Nach dem massiven ukrainischen Drohnenangriff auf russische Luftwaffenstützpunkte stellt sich die Frage: Wie wird Moskau reagieren? Darüber hat WELT TV mit Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften der Universität der Bundeswehr München, gesprochen.

WELT: Herr Prof. Masala, WELT-Reporter Steffen Schwarzkopf hat die ukrainische Offensive als eine „Ohrfeige links und rechts“ für Russland bezeichnet. Wie könnte aus Ihrer Sicht die Reaktion Moskaus aussehen?

Carlo Masala: Die russische Reaktion wird sicherlich mit ballistischen Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen erfolgen. Die Ziele sind unklar, aber ich denke, Kiew wird ein Schwerpunkt sein. Es ist auch nicht auszuschließen, dass man erneut eine „Oreschnik“ (Mittelstreckenrakete, d.Red.) mit einem Betonsprengkopf explodieren lässt – um anzudeuten, dass man grundsätzlich in der Lage wäre, auch eine nuklear bestückte Rakete in die Ukraine zu schicken. Von daher: Es wird eine Antwort kommen, sie wird massiv sein – aber sie wird, trotz russischer Desinformationskampagnen, nicht nuklear sein.

WELT: Die Wirkung der ukrainischen Aktion dürfte massiv sein – immerhin gelingt es der Ukraine, rund 3000 bis 4000 Kilometer von der eigentlichen Kampfzone entfernt, die russische Luftflotte anzugreifen. Und zwar eine zentrale Komponente: die Langstreckenbomber. Putin dürfte darüber kaum erfreut sein, oder?

Masala: Es ist nicht davon auszugehen, dass Putin das gelassen nimmt. Einer der Pfeiler der sogenannten nuklearen Triade ist extrem geschwächt worden – und das kann nicht im russischen Interesse sein. Zweitens zeigen die Ukrainer, dass sie tief im russischen Hinterland wirken können. Und zwar nicht mit Langstrecken-Drohnen, sondern indem sie ihre Drohnen nach Russland einschleusen – etwa auf Lkws, die in der Nähe der Flugplätze geparkt werden, um von dort den Angriff durchzuführen. Die Ukrainer machen damit auch deutlich, dass sie nicht nur in der Defensive sind, etwa im Donbass, wo sie russische Angriffe abwehren oder sich sogar zurückziehen müssen. Sie sind sehr wohl in der Lage, Offensivoperationen durchzuführen. Das ist ein klares Signal an die Staaten, die die Ukraine unterstützen: Diese Unterstützung lohnt sich. Denn die Ukraine ist durchaus in der Lage, Dinge zu tun, die man so nicht von ihr erwartet hätte.

WELT: In jedem Fall ist das, was im Osten der Russischen Föderation geschehen ist, ein starkes, vielleicht sogar siegreiches Zeichen. Das wirft die Frage auf: Hat die Rolle der Drohnen in den dreieinhalb Jahren Krieg immer weiter an Bedeutung gewonnen?

Masala: Ja. Drohnen spielen auf beiden Seiten eine zentrale Rolle – und die Frage ist inzwischen, wer bessere Technologie einsetzt und sie besser gegen Abwehrmaßnahmen schützt. Da hat sich in den letzten anderthalb Jahren sehr viel entwickelt. Wir haben ja die Information, dass mittlerweile auch künstliche Intelligenz in diesen Drohnen eingesetzt wird. Das heißt: Das Targeting wird einfacher. Die Drohne ist mittlerweile eine zentrale Waffe – sowohl zur Aufklärung, im Angriff als auch in der Verteidigung.

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