Die Jugend galt lange als besonders glückliche Zeit. Doch eine neue Studie des Ökonomen und Glücksforschers David Blanchflower zeigt einen Wandel. Was ist da passiert? 

Das Glück ist ein U – diese Erkenntnis gilt seit vielen Jahren als Fakt in der Gesundheitsforschung: In Kindheit, Jugend und als junge Erwachsene fühlen wir uns glücklich. Doch ab Mitte 20 rauscht das Glück in den Keller. 

Den Tiefpunkt der Lebenszufriedenheit erleben wir mit etwa 47 Jahren. Die starke Belastung durch Familienphase, Job und Rushhour des Lebens scheint das Glücksempfinden schlicht zu dämpfen. Doch danach geht es erstaunlicherweise wieder bergauf: Ab Ende 40 fühlen wir uns stetig glücklicher.

Doch nun weisen Studien des renommierten Glücksforschers David Blanchflower darauf hin, dass die typische Glückskurve nicht mehr gelten könnte: Den Daten aus den Jahren 2020 bis 2025 zufolge scheinen sich aktuell junge Erwachsene bereits vor Mitte 20 als mental stark belastet zu erleben. Ihre Glückskurve ist im Keller. Das Gefühl von mentaler Zufriedenheit und Glück scheint nur noch im Leben der Älteren Raum zu finden.  

Junge Menschen suchen nach dem Glück

Für ihre Studie wertete das Team des Glücksforschers verschiedene Datensätze aus, darunter das Behavioral Risk Factor Surveillance System (BRFSS), das seit 1984 jährlich mehr als 400.000 US-Amerikanerinnen und -Amerikaner zu ihrer psychischen Gesundheit befragt.

Eine zentrale Frage lautet, an wie vielen Tagen in den letzten 30 Tagen die mentale Gesundheit beeinträchtigt war. Wer angab, sich an allen Tagen unwohl gefühlt zu haben, wurde der Kategorie "Despair" (Verzweiflung/unglücklich) zugeordnet.

Vor allem die Antworten der jungen Erwachsenen unter 25 überraschten die Glücksforschenden. Stuften 1993 nur knapp drei Prozent der Befragten ihre mentale Verfassung als unglücklich ein, waren es 2023 acht Prozent. Auch die weiteren Datensätze, die in die Analyse einbezogen wurden, zeigten ähnliche Veränderungen.

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"In unserer Studie haben wir eine Veränderung im Altersmuster des Unwohlseins aufgrund zunehmender psychischer Probleme bei jungen Menschen dargestellt", schreibt Blanchflower. Mit anderen Worten: Die jahrzehntealte U-Kurve gilt nach Ansicht des Forschers derzeit nicht mehr. Heute fühlen sich vor allem junge Menschen unwohl. Ihr Wohlbefinden steigt erst mit den Jahren. Am glücklichsten sind inzwischen die über 50-Jährigen.

 Als mögliche Ursachen nennt Blanchflower gleich mehrere Faktoren:  

  • Unsicherheiten in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt 

  • Die Auswirkungen der Corona-Pandemie mit all ihren Einschränkungen  

  • Die übermäßige Nutzung von sozialen Medien 

Schon sprechen viele von der "Krise der Jugend". Zerstört die krisenhafte und digitalisierte Welt den Lebensmut der jungen Menschen?

Das Glücksempfinden als U-Kurve

Das Glück ist ein U: In jüngeren Jahren fühlen wir uns häufig glücklich. Dann fällt die Glückskurve ab – Stress und vielfältige Belastung im Erwachsenenleben ziehen unserem Glück den Stecker. Doch dann steigt die Glückskurve ab dem 50. Lebensjahr wieder an. Und wir können uns auf ein eher glückliches, zufriedenes Erleben im fortgeschrittenen Alter freuen. 

Erstaunlicherweise zeigt sich das Empfinden unseres persönlichen Glücks relativ unbeeindruckt von unserem objektiven Gesundheitszustand, vor allem im fortgeschrittenen Alter. "Die U-förmige Happiness-Kurve zeigt, wie Menschen sich subjektiv fühlen – und das läuft nicht konform mit den tatsächlichen Erkrankungen", erklärt Gesundheitswissenschaftler Tobias Esch. Die Menschen fühlten sich im späteren Lebensalter häufig sehr zufrieden, obwohl sie objektiv mehr Erkrankungen hätten als Jüngere.

Esch erklärt dieses Phänomen, das "Zufriedenheitsparadoxon" genannt wird, mit dem Glücks- und Belohnungssystem im Gehirn: Die Zufriedenheit und das recht hohe Erleben von Glück seien vor allem ein persönliches Empfinden, das im Gehirn erzeugt wird, erklärt der Experte. "Es scheint so, dass Menschen ihre Vorstellungen von einem 'guten Leben' im Laufe der Zeit anpassen oder sogar darüber hinauswachsen." Dabei könnten neurobiologische Prozesse der Anpassung und persönlichen Entwicklung eine wichtige Rolle spielen.

Man könnte auch sagen: Der Mensch hat ein Potenzial zum Glücklichsein, das sich bei den meisten erst im Laufe des Lebens entfaltet und oftmals erst in höherem Alter richtig zur Blüte kommt.

Tobias Esch ist Arzt, Neurowissenschaftler und Gesundheitsforscher an der Universität Witten/Herdecke. Er gilt als einer der führenden Experten für Salutogenese und Selbstheilung und war mitverantwortlich für die Studien, die auch für Deutschland den U-Verlauf des Glücks bestätigen konnten.

Esch sieht die neuen Daten kritisch. Zum einen seien die zugrunde gelegten Daten zwischen 2020 und 2024 stark von der Corona-Pandemie geprägt. "Dass es den Jugendlichen und jungen Erwachsenen in dieser Zeit nicht gut ging, das wissen wir." Die soziale Isolation und die eingeschränkte Mobilität hätten viele junge Menschen ziemlich deprimiert, erklärt Esch.

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"Doch die Pandemie ist zum Glück erst einmal vorbei. Viele Kollegen und Kolleginnen gehen wie ich davon aus, dass die Werte der jungen Menschen sich in Bezug auf ihre mentale Gesundheit und Happiness zumindest in Teilen wieder verbessern werden", sagt er.

Zudem weist Esch auf die Art der Daten hin: "In diesen Studien werden subjektive Daten erfragt – keine medizinisch gesicherten Diagnosen", erklärt der Neurowissenschaftler. Wenn also die Befragten angäben, dass sie sich mental unwohl fühlten, heiße das noch lange nicht, dass sie mental krank seien – eine manifeste Depression oder andere psychische Erkrankung hätten.

Abflachung der Glückskurve: ein vorübergehendes Phänomen?

"In Studien zeigt sich mitunter eine Lücke zwischen allgemeiner und persönlicher Einschätzung der mentalen Gesundheit", erklärt Esch. Viele gäben an, stark psychisch belastet zu sein, wenn sie etwa auf die Zukunft generell oder die gesellschaftliche Entwicklung schauen, bewerteten aber ihr eigenes Leben gleichzeitig als eigentlich ganz gut. Der Blick auf das eigene reale Leben fällt demnach weitaus positiver aus, als es die allgemeine Aussage vermuten lässt.

Auch die U-Kurve sei noch lange nicht vom Tisch. "Da junge Erwachsene nach wie vor positiv auf ihr eigenes Leben blicken, glaube ich, dass die Abflachung der Kurve eher ein vorübergehendes Phänomen ist", betont der Wissenschaftler.

Damit junge Menschen ihre Stärke entfalten könnten, müssten ihre Sorgen auch wirklich gehört und angepackt werden, egal, ob beim Klima, bei Renten oder anderen Themen. "Junge Erwachsene haben die Fähigkeit, Dinge selbst in die Hand zu nehmen", sagt Esch. "Dafür müssen sie ernst genommen werden und Resonanz finden."

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