Heidenheim gegen Elversberg – 1886 Zuschauer und ein Traktor
In den vergangenen Jahren waren es Mannschaften mit großer Tradition aus großen Städten, die in der Relegation um den Verbleib in der Bundesliga und den Aufstieg in die höchste Fußball-Spielklasse des Landes kämpften. Ein Auszug: Fortuna Düsseldorf, der 1. FC Köln, der Hamburger SV, der VfB Stuttgart, Hertha BSC und Werder Bremen. Entsprechend groß war das Interesse an den Begegnungen, weit über die Fan-Szene der Klubs hinaus.
In dieser Saison sind es zwei vergleichsweise kleine Vereine aus kleineren Städten: Der 1. FC Heidenheim, Tabellen-16. der Bundesliga, tritt gegen den SV Elverberg an, den Dritten der zweiten Liga. Das Hinspiel in Heidenheim steigt am Donnerstag (20.30 Uhr, Sat.1 und Sky) statt, das Rückspiel in Elversberg am kommenden Montag (20.30 Uhr, Sat.1 und Sky). Heidenheim hat rund 50.000 Einwohner und etwa 12.000 Vereinsmitglieder, der Klub wächst. Elversberg nur rund 13.000 Einwohner und etwa 5500 Mitglieder.
Die Deutsche Bahn macht schon Scherze. „Unser Sonderzug für die Relegationsspiele zwischen Heidenheim und Elversberg“, schrieb das Unternehmen zu einem Foto, das einen einzigen Mini-Waggon inmitten der grünen Natur zeigte.
Spiesen-Elversberg im Saarland hat nicht einmal einen eigenen Bahnhof. Was schlägt der Fahrplan-Navigator der Deutschen Bahn also den Fans vor, wenn sie öffentlich zum Hinspiel nach Heidenheim reisen wollen? Mit dem Bus Nummer 310 nach St. Ingbert, von dort weiter mit dem Zug nach Mannheim, im ICE nach Ulm und schließlich in einem Regio weiter nach Mannheim. Mitunter sind vier, fünf oder sogar sechs Umstiege bis zur Ankunft nötig. Für eine Verbindung zum Bahnhof Friedrichsthal nahe dem Stadion mit nur zwei Umstiegen bis Heidenheim braucht man für die rund 340 Kilometer sechseinhalb Stunden.
Die Elversberger sind stolz auf ihr Fußball-Dorf. Die Gemeinde kann die kleinste Heimstätte der Bundesliga-Geschichte werden. Bislang ist das Unterhaching mit etwa 20.000 Einwohnern. Der Klub hofft auf die Sensation – von der vierten in die erste Liga innerhalb von gerade mal vier Jahren. Es wäre der erste Bundesliga-Aufstieg in der Vereinshistorie.
Bislang drei Bundesligaklubs aus dem Saarland
Der Klub wäre nach dem 1. FC Saarbrücken (Gründungsmitglieder der Bundesliga und mehrfacher Aufsteiger), Borussia Neunkirchen (1960er-Jahre) und dem FC Homburg (stieg 1986 auf) der vierte Verein aus dem Saarland, der in der Bundesliga spielt (diese wurde 1963 gegründet).
Das Saarland hat rund drei Millionen Einwohner. Zum Vergleich: Schleswig-Holstein (rund eine Million Einwohner) war seit der Gründung der Bundesliga erst einmal mit einem Klub vertreten – Holstein Kiel stieg gerade nach einer Saison im höchsten Klassement des Landes ab.
Heidenheim gegen Elversberg. Zuletzt trafen die beiden Mannschaften in einem Pflichtspiel in der Saison 2013/2014 aufeinander. Im Rückspiel, am 35. Spieltag der Dritten Liga, sicherten sich die Heidenheimer mit einem 1:1 beim SV frühzeitig den Aufstieg in die zweite Liga. Nach dem Erfolg ließen sich die Spieler in Aufstiegs-Shirts mit Bier in der Hand auf einem Traktor durch das weitestgehend leere Stadion fahren. Aus dem Kader der Heidenheimer ist mittlerweile kein Spieler mehr dabei.
Im Anschluss an die Partie strömten die Heidenheim-Fans auf den Rasen und feierten ihre Spieler. Die Tribünen waren leer, der Rasen in Heidenheimer Hand. Es wurde mit Sekt und Bier gespritzt, die Spieler heizten den Fans mit einem Megafon ein, die Stimmung war bestens.
Zum Hinspiel in Heidenheim im November 2013 (1:0 für Heidenheim) waren noch 7400 Zuschauer ins Stadion gekommen, im April 2014 beim Heidenheimer Aufstieg waren es gerade mal 1886 Zuschauer im Elversberger Waldstadion an der Kaiserlinde, das inzwischen Ursapharm-Arena an der Kaiserlinde heißt und 10.000 Zuschauer fasst. Rund tausend davon waren Medienangaben zufolge aus dem Raum Heidenheim angereist. Anpfiff war an einem Samstag um 14 Uhr. Ein großer Tag für den 1. FC Heidenheim – vor recht kleiner Kulisse.
Stürmer bei Elversberg war Felix Luz (früher unter anderem FC St. Pauli und FC Augsburg), für Heidenheim spielten unter anderem Michael Thurk (früher unter anderem 1. FSV Mainz 05 und Eintracht Frankfurt) sowie Marc Schnatterer.
„Süße Erinnerungen des FCH an diesen Gegner“
In Unterzahl traf Philip Heise in der 53. Spielminute zum Ausgleich für Heidenheim, nachdem Luz in der ersten Minute die Gastgeber in Führung gebracht hatte. Durch das Unentschieden hatte Heidenheim zehn Punkte Vorsprung auf den SV Darmstadt. Das Portal „Spox“ schrieb: „Aufstieg nach der engen Kiste.“
Die „Schwäbische“ titelt in dieser Woche: „Süße Erinnerungen des FCH an diesen Gegner.“ Und schreibt in dem Artikel: „Elversberg? Da war doch was. 2014 spielte Heidenheim beim SVE 1:1 und sicherte sich damit am 35. Spieltag den vorzeitigen Aufstieg in die Zweitklassigkeit.“ Elversberg hingegen steckte tief im Abstiegskampf und musste wenig später den Gang in die Viertklassigkeit antreten.
Heidenheims Vorstandschef Holger Sanwald sieht „durchaus Parallelen“ zwischen beiden Klubs und macht das vor allem an der geringen Personalfluktuation fest. „Ähnlich wie bei uns genießt Horst Steffen als Trainer dort seit Jahren großes Vertrauen“, sagte Sanwald über den Vergleich zu Heidenheims Coach Frank Schmidt, der seit 2007 im Amt ist. Steffen arbeitet in Elversberg seit 2018.
„Die SVE verfolgt, auch geprägt durch Sportvorstand Nils-Ole Book, ein ganz klares sportliches Konzept und setzt vor allem auf mannschaftliche Geschlossenheit. Mit Aufsichtsratschef Frank Holzer und Präsident Dominik Holzer an der Spitze ist es diesem Verein außerdem gelungen, eine große Euphorie bei den Menschen in der Region zu entfachen - wie das bei uns auch der Fall ist“, so Sanwald.
Robin Fellhauer: „Wir haben nichts zu verlieren“
Elversbergs Trainer Horst Steffen bleibt auch vor den Relegationsspielen nach eigenen Angaben völlig entspannt. „Das ist ein Beschluss, den ich vor einiger Zeit getroffen habe: Ich mache kein Drama mehr. Ich mache das Ganze nicht mehr mit“, sagte der 56-Jährige. Mit Begriffen wie „Druck“ im Zusammenhang mit seinem Job könne er nichts anfangen. „Für mich ist das ein Spiel und wir spielen es, so gut wir es können“, sagte Steffen.
„So richtig realisiert man das noch nicht“, sagte Kapitän Robin Fellhauer über die Chance, in die erste Liga aufzusteigen. Wie sein Trainer stellte auch der 27-Jährige fest: „Wir haben etwas zu gewinnen, aber wir haben nichts zu verlieren.“
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern, Themen aus der Bundesliga, die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen.
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