CDU macht Druck – plötzlich wird wieder über eine Wehrpflicht diskutiert
Russland mobilisiert. Zehntausende Soldaten sollen sich in der Nähe von Sumy an der Grenze zur Ukraine befinden, so hat es Wolodymyr Selenskyj dieser Tage dargestellt. Das Ziel: eine Sommeroffensive.
Oder?
Auch westliche Geheimdienstkreise registrieren den russischen Truppenaufbau aufmerksam. Seit Wochen wird darüber spekuliert, was Wladimir Putin damit bezwecke. Will er wirklich den Krieg in der Ukraine verschärfen? Oder plant er schon darüber hinaus?
Putin, so heißt es bei den Diensten, schiele längst auf die Nato. Mit der Mobilisierung an der Grenze wolle der Kreml-Herrscher ein Zeichen der Stärke setzen. Die Botschaft: Selbst wenn der Krieg in der Ukraine irgendwann zu einem Ende kommt – ich bin militärisch stark genug, um meine Truppen in Windeseile in Richtung Baltikum zu verlegen.
Wehrpflicht: Röttgen und Günther machen Druck
Auch dieses Szenario dürfte ein Grund dafür sein, warum in der Bundesregierung eine Debatte neu aufflammt: Reicht ein freiwilliger Wehrdienst, wie ihn der Verteidigungsminister plant oder braucht es doch eine Wehrpflicht, um die Bundeswehr für den Ernstfall zu rüsten? Um sie wirklich verteidigungsfähig zu machen? Die Nato drängt, der Wehrbeauftragte schlägt Alarm. Jetzt machen weitere CDU-Politiker Druck.

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Verteidigung Miersch: Keine Wehrpflicht-Gespräche diese Legislaturperiode
"Wir können nicht ausschließlichen, dass Putin nicht abwartet, bis die Nato ihre Vorbereitungen abgeschlossen hat, sondern dass er früher angreift. Wir müssen also in den ersten Jahren schneller sein. Es besteht folglich ein gigantischer Handlungs- und Zeitdruck", warnt Norbert Röttgen, der stellvertretende Unions-Fraktionschef im Gespräch mit dem stern. "Das Thema hat im Moment höchste Priorität. Wir brauchen eine angemessen ausgestattete Bundeswehr – und eine Bundeswehr mit ausreichend Personal", sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther dem stern.
Was beide meinen: Es braucht eine Neujustierung der schwarz-roten Bundeswehrpläne, am besten sofort.
"Das Wichtigste für die Sicherheit unseres Landes sind unsere Soldatinnen und Soldaten, und zwar in der notwendigen Anzahl", sagt Röttgen. Im Koalitionsvertrag sei zwar vereinbart, "zunächst" allein auf Freiwilligkeit für die Rekrutierung tausender weiterer Soldaten zu setzen. Aber sowohl diese Formulierung "als auch die sicherheitspolitische Lage erzwingen, dass wir von vornherein einen Plan B ins Gesetz aufnehmen, falls die Freiwilligkeit als Plan A nicht zum Ziel führt."
SPD lehnt Planänderung ab
Die Debatte ist auch deshalb so heikel, weil die Koalition in der Frage gespalten ist. Bei den Sozialdemokraten gibt es wenig Neigung, jetzt an den Plänen etwas zu ändern. Über eine Wehrpflicht könne gern in der nächsten Legislaturperiode gesprochen werden, nicht in dieser, stellte Matthias Miersch, der SPD-Fraktionsvorsitzende, unlängst klar. Die Grünen scheinen offener. Am Sonntag sprach sich Grünen-Ikone Joschka Fischer im "Spiegel" abermals dafür aus, eine Wehrpflicht für Männer und Frauen einzuführen.
Der Handlungsdruck ist klar. Nato-Chef Mark Rutte hat die Mitgliedstaaten angesichts der Bedrohungslage schon zu massiven Investitionen in die Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit verdonnert. Kanzler Friedrich Merz hat die größte konventionelle Armee Europas in Aussicht gestellt – ein gewaltiges Ziel. Bisher verfügt die Bundeswehr über rund 181.000 Soldaten und 34 000 aktive Reservisten. Um die neuen Nato-Planungsziele zu erreichen, rechnet SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius mit einem Bedarf von bis zu 60.000 zusätzlichen Soldaten bis zum Jahr 2032. Auch Pistorius stellt deshalb infrage, ob der geplante neue freiwillige Wehrdienst ausreichen wird.

Bundeswehr Merz hat gute Erinnerungen an seinen Wehrdienst
"Die internationale sicherheitspolitische Lage hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert", warnt der Kieler Regierungschef Daniel Günther. Seine CDU in Schleswig-Holstein habe bereits vor einem Jahr die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht für Frauen und Männer gefordert und langfristig die Einführung der allgemeinen Dienstpflicht. "Wenn wir 50.000 bis 60.000 Soldatinnen und Soldaten zusätzlich brauchen, ist klar: Der geplante freiwillige Wehrdienst reicht nicht aus. Ich unterstütze sämtliche Überlegungen, die schon jetzt die Einführung einer Wehrpflicht vorbereiten."
Auch Pistorius denkt über verpflichtende Elemente nach
In der Koalition dürfte die Debatte erst beginnen. Ende des Monats will die Nato ihre neuen Ziele festlegen, dann hat die Bundesregierung den Bedarf schwarz auf weiß. Das Problem neben dem Koalitionsvertrag: Für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht, die auch für Frauen gilt, bräuchte es wohl eine Zweidrittelmehrheit, also auch ein Ja der Linken. Das scheint illusorisch.
Deswegen denkt man im Pistorius-Ministerium dem Vernehmen nach daran, Pflichtelemente in das geplante Wehrdienst-Gesetz aufzunehmen. Nach dem Motto: Wenn sich nicht genug freiwillige Männer finden, könnten geeignete Kandidaten zum Beispiel über ein Losverfahren zum Dienst verpflichtet werden. Ähnlich macht es etwa Schweden. Die Zeit drängt. Zum 1. Januar 2026 soll das Gesetz in Kraft treten. Pistorius müsste dazu allerdings in Konflikt mit seiner eigenen Partei gehen.
Den Koalitionspartner hätte er auf seiner Seite. "Wir haben keine sicherheitspolitischen Spielräume für ein Scheitern bei der Aufstellung der erforderlichen deutschen Streitkräfte", warnt CDU-Außenexperte Röttgen. "Dass die deutsche Politik endlich die Maßnahmen ergreift, um die äußere Sicherheit unseres Landes gewährleisten zu können, hat absolute Priorität."
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