Lars Klingbeil stellt seinen ersten Haushalt im Bundestag vor – weniger als Finanzminister, mehr als SPD-Chef. Das dürfte Erwartungen an den Kanzler wecken. 

Als Lars Klingbeil um 10.02 Uhr ans Rednerpult unter der gläsernen Reichstagskuppel tritt, ist noch unklar, wer da nun sprechen wird. Ist es der generöse Investitionsminister? Der strenge Kassenwart der Koalition? Oder doch der SPD-Chef, der kürzlich bei der Wiederwahl auf dem Parteitag von den eigenen Genossen abgestraft wurde? 

Mit Spannung wurde erwartet, für welche der drei Rollen sich Vizekanzler-Finanzminister-Parteichef Klingbeil bei der Einbringung des Etatentwurfs für 2025 und der Finanzplanung bis 2029 entscheiden würde – und welches Publikum er dabei adressieren will. 

Nach Klingbeils knapp 45-minütiger "Einbringungsrede", wie es im Fachjargon heißt, ist klar: Gesprochen hat vor allem der Sozialdemokrat Klingbeil. Das sollte auch Kanzler Friedrich Merz zu denken geben. 

Balsam für das rote Herz

Klingbeil verzichtet in weiten Teilen auf abstrakte Zahlen. Stattdessen macht er die Absichten seines ersten Haushaltsentwurfs – der nun im Parlament beraten und in Gesetzesform gegossen wird – mit eindringlichen Worten plastisch. 

Klingbeil spricht von verspäteten Zügen, die längst zu einem "Demokratieproblem" geworden seien. Schlaglöchern in den Straßen. Knappem wie unbezahlbarem Wohnraum. Maroden Schulen. Vieles sei für ihn "eine Frage der Gerechtigkeit", sagt Klingbeil, und "soziale Frage unserer Zeit". Da klatscht die SPD-Fraktion, klar. 

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Ihr Finanzminister spricht Themen an, die rote Herzen höherschlagen lassen. Immer wieder betont Klingbeil die hart Arbeitenden im Land, deren Jobs man mit den Milliarden für das Wirtschaftswachstum sichern wolle. "Es geht um Wachstum und um Gerechtigkeit – mit diesem Haushalt und dem Sondervermögen", so Klingbeil. 

Für das laufende Jahr sind Ausgaben in Höhe von 503 Milliarden Euro geplant – und 81,8 Milliarden an neuen Schulden. Parallel zum Haushalt werden das Infrastruktursondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro auf den Weg gebracht, das noch der alte Bundestag neben einer Ausnahme der Schuldenregeln für Verteidigungsausgaben ins Grundgesetz geschrieben hatte. 

Merz und Klingbeil Verliert die Koalition jetzt die Kontrolle?

Klingbeils Prioritäten dabei: Investitionen, Investitionen und Investitionen. So sagt es der selbsterklärte "Investitionsminister" zwar nicht, meint es aber. Denn obwohl zu seinen "drei klaren Prioritäten" bei der Haushaltsplanung auch Strukturreformen und eine "notwendige Konsolidierung" des Haushaltes gehören würden, nehmen die Investitionen am meisten Raum in seiner Rede ein. Das gibt auch Szeneapplaus aus den Reihen der Union, die doch eigentlich immer eindringlicher auf Reformen und Einsparungen pocht. Sicher, Strukturreformen wolle die Regierung auch voranbringen, sagt Klingbeil. Viele davon würden jetzt in Kommissionen besprochen.

Der dreifache Lars Klingbeil 

Dass Klingbeil in Rollenkonflikte geraten kann, hat zuletzt der Zoff um die Senkung der Stromsteuer gezeigt. Schwarz-Rot hat umfassende Entlastungen versprochen, kann sie wegen der Haushaltslage aber nicht einlösen, jedenfalls nicht sofort. Folge: Ausgerechnet der sozialdemokratische Finanzminister bremst den sozialdemokratischen Parteichef und senkt die Stromsteuer zunächst lediglich für Großkonzerne, aber nicht für alle – und insbesondere die Union begehrt dagegen auf.

Klingbeil geht darauf nur kurz ein, versehen mit einer kleinen Spitze gegen die Unionskollegen. "Die oberste Priorität der Regierung ist wirtschaftliches Wachstum und Sicherung von Arbeitsplätzen", sagt er. Dafür werde nun ein erster großer Schritt gegangen, indem man für wettbewerbsfähige Energiepreise sorge. Er sage das so deutlich, "weil das manchmal ein bisschen untergegangen ist". 

Auch auf die innere und äußere Sicherheit kommt der Finanzminister zu sprechen und räumt ein, dass die geplante Höhe des Verteidigungsetats etwas sei, das das Land bewege. Was er nicht sagt: auch seine Partei. Vor allem die SPD-Linke fremdelt mit dem enormen Aufwuchs. Schon 2029 soll das 3,5-Prozent-Ziel der Nato erreicht werden.

"Wir alle wollen Frieden", sagt Klingbeil, auch an die eigenen Reihen gerichtet. Aber die Bundeswehr sei kaputtgespart worden. Überall habe es gefehlt, als Russland die Ukraine überfallen habe. "Wir brauchen Sicherheit vor Putins Russland, das ist eine Aufgabe – und dafür müssen wir in unsere Sicherheit investieren." Er sei überzeugt, dass die eigene Stärke die Voraussetzung dafür sei, "in der wir wieder zu einem Frieden in Europa kommen können."

Sparen: War da was?

Erst nach 36 Minuten, knapp zehn Minuten vor Ende, kommt Klingbeil zum dritten Schwerpunkt seines Haushalts: der Konsolidierung. Der Finanzminister betont, dass sein Entwurf "gut durchgerechnet" sei, trotz schwieriger Ausgangslage. Mehrforderungen von Ministerkollegen von fast 50 Milliarden Euro habe er abwenden müssen. Dass nur das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium merklich weniger Geld als zuvor haben, sagt Klingbeil nicht. Auch die eigenen Sparanstrengungen, etwa bei den Verwaltungsausgaben, sind eher kosmetischer Natur.  

Dabei könnten sich die finanziellen Lücken im Haushalt bis 2029 auf bis zu 144 Milliarden summieren. Etwa wegen steigender Zinskosten oder der Tilgung der Corona-Schulden. Zur Erinnerung: Die Ampel-Koalition hat es schon wegen eines niedrigen, zweistelligen Milliardenlochs zerlegt. 

Haushaltswoche im Bundestag Auf diese Auftritte sollten Sie achten

Woher das Geld kommen soll? Etwa durch Wirtschaftswachstum, folglich die milliardenschweren Investitionen – ein Hoffnungswert. Oder die angekündigten Strukturreformen, die gerade erarbeitet werden – und bis dahin auf sich warten lassen. Auch eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse ist verabredet. Aber reicht das?

Am Mittwoch spricht Kanzler Merz in der Generaldebatte (ab 9 Uhr), traditionell eine Standortbestimmung der Regierungspolitik. Nach Klingbeils Investitions-Rede dürfte er kaum umhinkommen, die Konsolidierungen stärker zu betonen. Auch Merz muss seine Leute bei Laune halten.

Zum Schluss betont Klingbeil noch, dass er als Finanzminister darauf achten wird, dass sich der Staat nicht mehr austricksen lasse. "Wir werden uns Steuermindereinnahmen nicht entgehen lassen", kündigt er an. Er wolle Steuerbetrug konsequent unterbinden und dafür sorgen, "dass jeder Cent zurückgezahlt" werde. 

Das sei, klar: eine Frage der Gerechtigkeit.

  • Lars Klingbeil
  • Haushalt
  • SPD
  • Bundestag
  • Friedrich Merz

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke