz-rote Koalition befindet sich in einem heftigen Streit. Die Lösung der Richterfrage ist unklar. Halten Sie es für vorstellbar, dass die SPD ihre Kandidatin noch zurückzieht?
Ich gehe davon aus, dass sie Kandidatin bleibt. Die CDU muss sich jetzt damit auseinandersetzen und in den eigenen Reihen die Mehrheiten für sie organisieren. Der Kanzler selbst hat erst vor ein paar Tagen gesagt, dass Frau Brosius-Gersdorf aus seiner Sicht wählbar ist. Friedrich Merz hat die Stimmung offenbar nicht kommen sehen, genauso wenig wie sein Fraktionschef.

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"Kein Beinbruch" Wie Merz sich seine Blamage schönredet
Matthias Miersch, der SPD-Fraktionschef, hat die Kirchen für ihre Einmischung bei der Richterwahl angegriffen. Gehen Sie da mit?
Das ist doch genau die Rolle der Kirchen. Sie sind dafür da, sich einzumischen und in kritischen Fragen das Gespräch zu suchen. Wir können Kirchen nicht nur dann gut finden, wenn ihre Haltung uns passt. Man muss ihre Positionen nicht teilen oder sogar mitgehen. Aber man sollte schon zuhören. Und vielleicht sollte die katholische Kirche das Gespräch mit Frau Brosius-Gersdorf suchen.
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