Der "Kniat raus"-Hass verwandelt sich in eine Liebesbotschaft
Arminia Bielefeld könnte Fußball-Geschichte schreiben und als erster Drittligist den DFB-Pokal gewinnen. Dass sein Team gegen den VfB Stuttgart der Außenseiter ist, schert Trainer Mitch Kniat nicht. Denn der 39-Jährige hat mit dem Klub schon ganz anderes durchgestanden.
Der größte Fan von Arminia Bielefeld bleibt Berlin fern. Obwohl 100.000 von ihnen zum DFB-Pokalfinale nach Berlin pilgern und auf den nächsten großen Triumph dieser Saison setzen. Der Hermann, dem auf seinem Denkmal im Teutoburger Wald ein überdimensioniertes Trikot des Fußballklubs angezogen wurde, steht natürlich fest.
Nun, sein Schwert dürfte er ohnehin nicht mit ins Olympiastadion nehmen, wenn es gegen den VfB Stuttgart (20 Uhr/ZDF, Sky und im ntv.de-Liveticker) geht. Wie auf dem Feld muss auf den Tribünen mit fairen Mitteln gekämpft werden. Wobei: Auch Worte können verletzen. Das musste Trainer Mitch Kniat erfahren, den die Fans nicht nur in seiner Debütsaison 2023/24 zum Teufel wünschten. Er war vom SC Verl gekommen, sollte den in die dritte Liga abgestürzten, einst so stolzen Bundesligisten retten. Daraus wurde - erst einmal - nichts. Im Gegenteil: Nur knapp konnte er den fatalen Abstieg in die Regionalliga im vergangenen Jahr verhindern. Auch als die Arminia in diesem Februar noch auf Platz acht der 3. Liga stand, skandierten die Fans nach dem 1:2 gegen Rot-Weiß Essen: "Kniat raus".
"Die persönliche Kritik hat mich gestärkt, weil ich dadurch gelernt habe, dass sie mir nichts ausmacht. Mein Bruder auf der Tribüne hat sogar mehr darunter gelitten. Ich musste ihn trösten, nicht andersrum", sagt er nun der "Bild". Und dem "Kicker" erklärt er: "Es zeichnet einen guten Trainer aus, wenn er in solchen Phasen ruhig bleibt und Stärke ausstrahlt." Ein weiteres Geheimnis des Erfolges sieht er bei der sportlichen Führung um Michael Mutzel. "Bei 99 Prozent der Vereine hätte man mich wahrscheinlich schon ausgetauscht", so der 39-Jährige.
Muss der fünfte Bundesligist dran glauben?
Inzwischen zeigt sich: Der Klub hat alles richtig gemacht. "Kniat raus, Kniat raus", rufen die Fans immer noch, jetzt aber liebevoll und ironisch: Nämlich, als Kniat und sein Team den Aufstieg als Drittliga-Meister perfekt machten. Und der Trainer könnte ihnen sogar noch mehr schenken: den Pokalsieg - und damit verbunden die Qualifikation für die Europa League. Es klingt wie ein ganz wilder Traum.
Der VfB Stuttgart ist der haushohe Favorit, aber das hat die Arminia in der gesamten Pokal-Saison nicht aufgehalten. Schließlich haben sie im Halbfinale mit Vorjahressieger Bayer Leverkusen (2:1) bereits den vierten Gegner aus dem Oberhaus in Folge aus dem Wettbewerb geschossen. Zuvor hatten der 1. FC Union, der SC Freiburg sowie Werder Bremen als Verlierer vom Feld schleichen müssen.
Wenn er irgendetwas könne, erklärte Kniat im "Kölner Express", dann habe er den "Anreiz, da alles rauszuhauen und bis zur letzten Minute daran zu glauben" - ein Trainer müsse das vorleben "und diesen Virus auf die Mannschaft übertragen". Kniat ist ein Trainer mit Leidenschaft - und aus Leidenschaft. Er würde alles dafür tun, diesen Beruf ausüben zu dürfen, sagt er der "Bild". Und er hat bereits einiges dafür getan: "Deshalb habe ich in der Oberliga auf Minijob-Basis angefangen, um im Gegenzug dafür meine Trainer-Kurse bezahlt zu bekommen. Deswegen habe ich parallel so viele Tätigkeiten ausgeübt. Ich habe erst investiert, weil ich unbedingt als Fußballcoach arbeiten wollte. Auch heute noch würde ich bei Arminia für ein Gehalt von 0 Euro arbeiten, weil ich meinen Job so liebe und es wirklich meine große Leidenschaft ist."
Einfach genießen ist nicht so einfach
Sollte Arminia Bielefeld den Pokal gewinnen, wäre das der größte Erfolg in der 120-jährigen Klubhistorie. Es würde Kniat "alles, einfach alles" bedeuten. Als Profi hatte er es "nur" bis in die Regionalliga geschafft, ein so großes Spiel wie das im selbstverständlich ausverkauften Olympiastadion - allein der DFB hatte 1,66 Millionen Ticketanfragen, dazu kommen die Vereine - hat er noch nie absolviert. "Es wird mir oft geraten, ich solle Berlin doch einfach nur genießen. Das würde ich ja gerne auch", sagt Kniat der "Welt": "Aber das kann ich nur, wenn wir den Pott auch wirklich gewinnen."
Bielefeld wäre der erste Drittligist, dem das gelingen würde. Ein Drittligist, der dann in der kommenden Saison in der Europa League spielen würde. Arminia gegen Teams wie den FC Porto, Betis Sevilla oder den FC Bologna. Diese Millionen-Teams würden sich die Augen reiben, wenn sie auf der Alm zum Auswärtsspiel ankommen.
Doch vor dieser Sensation stehen mindestens 90 Minuten Spiel. Nach denen Kniat direkt wieder zum Feierbiest mutieren könnte. Den Aufstieg feierte er mit den Fans auf dem Zaun, trug eine verspiegelte Sonnenbrille mit der Aufschrift "Aufsteiger". Und er trank noch auf dem Rasen mit Mutzel ein Bier. Es könnte zurück in Bielefeld wieder heißen "Kniat raus". Aber raus auf den Balkon, raus auf die Bühne. Dahin eben raus, wo man als Triumph-Trainer gefeiert wird.
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