Ten Hag stellt sich größter Aufgabe in der Geschichte von Bayer Leverkusen
Bayer Leverkusen hat einen neuen Trainer. Der frühere Man-United-Coach Erik ten Hag muss in riesige Fußstapfen treten, die größten, die es in der Vereinsgeschichte der Werkself gab. Und das auch noch in unruhigen Zeiten.
Über die schwierigen Zeiten von Erik ten Hag bei Manchester United schweigt Bayer Leverkusen lieber. Der neue Trainer der Werkself wird im Porträt auf der Vereinshomepage als erfahrener Titelsammler vorgestellt. Vor allem über sein erfolgreiches Werken bei Ajax Amsterdam wird referiert. Die Zeit bei United wird angerissen und auf die Erfolge des Niederländers mit den Red Devils reduziert.
Nach zwei Pokalsiegen und knapp zweieinhalb Jahren war Schluss, teilen die Leverkusener mit. Das ist faktisch richtig, aber in den heftigen Turbulenzen des vielleicht größten Krisen-Riesen im europäischen Vereinsfußball ging auch der Niederländer unter. Sein Ruf als Supertrainer litt. Er übergab die Mannschaft im vergangenen Oktober auf Tabellenplatz 14, es sollte danach nicht besser werden. Der Klub legte seine ganze Kraft und all seine Hoffnungen auf die Europa League und verlor diese Wette im Finale gegen die Tottenham Hotspur. Ten Hag war da längst verbitterte United-Geschichte und sein Nachfolger Ruben Amorim kurz vor dem Zusammenbruch.
Ronaldo wütet gegen ten Hag
Legende Cristiano Ronaldo wütete einst gegen den Niederländer. In einem Interview ließ er es richtig scheppern. Vor ten Hag habe er keinen Respekt, weil dieser ihn auch nicht respektiere. "Ja, ich fühlte mich verraten, und ich hatte das Gefühl, dass mich einige Leute hier nicht wollen. Nicht nur dieses Jahr, sondern auch voriges Jahr." Auch mit Jadon Sancho überwarf sich der Coach. Kuriose Notiz: Bayer soll an Sancho interessiert sein.
In Leverkusen empfangen sie ten Hag dagegen mit großen Worten. Er tritt ja auch in große Spuren. In die größten der Vereinsgeschichte. Ten Hag übernimmt das Amt von Xabi Alonso, der sich auf ewig unsterblich gemacht hatte. Er hatte das verunsicherte Bayer erst aus dem Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga geführt und ihnen dann die quälenden Fesseln der Vergangenheit abgeschlagen, als er sie im vergangenen Sommer zum Meister machte. Die ewige Last des "Vizekusen"-Leidens war mit einem donnernden Schlag zerbrochen. Durch ganz Europa war der Knall der Erleichterung zu hören. Leverkusen hatte nicht nur einen Titel gewonnen, sie waren als erste Mannschaft in der Bundesliga eine Saison nicht zu schlagen gewesen.
Bayer Leverkusen machte Europa verrückt
Leverkusen spielt am Limit, spielte über dem Limit. Alles, was möglich ist, immer, zu jeder Zeit. Bayer verzauberte Europa jedes Mal aufs Neue, mit auf Krawall umgebogenen Spielen tief in der Nachspielzeit. Es war eine Magie, der nie die Kraft auszugehen schien. Erst wenn der DJ die letzten Tracks vor dem Licht auflegte, schien Leverkusen so richtig freizudrehen. Aber auch Bayer konnte die Gesetze der Zeit nicht aushebeln. Jede Party hat ein Ende. Nicht immer müssen sie mit einem teuflischen Kater ausgehen. Bayer erlebte ein langsames Ende der kaum zu fassenden Erfolgsgeschichte. Im Laufe der folgenden, der gerade abgelaufenen Saison, zahlte das Team den Tribut für das gnadenlose Tanzvergnügen. Bayer wurde schlagbarer, normaler.
Von daher sind die Spuren, in die den ten Hag tritt, vielleicht ein winziges bisschen kleiner geworden. Und dennoch könnte die Aufgabe, die ihm bevorsteht, kaum gigantischer sein. Er muss nicht nur an der Erinnerung an Xabi Alonso vorbei, der nicht nur sportlich, sondern auch als Mensch verehrt worden war. Er muss eine Mannschaft neu aufbauen. Vielleicht nur in kleineren Teilen, vielleicht aber auch als großes Puzzle. Denn diese furiose Mannschaft, die Europa so viele große Abende schenkte, zerbricht. Anleiter Xabi Alonso stürzt sich in eine nicht minder schwere Aufgabe bei Real Madrid, muss dort aus einer Ansammlung von Fußball-Giganten ein wieder funktionierendes Kollektiv schaffen. Den unverzichtbaren Superstar Florian Wirtz zieht es wohl zum FC Liverpool. Für Bayer der größte Verlust, wann immer er gefehlt hatte, war seine Mannschaft eine andere, eine viel schwächere. Und Abwehrchef Jonathan Tah sucht sein Glück beim FC Bayern.
Gerüchte-Wahnsinn bei der Werkself
Das sind nur drei prominente Eckpfeiler, die das Bayer-Wunder künftig nicht mehr stützen. Es könnten noch so viele mehr dazukommen. Nahezu um den halben Kader gibt es Gerüchte. Supersprinter Jeremie Frimpong soll ebenfalls beim FC Liverpool ganz oben auf der Liste stehen - als Ersatz für Klubikone Trent Alexander-Arnold. Alejandro Grimaldo hat mehrfach hinterlegt, dass er wieder in seiner spanischen Heimat spielen möchte. Am Wochenende gab es dann große Irritationen um eine kryptische Rückkehr-Ansage von Granit Xhaka in seine Schweizer Heimat. Und was wird aus Stürmer Victor Boniface, der im Winter mit einem Bein in Saudi-Arabien war? Was wird aus Patrick Schick, aus Piero Hincapie, aus Exequiel Palacios? Die Letztgenannten gelten gar als Real-Kandidaten. Bayer sehen mächtige Turbulenzen am Transfermarkt bevor - und tüchtige Einnahmen.
"Es ist immer abhängig vom Personal. Es geht immer darum, die richtige Mischung in der Mannschaft zu finden", sagte ten Hag bei seiner Vorstellung. "Ich bin nach Leverkusen gekommen, um die in den vergangenen Jahren gewachsenen Ambitionen zu bestätigen. Es ist eine reizvolle Aufgabe, in dieser Phase des Umbruchs gemeinsam etwas aufzubauen und eine ambitionierte Mannschaft zu entwickeln." Er legt die Latte für seine Arbeit in ungeklärten Zeiten sehr hoch. Als bislang einzigen offiziellen Neuzugang für die Profimannschaft hat Bayer das große Hertha-Talent Ibrahim Maza verpflichtet. Eigentlich sollte der im Schatten von Wirtz reifen, muss wohl nun aber doch schneller in verantwortlicher Rolle ran, als erhofft. Mit Tim Oermann steht ein zweites Talent kurz vor einem Wechsel. Er soll vom VfL Bochum kommen, aber wohl direkt an Sturm Graz verliehen werden.
Für Bayer Leverkusen stellen sich nun gleich mehrere Fragen: Welchen ten Hag bekommen sie? Den, der mit Ajax Amsterdam so wahnsinnig erfolgreich war und sich zuvor beim FC Bayern II einen guten Ruf erworben hatte? Oder jenen, der mit Manchester United in schwere Turbulenzen geriet? Und welche Strahlkraft hat der neue Coach? Nach innen, um die Spieler zum Bleiben zu überzeugen, die wegen Xabi Alonso nach Leverkusen gekommen waren. Und nach außen, um neue Spieler für ein neues Zeitalter unterm Bayerkreuz zu bewegen.
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