Klingbeil sieht sich als „Blitzableiter“ für den Unmut in der SPD
Symbolisch abgestraft: Lars Klingbeil sieht sein schwaches Ergebnis bei der Wiederwahl zum SPD-Vorsitzenden als eine Art Quittung für das historisch schlechte Bundestagswahlergebnis der Partei und die Umwälzungen danach.
„Ich wusste, das wird ein schwieriges Ergebnis“, sagte er am ersten Abend des dreitägigen Parteitags in Berlin. Einigen habe schon nicht gefallen, dass die SPD die Koalition mit der Union eingegangen sei. Auch der von ihm mit vorangetriebene Generationswechsel im Kabinett, in der Fraktion und in der Parteiführung habe einige nicht glücklich gemacht. Das sei aber alles richtig gewesen.
„Ein bisschen bin ich ja der Blitzableiter vielleicht auch für viele andere, und das gehört dann in der Verantwortung auch mit dazu“, sagte er am Freitag beim Abend des konservativeren Parteiflügels, des Seeheimer Kreises. Er wünsche sich nun eines: „Das war jetzt der Tag, wo ein Stück weit auch abgerechnet wurde, was am 23. Februar und danach war – aber jetzt entwickeln wir wieder eine Kraft, nach vorne zu gehen.“
Zu einer ähnlichen Einschätzung kam auch der neugewählte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf gegenüber WELT TV. Er sei perplex gewesen über das schlechte Abschneiden Klingbeils bei seiner Wiederwahl, so Klüssendorf im Interview, mit einem solchen Ergebnis habe er „nicht gerechnet“. „Aber es zeigt eben, dass doch nach dem Wahlergebnis auch starke Verletzungen entstanden sind, dass sich da auch der Druck dann entladen hat“, so der neue Generalsekretär.
Pistorius: In einem Jahr redet keiner mehr darüber
Vizekanzler Klingbeil hatte zuvor bei seiner Wiederwahl das historisch schlechteste Ergebnis aller allein angetretenen SPD-Vorsitzenden: 64,9 Prozent der Delegiertenstimmen erhalten. Nur Oskar Lafontaine bekam 1995 noch weniger (62,6 Prozent), allerdings in einer Kampfkandidatur gegen Rudolf Scharping.
Verteidigungsminister Boris Pistorius stärkte Klingbeil den Rücken. „Es ist ja nicht so, dass dieses Ergebnis vom Himmel gefallen wäre. Und es ist ja nicht so, dass wir nicht alle damit gerechnet hätten, dass es ein schwieriges Ergebnis wird“, sagte er beim Seeheimer Kreis. Er habe zu Klingbeil gesagt: „In einem Jahr spätestens, wahrscheinlich schon früher, redet darüber gar keiner mehr, weil wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten so sind.“
Es sei jetzt nicht die Zeit für Schuldzuweisungen, sondern sich auf die Arbeit in der Bundesregierung zu konzentrieren, um bei der nächsten Bundestagswahl 2029 ein starkes Ergebnis zu erreichen.
Bas: Klingbeils Ergebnis ist Resultat von Verantwortung
Arbeitsministerin Bärbel Bas hingegen erhielt 95 Prozent und rückte damit in die SPD-Spitze auf. Auch sie rechtfertigte Klingbeils Ergebnis als Quittung für Verantwortungsbewusstsein: „Er hat natürlich nach dieser krachenden (Bundestagswahl-)Niederlage vom 23. Februar die Verantwortung übernommen“, erklärte sie im ZDF-„Heute Journal“.
Die ehemalige Innenministerin Nancy Faeser zeigte sich überrascht von Klingbeils Abschneiden. „Ich habe mit einigen Nein-Stimmen gerechnet, aber damit nicht“, sagte sie dem „Tagesspiegel“.
Bas ließ im ZDF die Frage offen, ob sie mit ihrem guten Ergebnis nun mehr politisches Gewicht habe als der Co-Chef. „Wir werden beide daran arbeiten müssen, das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler wieder zurückzugewinnen“, sagte sie mit Blick auf die 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl.
Abschied von Scholz und Esken steht an
Bei der Fortsetzung des SPD-Parteitags steht am heutigen Samstag mit Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz und der langjährigen Parteivorsitzenden Saskia Esken auch die zurückliegende Wahlperiode im Fokus. Scholz redet am Morgen zu den Delegierten. Später tritt Esken vor den Parteitag.
Vor allem bei den Parteilinken sorgte es für Unmut, dass die ehemalige Parteichefin bei der Vergabe der Spitzenposten der SPD unter Schwarz-Rot leer ausging. Esken selbst sagte der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ vor dem Parteitag, sie habe sicher auch Fehler gemacht. „Aber die Art, wie Häme über mich ausgekübelt worden ist, war unverhältnismäßig und würdelos.“
Der Parteitag in Berlin endet an diesem Sonntag.
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