Europäischer Zollkrieg mit USA würde deutsche Wirtschaft „im Mark“ treffen, warnt Merz
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat angesichts der US-Drohungen mit Importzöllen von 30 Prozent für EU-Waren davor gewarnt, dass ein fortgesetzter EU-US-Zollstreit der deutschen Wirtschaft sehr schaden würde. „Wenn das käme, dann könnten wir große Teile unserer Anstrengungen um die Wirtschaftspolitik hinten anstellen“, sagte Merz am Sonntag im ARD-Sommerinterview am Sonntag in Berlin. „Denn das würde alles überlagern und würde die deutsche Exportwirtschaft ins Mark treffen.“ Er engagiere sich deshalb sehr intensiv dafür, dass noch eine Lösung gefunden werde.
„Das setzt zweierlei voraus: Geschlossenheit in der Europäischen Union und vernünftige Gesprächsfäden zum amerikanischen Präsidenten“, sagte Merz. Er habe am Freitag mit US-Präsident Donald Trump und am Wochenende etwa mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gesprochen.
Er sei wie Macron einer Meinung, dass es ohne eine Einigung auch zu europäischen Gegenmaßnahmen kommen müsse, sagte Merz. „Aber nicht vor dem 1. August“, fügte Merz hinzu. „Die Verhandlungen waren schon ziemlich weit fortgeschritten“, sagte er zu den Gesprächen mit der US-Regierung. Man habe auch in den Zollverhandlungen der USA mit anderen Ländern gesehen, dass Trump solche Briefe mit Zolldrohungen geschickt habe.
„Am Ende des Tages sind es auch Verhandlungspositionen gewesen. Und dann hat es meistens – nicht immer, aber meistens – vernünftige Lösungen gegeben. Und für die setze ich mich auch für Europa ein“, sagte der Kanzler.
Merz unterschätzte Vorbehalte gegenüber Richter-Kandidatin
Bundeskanzler Friedrich Merz hat auch zugegeben, die Vorbehalte in der Unionsfraktion gegenüber der Juristin Frauke Brosius-Gewersdorf bei der Wahl ans Bundesverfassungsgericht unterschätzt zu haben. „Wir hätten natürlich früher erkennen können, das da großer Unmut entsteht“, sagte Merz. Unruhe habe es aber auch in der SPD-Fraktion gewesen. So habe die frühere SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Kirchen mobilisiert.
Man könne Abgeordneten aber auch keine Befehle von oben geben. Wenn es um solche Personalfragen, gehe es auch um Gewissensfragen, so Merz weiter. Die Union werde das mit der SPD in Ruhe besprechen und dann zu einem Ergebnis kommen. „Das müssen wir nicht heute oder morgen entscheiden“, so der Bundeskanzler.
Brosius-Gersdorf steht vor allem wegen ihrer liberalen Haltung zur Abtreibungsregelung in Teilen der Union in der Kritik. Aus ihrer Sicht gibt es gute Gründe dafür, dass die volle Garantie der Menschenwürde erst ab der Geburt gilt. Ein damit begründetes abgestuftes Lebensschutzkonzept lehnt die katholische Kirche geschlossen ab.
Am Freitag war die Wahl dreier neuer Verfassungsrichter für Karlsruhe im Bundestag gescheitert. Sie soll nun nach der Sommerpause nachgeholt werden. Aus der Union gibt es Forderungen an ihren Koalitionspartner, eine andere Person ins Rennen zu schicken. Doch die SPD hält an ihrer Kandidatin fest.
Friedrich Merz steht hinter Jens Spahn
Zum Vorschlag aus der SPD, dass die umstrittene SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf sich den Fragen der Union stellen könnte, sagte Merz: „Ich werde das mit der SPD in Ruhe besprechen.“ Merz sagte: „Da gibt es jetzt keinen Zeitdruck.“ Der Kanzler versicherte: „Wir werden versuchen, für die nächste Runde gute Mehrheiten zu bekommen.“
Beim nächsten Mal werde es besser gemacht. „Das war am Freitag nicht schön, aber das ist nun auch keine Krise der Demokratie, keine Krise der Regierung.“ Merz meinte: „Das Ganze ist undramatisch.“ Es handele sich nicht um einen Vorgang, der „uns umwirft“. Der Kanzler bedauerte, dass nicht zwei unstrittige Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht gewählt worden seien.
„Wir hätten natürlich früher erkennen können, dass da großer Unmut besteht“, räumte Merz ein. „Aber das nun wirklich kein Beinbruch.“
Unionsfraktionschef Jens Spahn wird von Kritikern angekreidet, dass die geplante Richterwahl erst abgesetzt wurde, nachdem am Vortag ein österreichischer Plagiatsprüfer Parallelen zwischen Brosius-Gersdorfs Doktorarbeit und der Habilitationsschrift ihres Mannes veröffentlicht hatte. Auch wird ihm teils vorgeworfen, die Fraktion nicht im Griff zu haben.
Merz stellt sich jedoch hinter Spahn (beide CDU). Auf die Frage, ob Spahn noch der richtige Mann auf dem Posten sei, sagte Merz ebenfalls im ARD-Sommerinterview: „Eindeutig ja.“ Der Widerstand in der Unionsfraktion sei „in dieser Form nicht absehbar“ gewesen. Auch in der SPD habe es Vorbehalte gegen diese Wahl gegeben.
Trotz allem stellte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch später in einer empörten persönlichen Erklärung klar: „Wir halten an unseren Kandidatinnen fest. Ich erwarte, dass die Mehrheit steht.“
Das Bürgergeld soll reformiert werden
Merz sprach sich zudem für spürbare Kürzungen bei Beziehern von Bürgergeld aus. So seien eine Deckelung bei den Mietkosten und eine Überprüfung der zugestandenen Wohnungsgröße denkbar, sagte Merz.
„Sie haben in den Großstädten heute teilweise bis zu 20 Euro pro Quadratmeter, die sie vom Sozialamt oder von der Bundesagentur bekommen für Miete“, sagte Merz, „und wenn Sie das mal hochrechnen, das sind bei 100 Quadratmetern schon 2000 Euro im Monat. Das kann sich eine normale Arbeitnehmerfamilie nicht leisten.“ Deshalb entstehende Spannungen wolle die Regierung abbauen.
Merz sagte: „Pauschalierung ist möglich, geringere Sätze sind möglich – aber das alles steht auf dem Prüfstand der Koalition und darüber reden wir.“ Das Jobcenter übernimmt bei Bürgergeld-Beziehern die Kosten für Unterkunft und Heizung, wobei bereits heute diese Höhe „angemessen“ sein muss.
„Es soll Grundsicherung heißen und nicht mehr Bürgergeld bleiben – und da ist mehr einzusparen als nur ein oder zwei Milliarden“, sagte Merz auf eine entsprechende Frage. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) will nach der Sommerpause den Entwurf für eine Bürgergeld-Reform vorlegen. 2026 soll die im Koalitionsvertrag verankerte Reform in Kraft treten, wie Merz bekräftigte. „Da muss sie Wirkung entfalten.“ Nachjustieren müsse man dann immer wieder, etwa bei den Regeln, welche Jobangebote als zumutbar gelten.
Bei „plötzlicher Arbeitslosigkeit“ könne er sich sogar eine Anhebung der Sätze vorstellen, so dass die Menschen Sicherheit hätten, wenn sie wieder eine Stelle suchten, sagte der Kanzler.
Merz gegen organisierte Bürgergeld-Tricks
Wirken soll die Reform laut Merz gegen Schwarzarbeit und organisiertes Aufstocken von geringfügiger Beschäftigung oder von Teilzeitlohn mit Bürgergeld. „Zum Teil wird das sogar richtig organisiert, dass Menschen nur in geringfügige Beschäftigung gehen, Aufstocker werden, Schwarzarbeit machen – wir wissen, dass die Schwarzarbeit zugenommen hat in den letzten Jahren“, sagte Merz. „Da ist das System falsch, und das müssen wir korrigieren.“
Merz erwartet in diesem Herbst hitzige Diskussionen über Deutschlands Sozialsysteme. Die Vorarbeiten für großangelegte Reformen liefen bereits teils in eigens eingesetzten Kommissionen. „Wir werden dann im Herbst intensive Diskussionen haben, in welche Richtung wir gehen.“ Er teile die verbreitete Sorgen um die Finanzierbarkeit des Staates. Auch über das Leistungsniveau der Sozialversicherungen werde zu reden sein.
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