Sie trennen sich. Zumindest räumlich. In den vergangenen Wochen lebten Niko und Robert Kovac gemeinsam im Hotel, doch diese Zeit neigt sich nun dem Ende entgegen. Der Dortmunder Cheftrainer und sein Bruder, der ihm als wichtigster Co-Trainer assistiert, haben beide in Dortmund eine Wohnung gefunden und werden diese in Kürze beziehen. Was unterstreicht: Ihre Zukunft liegt im Ruhrgebiet. Beim BVB.

Nachdem es nach dem Amtsantritt Anfang Februar in einigen Spielen noch mächtig ruckelte und die Frage aufkam, ob Kovac über diese Saison hinaus der richtige Trainer für die Borussia sei, ist diese nun beantwortet: Er ist es. Der Kroate ist längst in wichtige Entscheidungen eingebunden, etwa über Abläufe bei der Klub-WM in den USA (14. Juni bis 13. Juli). Dass die Mannschaft ihr Stammhotel in Miami beziehen wird und nach den Spielen – in der Gruppenphase in New York und Cincinnati – direkt ins Quartier zurückfliegen wird, war auch ein Wunsch von Kovac.

Durch den jüngsten 3:2-Sieg in Hoffenheim haben die Dortmunder sogar realistische Chancen, die Champions-League-Qualifikation zu erreichen. Der Rückstand auf Platz vier (SC Freiburg) beträgt lediglich drei Zähler. Doch es sind nicht nur die nackten Ergebnisse, mit denen Kovac bei den Bossen punktet.

Zufriedenheit in der Kabine

Unter Ex-Trainer Nuri Sahin kippte die Stimmung in der Mannschaft zunehmend. Ein Grund dafür: Sahin stellte die Spieler auf Positionen auf, die längst nicht zu ihren Paradedisziplinen zählten. Marcel Sabitzer etwa musste zeitweise auf dem Flügel in der Offensive spielen. Eine Entscheidung, die den Österreicher massiv störte. Kovac erfuhr von dieser Unzufriedenheit im Zuge seines Amtsantritts – und reagiert prompt.

Er verteilte in der Kabine Zettel, auf denen die taktische Formation auf dem Feld zu sehen war. Ohne Namen, lediglich die Positionen. Jeder Spieler sollte zwei davon einkreisen und mit den Ziffern eins und zwei versehen. Die Eins bedeutet: Lieblingsposition. Hier will ich spielen. Die Zwei: Hier kann ich zur Not auch spielen.

Emre Can zum Beispiel versah die Position in der Innenverteidigung mit der Eins, das defensive Mittelfeld mit der Zwei. Zu Beginn der Saison spielte der Kapitän fast durchgängig im Mittelfeld. Für Kovac ist das nun nur noch eine Notlösung wie zuletzt in Hoffenheim, weil Pascal Groß verletzungsbedingt ausfiel. Ansonsten ist Can in der Innenverteidigung gesetzt – und überzeugt dort seit Wochen.

Was in der Mannschaft ebenfalls sehr gut ankommt: Dass Kovac die Spieler bei Entscheidungen sehr stark mit einbezieht. Etwa bei Fragen, an welchem Tag und wie spät trainiert wird. Kovac spricht diese Themen vor allem mit Emre Can, den Vize-Kapitänen Nico Schlotterbeck und Julian Brandt sowie Pascal Groß ab.

Die Mannschaft geht für Kovac an die Schmerzgrenze

Das beste Beispiel: Torhüter Gregor Kobel. Der Schweizer war unter Sahin unzufrieden. Die Spielweise, die ihn als wichtiges Element beim Spielaufbau implizierte, missfiel ihm. Unter Kovac hat sich das gewandelt.

Kobel zog sich vor wenigen Wochen einen Bänderriss zu, der Knöchel schwoll stark an. Normalerweise zieht eine solche Verletzung einen Ausfall von einigen Spielen nach sich. Doch der Schlussmann ließ sich den Knöchel tapen und Schmerzmittel in das Sprunggelenk spritzen, um auflaufen zu können.

Auch Can hatte in den vergangenen Wochen immer wieder mit Adduktoren-Problemen zu kämpfen – und spielte dennoch. Für Kovac beißt die Mannschaft auf die Zähne.

Endlich bessere Fitness

Kovac soll vor allem erschrocken über die Trainings-Daten gewesen sein, die die Spieler in der Zeit vor seinem Amtsantritt aufwiesen. Einige Spieler sollen nur selten an ihre Leistungsgrenze gegangen sein, der körperliche Zustand der Mannschaft war dementsprechend schlecht.

Durch extra Cardio-Training hat Kovac in den vergangenen Monaten versucht, dagegenzuwirken. Zudem ließ er umgehend einen Laktat-Test durchführen, um das Training möglichst individuell durchführen zu können. Mit Erfolg: In den vergangenen vier Liga-Spielen lief der BVB stets mehr als 120 Kilometer. In der Hinrunde war das eher die Ausnahme. Bei der Niederlage in Augsburg am achten Spieltag kam die Borussia zum Beispiel auf gerade einmal 113 Kilometer.

Für Kovac steht jedoch auch fest: Die aktuelle Fitness ist noch längst nicht das Maximum, das er erreichen möchte. Die Sommervorbereitung will er nutzen, um die Spieler noch fitter zu machen.

Einstimmigkeit bei der Kader-Planung

Der BVB wird bei der Transfer-Politik im Sommer auf zwei Säulen setzen: Zum einen wollen vor allem die Bosse junge Top-Spieler verpflichten, die sich weiterentwickeln können. Eine Idee, mit der sich Kovac anfreunden kann. Der Trainer selbst durfte jedoch auch Spielerprofile bei den Verantwortlichen hinterlegen.

Sein Wunsch: Dass vor allem für die Defensive Spieler kommen, die als „Drecksäcke“ gelten. Die auf dem Platz kein Problem damit haben, die unangenehmen Aufgaben zu übernehmen und nicht zurückschrecken. Kovac soll solche Profis bekommen. Denn die Bosse setzen auf ihn.

Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.

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