Als ein unbeugsamer Underdog die Bayern im Pokalfinale vorführte
Friedhelm Funkel schüttete sich feiernd eine Flasche Sekt über den Kopf und Lothar Matthäus flüchtete sich traurig in die Arme seiner Frau. Das Pokalfinale 1985 war eine denkwürdige Schmach für die Bayern und ein Triumph für die tapferen Underdogs von Bayer Uerdingen.
"Wir haben schlecht gespielt, dafür jetzt gut gegessen", meinte ein sichtlich enttäuschter Lothar Matthäus nach dem verlorenen Pokalfinale 1985 im Berliner Olympiastadion gegen Bayer Uerdingen beim Bankett mit seiner Frau Silvia im Arm viele Stunden nach der Partie. Eine Woche zuvor hatte der ambitionierte Nationalspieler noch voller skeptischer Zuversicht gemeint: "Ich hoffe nur, dass ich dieses Mal auf der richtigen Seite stehe." Doch genau wie ein Jahr zuvor, als er noch im Trikot von Borussia Mönchengladbach spielte, sollte es auch im Mai 1985 nichts werden mit dem ersten DFB-Pokalgewinn des Lothar Matthäus.
Stattdessen triumphierten in Berlin die vermeintlichen Underdogs aus Krefeld. Bayerns Erfolgstrainer Udo Lattek hatte schon vor der Begegnung so eine Ahnung gehabt, als er anders als sonst dieses Mal recht zurückhaltend über den kommenden Gegner sprach: "Die Uerdinger sind ein gleichwertiger Partner, weil wir uns gegen diese Mannschaft eigentlich immer schwergetan haben. Die Spiele FC Bayern gegen Bayer standen immer auf der Kippe und wir hatten im Grunde immer Glück, dass wir letztendlich als Sieger vom Platz gegangen sind."
"Diesmal war es mit dem Dusel vorbei"
Und tatsächlich fanden die Münchener an diesem 26. Mai vor vierzig Jahren zwar gut ins Spiel, als sie schon nach acht Minuten durch Dieter Hoeneß in Führung gingen, doch der postwendende Ausgleich durch Horst Feilzer brach den Bayern emotional direkt das Genick. Uerdingens Peter Loontiens meinte nach der Partie dann auch vollkommen zurecht: "Die hatten wir so sicher im Sack wie nie zuvor. In den letzten Spielen hatten die Münchener gegen uns immer gewonnen, aber stets mit viel, viel Glück. Diesmal war es mit dem Dusel vorbei. Wir hätten noch klarer gewinnen müssen." Und auch der Teamchef der deutschen Nationalmannschaft, Franz Beckenbauer, sprach klare Worte: "Der Sieg der Uerdinger ist hochverdient. Die Bayern waren ein Schatten ihrer selbst. Vor allem Lerby und Matthäus haben mich sehr enttäuscht."
Dass er an diesem Tag den entscheidenden Treffer schießen würde, hatte der Spieler von Bayer Uerdingen, Wolfgang Schäfer, bereits vorher von einer inneren Stimme ins Ohr geflüstert bekommen. Und so war er hinterher verständlicherweise kaum zu beruhigen, als seine Vorhersehung tatsächlich Wirklichkeit geworden war. "Das ist verrückt! Ich weiß das. Aber das war wirklich so", stammelte er hinterher in den Katakomben des Berliner Olympiastadions immer wieder glücklich in den Armen seiner Frau oder eines Mitspielers liegend. Strahlend meinte er dann auch noch in Gegenwart seiner Liebsten: "Das war der schönste Tag in meinem Leben - nach meiner Hochzeit."
Und auch der aktuelle Aufstiegstrainer des 1. FC Köln, Friedhelm Funkel, war damals als Spieler von Bayer Uerdingen ganz beseelt von dem Triumph über die Bayern: "Das ist mein schönster Tag. Ich bin schon 13 Jahre dabei, habe mit Kaiserslautern im Europacup gespielt, aber dieser Pokalsieg war die Krönung." Damals wie heute war Funkel bei der Sause nach dem Sieg ganz vorne mit dabei. Meinte Kaiserslauterns Coach Torsten Lieberknecht nach dem Aufstieg des FC die Tage noch über Funkel - "Der ist topfit, da ist kein Gramm Fett dran, er kann feiern wie ein Biest" -, so schrieb damals vor vierzig Jahren der "Kicker" begeistert: "Friedhelm Funkel schüttete sich vor Ausgelassenheit einen Kübel Sekt über den Kopf. Der Alkohol kam in die Augen und brannte. Aber Funkel ließ sich die gute Laune nicht verderben."
"Trinkt nicht zu viel"
Und die ließen sich die Mannen um Torwart Werner Vollack ("Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass es so leicht werden würde") und Kapitän Matthias Herget auch von ihrem eigenen Trainer Karl-Heinz Feldkamp nicht nehmen, der seine Spieler noch auf dem Platz ermahnt hatte: "Trinkt nicht zu viel, sonst seid ihr schon nach einer halben Stunde blau." Dass die Chemie in der Mannschaft damals stimmte, erzählte Torschütze Wolfgang Schäfer später einmal mit dieser Anekdote: "Ich bin um halb elf auf mein Zimmer, habe den Pokal mitgenommen. Der Friedhelm hat dann überall rumerzählt, ich sei mit dem Pokal in die Disko abgehauen. Nachts um halb drei klopfte der Sicherheitsdienst an der Tür. Der Pokal stand da auf dem Tisch."
Eine andere, unglaubliche Geschichte von diesem denkwürdigen Sonntagabend im Berliner Olympiastadion vor vierzig Jahren veröffentlichte vor ein paar Jahren der TV-Kommentator Jörg Dahlmann in seinem Buch "Immer geradeheraus": "Horst Feilzer, genannt 'Feile', hatte die Eigenart, immer ein Kaugummi zu kauen, ein guter Teil Aberglaube schwang da mit. Kurz vor dem Spiel Hektik. Er hatte sein Kaugummi vergessen! Ich schenkte ihm eins von mir. Und er erzielte das 1:1, nachdem Dieter Hoeneß die Bayern in Führung gebracht hatte. Das Kaugummi schrieb Geschichte. Denn bei seinem Torjubel war ihm der geliebte elastische Partner aus dem Mund gefallen. Er suchte und suchte auf der Tartanbahn, fand ihn schließlich, putzte das gute Stück und steckte es wieder in den Mund. Der Glücksbringer hielt bis zur 90. Minute. Uerdingen gewann 2:1."
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