CDU-Chef Friedrich Merz war in seiner Ankündigung glasklar. „Wir werden dieses System Bürgergeld vom Kopf auf die Füße stellen, da werden sich zweistellige Milliardenbeträge einsparen lassen.“ Das waren seine Worte im Bundestagswahlkampf im Dezember.

Rund sieben Monate und viele Verhandlungen später soll in dieser Woche der Haushalt 2025 im Bundestag beraten werden. Doch wie viel kann beim Bürgergeld nun tatsächlich gespart werden? Der aktuelle Haushaltsentwurf macht wenig Hoffnung auf einen großen Wurf. Die Milliardenpläne und Perspektiven im Überblick:

CDU will sparen, SPD will mehr Geld

Vor einer schwarz-roten Spitzenrunde bei Merz im Kanzleramt machten vor wenigen Tagen Zahlen zu möglichen Einsparungen beim Bürgergeld die Runde. Von 1,5 Milliarden Euro im nächsten Jahr geht demnach das SPD-geführte Bundesfinanzministerium aus, später sogar von 4,5 Milliarden.

Der aktuelle Haushaltsentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) klingt allerdings nicht sonderlich nach Sparen. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist da mit der Rekordsumme von 51,96 Milliarden Euro eingestellt. 2024 waren es „nur“ 46,81 Milliarden.

Beim Bürgergeld selbst, also der Leistung laut Regelsatz von beispielsweise 563 Euro für Alleinstehende, steigen die Kosten laut Entwurf um 3,1 auf 29,6 Milliarden Euro. Die Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Heizung soll 2025 dabei von 11,1 Milliarden Euro auf 13 Milliarden Euro 2025 steigen. 4,1 Milliarden Euro fließen zudem für Eingliederung in Arbeit.

Warum steigen in diesem Jahr die Kosten?

Mit über 5,5 Millionen Menschen bleibt die Zahl der Bezieher von Bürgergeld beziehungsweise Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II weiter auf hohem Niveau. Nach Jahren sinkender Zahlen gab es erstmals 2023 wieder mehr sogenannte Regelleistungsberechtigte – vor allem wegen der starken Fluchtbewegung von Ukrainern seit Russlands Angriff auf ihr Land.

Deutschland droht zudem das dritte Jahr ohne Wirtschaftswachstum, 2,9 Millionen Menschen sind arbeitslos. Das Entlastungsprogramm der Bundesregierung dürfte nach einer Prognose der Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, „nicht vor Sommer nächsten Jahres“ den Arbeitsmarkt wieder mehr in Schwung bringen. 632.000 offene Stellen waren im Juni gemeldet – nicht mal während der Corona-Pandemie war die Chance auf einen neuen Job so klein.

Kosten sinken nicht, sondern werden verschoben

Vor allem, weil ukrainische Flüchtlinge mit Einreisedatum nach dem 1. April kein Bürgergeld mehr erhalten sollen, sondern laut Koalitionsvertrag Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Nahles rechnet dadurch mit 900 Millionen Ersparnis beim Bürgergeld. Die Leistungen sind etwas geringer, die Kosten werden aber nur verschoben – der Bund will die nun bei Kommunen und Ländern anfallende Kosten erstatten.

Geplante Verschärfungen der Sanktionen gegen Bürgergeldempfänger, die sich nicht an die Vorschriften hielten, dürften nach Erwartung der Regierung hingegen nur eine zweistellige Millionensumme einsparen.

Wie kann man den Bürgergeld-Stopp für Ukrainer bewerten?

Im Bundesarbeitsministerium sieht man vor allem als wichtig an, dass die Betroffenen weiter für den deutschen Arbeitsmarkt fit gemacht werden. „Im System Bürgergeld“, sagt der Experte Enzo Weber, bekämen sie auch Qualifizierung und Vermittlung. „Wenn das wegfällt, hätte es klare Nachteile – für die Betroffenen, aber auch für den Arbeitsmarkt“, so der Forschungsbereichsleiter für gesamtwirtschaftliche Analysen am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Etwa bei der Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge aus Syrien aus den 2010ern sei Deutschland im europäischen Vergleich heute führend. „Deshalb sollten die Jobcenter weiter für ukrainische Geflüchtete zuständig sein – und die Grundsicherung könnte man, wenn politisch gewünscht für die Anfangszeit auf das Niveau der Asylbewerberleistung absenken“, schlägt Weber vor.

Bessere Betreuung statt grundlegende Reform

CSU-Chef Markus Söder fordert „ein grundlegendes Update“. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann will „an die Substanz des Systems gehen“. Der Koalitionsvertrag kündigt „eine neue Grundsicherung für Arbeitssuchende“ an.

Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat am meisten Furore bei dem Thema bisher mit Interview-Äußerungen über „ausbeuterische Strukturen“ gemacht. EU-Bürger würden dabei in Deutschland mit Miniarbeitsverträgen beschäftigt, sodass aufstockendes Bürgergeld fließt.

Vor Jobcenter-Beschäftigten umriss die SPD-Chefin Grundzüge ihres für nach der Sommerpause erwarteten Reformentwurfs. Ganzheitliche Betreuung und Coaching sollten demnach beibehalten werden. Aber: „Auch einfache Tätigkeiten können ein Sprungbrett sein.“

Laut Koalitionsvertrag soll Vermittlung Vorrang haben. Aus Sicht der Ampel war so ein Vorrang noch verantwortlich für einen „Drehtür-Effekt vom Jobcenter zum Aushilfsjob und zurück“, wie Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann damals gesagt hatte. Nun soll es strenger zugehen, auch das Vermögen von Betroffenen soll früher angerechnet werden.

Schärfere Sanktionen mit unerwünschten Nebenwirkungen

Bas kündigte „spürbare Konsequenzen“ an für Bürgergeld-Bezieher, die Termine beim Jobcenter versäumen. IAB-Forscher Weber erläutert: „Der heute bei einer Verfehlung drohende Abzug von Prozent der Leistungen für einen Monat ist im Vergleich mit den anderen OECD-Staaten stark unterdurchschnittlich. Viele Praktiker sagen, da lohnt sich der Verwaltungsaufwand gar nicht.“

Sanktionen hätten allerdings unerwünschte Nebenwirkungen: „Betroffene werden verstärkt in erstbeste, niedrig entlohnte Jobs gedrängt, die Nachhaltigkeit der Beschäftigungsaufnahmen leidet.“ Die Leistung ganz zu streichen, stehe im übrigen auch unter starken verfassungsrechtlichen Einschränkungen. Zuletzt hatte es in einem Monat 32.936 Betroffene mit sogenannten Leistungsminderungen gegeben.

Keine einfachen Lösungen ohne wirtschaftlichen Aufschwung

IAB-Forscher Weber macht sich für Zusammenspiel stark von verbindlichen Regeln, intensiver individueller Unterstützung und stärkerer Qualifizierung, besseren finanziellen Anreizen für ausgeweitete Arbeit sowie „einer wirtschaftlichen Erneuerungspolitik für mehr neue Jobchancen“. „Mit konsequenten Weichenstellungen in jedem dieser vier Bereiche könnten wir jeweils eine deutlich fünfstellige Zahl von Arbeitslosen in Jobs bringen“, so der Forscher. „Dabei ist der ersehnte wirtschaftlicher Aufschwung der größte Erfolgsfaktor, denn dann würden auch Stellen vermehrt neu ausgeschrieben. Für Langzeitarbeitslose ist dies besonders wichtig, denn bei den bereits bestehenden offenen Stellen hat eine Jobaufnahme ja bisher nicht geklappt.“

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke