Als ein Niederländer nicht nur die "Muttis" des FC Bayern elektrisierte
Vor 15 Jahren blüht der FC Bayern auf - und das hat viel mit einem Niederländer zu tun. Spätestens als am Muttertag Louis van Gaal auf dem Meisterbalkon völlig aus sich herausging, hatte er die Herzen des Rekordmeisters gewonnen.
"Gott van Gaal" nannte ihn "Der Spiegel" in der Hochphase seines Schaffens beim FC Bayern München. Fast folgerichtig, dass in diesen glücklichen Tagen Manager Uli Hoeneß meinte: "Van Gaal erinnert mich an mich!" Da verwunderte es schon ein bisschen, dass damals die niederländische Fußball-Ikone Johan Cruyff verbal dazwischen grätschen musste und über Louis van Gaal meinte: "Er hat nicht die geringste Ahnung von Fußball."
Aber tatsächlich dachten am Anfang seiner Zeit in München genau das nicht wenige Fans und Offizielle der Bayern und in Fußball-Deutschland insgesamt. Im Herbst 2009 schien für einen langen Moment die Welt beim "Stern des Südens", dem ruhmreichen FC Bayern München, aus den Fugen geraten zu sein. Ein völlig indiskutabler siebter Platz in der Liga, enttäuschende Niederlagen gegen Bordeaux in der Champions League und ein holländischer Trainer, der sich in einem locker-jovialen Spruch scheinbar selbst übertraf, als er sagte: "Ich bin wie Gott. Ich werde nie krank, und ich habe immer recht."
Später wurde das Zitat von Louis van Gaal höchstpersönlich korrigiert. Selbstkritisch, bescheiden und voller Demut meinte der liebenswerte General, er habe lediglich gesagt, er würde in "Lederhosen aussehen wie ein Gott". Eine andere Modifikation lautete schließlich so: "Ich habe einen Körper wie ein Gott, aber nicht wie Mario Gomez."
"Ich bin ein Feierbiest!"
Wie dem auch sei, die Eingewöhnungszeit zwischen der Mannschaft und dem Trainer Louis van Gaal dauerte für alle Beteiligten gefühlt zu lange. Nur einer zeigte Verständnis. Bastian Schweinsteiger zog in dieser brenzligen Lage einen interessanten Vergleich: "Wenn man eine neue Freundin hat, klappt auch nicht immer gleich alles perfekt." Und er sollte Recht behalten. Plötzlich lief es bei den Bayern. Am Ende holte man im Mai 2010 sogar noch das Double. Ganz München machte Party - und einer ganz besonders. Louis van Gaal verkündete glücklich und stolz: "Ich bin ein Feierbiest!"
Und so ließ man es in München richtig krachen. Der Trainer präsentierte sich von seiner lustigen und entspannten Seite und Fans und Presse feierten das rot-weiße Fest mit. Louis van Gaal zeigte sich begeistert: "Ich finde es schön, wenn ich mit Rudi Carrell verglichen werde! Es ist das erste Mal, dass ich von den Medien so positiv bewertet werde. Das war in Holland und Spanien nicht so."
Seine Bayern-Meisterrede am Muttertag auf dem Rathaus-Balkon in München gilt heute als legendär: "Okay, zuerst. Ich habe gesehen, viele Frauen sind hier. So, auch, viele Mutti. Ein dicke Kuss von den Trainer von der Meister. Und, wer hat die beste Verteidigung? FC Bayern. FC Bayern. Wer hat die beste Angriff? FC Bayern. Und deswegen sind wir Meister. Und nicht nur von München, nicht nur von München, auch von Gel-sen-kir-chen, auch von Bremen und auch in Hamburg. Wir sind die Beste von Deutschland! Und, vielleicht, Europas, jaaaaaa!"
"... aber wir haben auch Weicheier"
Die Erwartungshaltung war nach den ausufernden Partys nun natürlich riesig. Auf der Jahreshauptversammlung richtete Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge ein persönliches Wort an den niederländischen Trainer: "Louis, du bist unser Feierbiest. Und als Feierbiest hat man die Verantwortung, dass auch im nächsten Jahr die Feiern gefeiert werden. Dementsprechend: Leg los!"
Doch all das, was in der Rückserie 2009/2010 plötzlich so locker leicht ausgeschaut hatte, ging nun daneben. Van Gaal bemühte sich um originelle Ausreden: "In der ersten Halbzeit war Nürnberg nicht Nürnberg. In der zweiten Halbzeit war Nürnberg Nürnberg." Wenn doch einmal wieder wie zuvor gewohnt etwas gelang, war auch Glück dabei: "Wir haben in dieser Saison nicht oft geduselt, aber heute schon." Der niederländische Trainer begann langsam die Schuld an der Entwicklung von sich wegzuschieben: "Ich hoffe, dass das Verlangen größer ist als die Müdigkeit, aber wir haben auch Weicheier."
Einige Akteure beim FC Bayern mussten erfahren, dass Trainer Louis van Gaal nicht immer ganz einfach im Umgang ist. Eine Anekdote, die das belegte, kursierte bereits nach dem Gewinn des Doubles rund um die Säbener Straße. Bei einer Partie soll der Niederländer fünf Minuten nach Spielbeginn Hermann Gerland angefaucht haben: "Hermann, Sie müssen sofort in Kabine!" Und als der Co-Trainer aufgeregt fragte, ob man etwas vergessen habe, antwortete van Gaal todernst: "Ja. Sie haben die falschen Socken an!"
"Ich kann einer Ikone nicht widersprechen"
Immer mehr Geschichten sickerten aus dem Inneren des Klubs nach draußen. Ein Spieler, der im Sommer gehen musste, erzählte einer großen Sportillustrierten, dass der Coach in der letzten Spielzeit vor versammelter Mannschaft untenherum blankgezogen habe. Luca Toni: "Der Trainer wollte uns klarmachen, dass er jeden Spieler auswechseln kann - egal, wie er heißt - weil er Eier hat. Um das zu demonstrieren, ließ er die Hosen runter. So etwas habe ich noch nie erlebt, das war total verrückt. Ich habe aber nicht viel gesehen, da ich nicht in der ersten Reihe saß!" Eine herrliche Anekdote. Wobei man erwähnen sollte, dass Toni und van Gaal bereits in der besagten Vorsaison hier und da aneinandergeraten waren. Die "Süddeutsche Zeitung" damals über den Italiener: "Er trainierte tagsüber ein wenig in München und verzichtete bis zum Redaktionsschluss auf erneute Kritik an van Gaal. Vorbildlich."
Doch man merkte, dass van Gaal langsam der Rückhalt im Klub ("Es hat bei uns keinen Sinn, dem Trainer reinzureden - dann macht er genau das Gegenteil", Uli Hoeneß) fehlte. Der Niederländer legte sich auch mit seinem Präsidenten an. Bei der Präsentation seines mehrere Kilo schweren Buchs "Biographie & Vision", reichte er am Ende auch Uli Hoeneß ein Exemplar. Nachdem er darauf hingewiesen hatte, wie viele entscheidende Dinge in seinem Werk stünden, sagte er gönnerhaft zu Hoeneß: "Für Sie ist das auch wichtig zu lesen!" Der Satz des Abends war jedoch ein anderer. Stolz verkündete van Gaal: "Es geschieht nicht häufig, dass jemand, der noch lebt, eine Autobiografie schreibt." Ein Satz, den man sacken lassen muss! Über Hoeneß sagte er später noch: "Er ist eine Ikone. Ich kann einer Ikone nicht widersprechen. Aber ob es die Wahrheit ist, ist etwas anderes."
Dass die Stimmung endgültig gekippt war, hätte der Niederländer sogar anhand der Inhalte im deutschen Fernsehen merken können. Stefan Raab griff die aktuelle Debatte rund um die Plagiatsaffäre um Karl-Theodor zu Guttenberg auf und meinte nach einer 1:3-Niederlage der Bayern gegen den BVB: "Man bekommt immer mehr den Eindruck, Louis van Gaal hat seine Trainerausbildung an der Uni Bayreuth absolviert."
"Truus, wir gehen hier aus München nicht mehr weg"
Richtig in die Wolle bekam sich der scheidende Trainer des FC Bayern schließlich mit Mehmet Scholl. Der ehemalige Nationalspieler meinte über van Gaal: "Wenn er Postbote wäre, würde er meinen Hund beißen oder gleich aufessen." Als Antwort auf Scholl bediente sich auch der Niederländer in der Tierwelt: "Sie wissen, dass Sie einem Papagei erst vorsprechen müssen. Sie sagen Lore, dann sagt er Lore. Wenn Sie dann sagen: Van Gaal ist ein Schwanz. Dann ruft er auch: Van Gaal ist ein Schwanz."
Erst vier Jahre später schlug Mehmet Scholl noch einmal verbal zurück. Nachdem die Niederlande mit Bondscoach Louis van Gaal im Halbfinale gegen Argentinien ausgeschieden waren, meinte der ARD-Fußball-Experte: "Ich glaube, da will ein Trainer das ganz große Taktik-Ding drehen. Van Gaal wollte zeigen, ich habe nicht nur den Fußball-Keks gegessen, sondern ich habe den allergrößten Fußball-Keks gegessen. Und dann kommt der Fußball-Gott oder die Argentinier und sagen: 'Nee, warte mal, bleib mal hier.'"
Vermutlich hat sich der Niederländer auch von dieser Kritik nichts anhaben lassen. Denn bereits 2001 antwortete er auf die Frage, was er denn noch von den Engländern lernen könne, mit dem schönen Satz: "Louis van Gaal hat ausgelernt." Und im Mai vor fünfzehn Jahren war von all diesen trüben Gedanken ohnehin noch nichts zu spüren. Damals meinte Louis van Gaals Frau nach den Feierlichkeiten am Muttertag noch selig: "Kurz bevor wir gegangen sind, sagte mein Louis zu mir: Truus, wir gehen hier aus München nicht mehr weg." Ein Jahr später verließen sie gemeinsam die Landeshauptstadt. Doch die Momente, als das "Feierbiest" ganz München elektrisierte, bleiben für immer unvergesslich.
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