Kurz vor Weihnachten gab es einen sportlichen Dämpfer. RB Leipzig hat am letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga im Jahr 2025 im Beisein von Jürgen Klopp die erste Heimniederlage hinnehmen müssen. Trotz Führung setzte es im letzten Heimspiel dieses Jahres ein 1:3 (1:2) gegen Bayer Leverkusen. Damit stürzten die Sachsen von Platz zwei der Tabelle auf Rang vier hinter den nun punktgleichen Rheinländern ab.

Auf der Tribüne saß mit Klopp auch Oliver Mintzlaff, Chef von Red Bull. Im großen Interview spricht er über die Veränderungen im Sport-Imperium des Energy-Drink-Konzerns und die Strategien im Fußball sowie der Formel 1.

Frage: Herr Mintzlaff, Sie waren beim Formel-1-Finale in Abu Dhabi. Ihr Red-Bull-Fahrer Max Verstappen hat den WM-Titel nach zwischenzeitlich 104 Punkten Rückstand um zwei Zähler verpasst. Wie haben Sie das letzte Rennen erlebt?

Oliver Mintzlaff: Das war eines der größten Comebacks der Sportgeschichte. Niemand hatte im Sommer daran geglaubt, dass wir noch einmal in den WM-Kampf eingreifen können. Dass uns das gelungen ist, ist fantastisch. Es zeigt einerseits, dass Max Verstappen der beste Fahrer der Welt ist, und andererseits auch, was möglich ist, wenn ein Team eng zusammensteht und sich auf das Wesentliche konzentriert.

Frage: Zwischenzeitlich gab es viele Themen, die wichtiger erschienen als die Rennen …

Mintzlaff: Es gilt für jede Sportart: Wenn man einen klaren Fokus setzt und keine Nebenkriegsschauplätze zulässt, kann man deutlich mehr herausholen. Das Team hat nicht aufgegeben, sondern die Entwicklung des Autos konsequent weiter vorangetrieben. Trotz des Risikos, wertvolle Entwicklungszeit für das Fahrzeug des kommenden Jahres zu opfern. Doch die Mentalität und der Teamzusammenhalt waren wieder so stark, dass jeder Einzelne alles für den Erfolg gegeben hat. Das hat viele Parallelen zu einigen anderen unserer Themen.

Frage: Auch zu RB Leipzig, wo es in der vergangenen Saison gar nicht lief und seit Sommer wieder die Ergebnisse stimmen?

Mintzlaff: Ja, durchaus. Wir hatten Spielzeiten, in denen wir wenig Ruhe im Klub und unsere Leitplanken verlassen hatten. Dann kannst du keinen Erfolg haben. Wenn das aber gegeben ist, kann man viel erreichen – mehr, als wenn du eine noch bessere Mannschaft, aber keine Konzentration auf das Wesentliche hast.

Frage: Wer hat Leipzig wieder auf Kurs gebracht?

Mintzlaff: Marcel Schäfer hat mit Unterstützung von Jürgen Klopp und Mario Gomez wieder die richtigen Leitplanken eingezogen und starke Transfers getätigt. Aber auch die ganze Geschäftsführung hat analysiert, dass wir uns wieder auf unsere DNA besinnen müssen. Das ist passiert, und dieser klare Fokus spiegelt sich auch im Kader wider. Daher wundert es mich nicht, dass wir einen guten Saisonstart hingelegt haben.

Frage: RB hatte sich im Sommer mit einigen Trainern beschäftigt. Sind Sie froh, dass es mit Kandidaten wie Oliver Glasner oder Cesc Fàbregas nicht geklappt hat, weil Ole Werner gut zu passen scheint?

Mintzlaff: So sehe ich das nicht. Marcel Schäfer und Jürgen Klopp haben mir als Aufsichtsratsvorsitzendem Ole Werner als die Lösung vorgestellt. Für uns ist nicht nur die Tabelle wichtig, sondern vor allem auch, dass wir den Red-Bull-Fußball sehen, wieder attraktiv und mitreißend spielen. Wir hatten Phasen, in denen unsere Spiele nicht ansehnlich waren. Ole Werner macht es mit seiner ruhigen, unaufgeregten Art sehr gut. Er entwickelt den Fußball dorthin, wo wir ihn sehen möchten, auch wenn wir sicher noch nicht am Ziel sind. Daher tut er dem Verein gut. Denn eines ist klar: Solch eine Saison wie die vergangene können wir uns nicht noch mal leisten.

Frage: In der Mannschaft drehen wieder Top-Talente wie Yan Diomande oder Assan Ouédraogo auf. Kann RB sie über den Sommer hinaus halten?

Mintzlaff: Wir wollen sicherstellen, dass wir Spieler nicht nur ein Jahr bei uns entwickeln, sondern dass wir Top-Talente auch länger halten können. Wir sehen uns nach wie vor als Top-Klub der Bundesliga. Und für junge Spieler wie Ouédraogo oder Diomande wäre es gut, die nächsten Schritte bei uns zu gehen und das hohe Niveau konstant abzurufen. Aber: Es wird auch in Zukunft so bleiben, dass wir immer mal wieder Spieler abgeben müssen. Wir müssen nach wie vor Ablösen generieren und haben Spieler im Kader, die für absolute Top-Klubs infrage kommen.

Frage: Aber es gibt eine wirtschaftliche Schmerzgrenze?

Mintzlaff: Grundsätzlich sollte man im Fußball nie etwas ausschließen. Wenn es ein unmoralisches Angebot weit über Marktwert gibt und wir überzeugt davon sind, dass das eine einmalige Chance auf eine hohe Einnahme ist, dann muss man sich ehrlich in die Augen schauen, das diskutieren und einen kühlen Kopf bewahren.

Frage: Wann endet die Ära von Timo Werner in Leipzig?

Mintzlaff: Seine Zeit bei uns ist in der Tat absehbar, und es tut mir auch ein bisschen weh. Timo Werner war ein herausragender Spieler unseres Klubs und hat unglaublich viele, wichtige Tore für uns erzielt. Wenn seine Ära bei uns endet, ist das traurig, aber es gehört nun einmal auch zum Sport dazu.

Frage: Im Januar ist Jürgen Klopp ein Jahr bei Red Bull. Welche Bilanz ziehen Sie?

Mintzlaff: Er hat einen großen Anteil am Aufschwung in Leipzig. Er hat dem Team sehr geholfen, die nächsten Schritte zu gehen, und eine überragende Balance gefunden, vor Ort zu unterstützen, den Klubs aber auch die Luft zum Atmen zu lassen. Viele hatten die Sorge, dass er bei uns alles überstrahlt. Aber die Wahrheit ist: Jeder nutzt den Austausch mit ihm, trifft seine Entscheidungen aber allein. Jürgen Klopp war für uns der Königstransfer ohne Ablöse.

Frage: Klopp hat viele Mitarbeiter engagiert, der Stab um ihn herum ist gewachsen. Ist der zu groß?

Mintzlaff: Ich sehe sein Team nicht als zu groß. Im Gegenteil, wir haben sogar noch Personal abgebaut.

Frage: Viele hatten erwartet, dass Klopp öffentlich präsenter ist. Dadurch fragen sich einige, was er eigentlich arbeitet.

Mintzlaff: Eines ist klar: Jürgen Klopp ist ein Workaholic. Er ist ständig erreichbar. Wenn man ihm um 23 Uhr schreibt, bekommt man eine Antwort. Wenn man um 5.58 Uhr morgens etwas möchte, meldet er sich um 6.02 Uhr. Er bringt sich jeden Tag voll ein und hat bei uns alle sehr schnell begeistert. Jürgen überredet niemanden, er überzeugt die Menschen. Er tut uns gut, weil er unkonventionell, geradeaus und ehrlich ist sowie die Dinge unverblümt anspricht. Die Kritik formuliert er aber so, dass die Leute nicht das Gefühl haben, dass sie zusammengefaltet werden, sondern dass es konstruktiv ist. Und das steht über allem.

Frage: Was macht er konkret?

Mintzlaff: Nur ein Beispiel: Wenn er mit jungen Spielern spricht, die wir gern verpflichten möchten, ist das ein Game-Changer. Jürgen Klopp ist immens glaubwürdig, wenn er darlegt, warum ein Wechsel nach Leipzig, New York oder unserem Klub in Brasilien der beste Schritt ist. Und vieles von seiner Arbeit sieht die Öffentlichkeit gar nicht.

Frage: Zum Beispiel?

Mintzlaff: Er tauscht sich regelmäßig mit den Trainern der Klubs aus. Da werden Entwicklungen und Fragestellungen besprochen – und immer als Hinweise eingeordnet. Die Entscheidungen treffen Ole Werner und Co. in den Klubs. Dabei sorgt Jürgen aber auch dafür, dass wir unserem Auftreten treu bleiben. „Intensity is our Idendity“ ist sein Slogan. So wollen wir auf dem Platz auftreten. Diese Spielweise bringt er mit einer klaren Stringenz und Überzeugung bei uns ein – und er entwickelt sie immer weiter.

Frage: Was passiert, wenn Liverpool Klopp zurückhaben möchte, Real Madrid ihn als neuen Trainer will oder die Nationalmannschaft im Sommer einen neuen Bundestrainer sucht?

Mintzlaff: Wenn der DFB bei Jürgen anklopft, würde ich Bernd Neuendorf (DFB-Präsident; d. Red.) fragen, warum er einen überragenden Bundestrainer nicht mehr möchte. Die Nationalmannschaft muss jeden Tag unfassbar glücklich über Julian Nagelsmann sein. Ich bin sicher, dass er gemeinsam mit Rudi Völler (DFB-Sportdirektor) die Voraussetzungen für eine erfolgreiche WM schafft. Alles andere ist kein Thema.

Frage: Für Sie oder Klopp?

Mintzlaff: Jürgen Klopp fühlt sich bei uns total wohl und hat hier schon extrem viel gelernt. Es gibt keine Ausstiegsklausel im Vertrag, und er hat sich eindeutig zu uns bekannt. Er hat nicht den Anspruch, nach etwas anderem zu suchen. Wenn etwas käme, müsste man sich damit aus­einandersetzen. Aber dafür gibt es überhaupt keine Anzeichen.

Frage: In Leipzig gibt es eine neue Chefin. Tatjana Haenni ist dort die erste Frau als CEO bei einem Bundesligisten. Freut Sie dieses Novum?

Mintzlaff: Das spielt für mich keine Rolle. Ich befähige gern Menschen, die die Qualitäten haben. Ich finde Frauenquoten schwierig, weil es immer und in erster Linie um die Leistung gehen sollte. Wir hatten einige Kandidatinnen und viele Kandidaten. Tatjana Haenni war die Einzige, die uns in den Gesprächen restlos überzeugt hat. Sie ist ein Teamplayer und wird gemeinsam mit Johann Plenge, Marcel Schäfer und Florian Hopp, die bislang wirklich einen hervorragenden Job gemacht haben, die nächsten Entwicklungsschritte des Klubs erfolgreich gestalten.

Frage: Was erwarten Sie von ihr?

Mintzlaff: Tatjana Haenni wird uns mit ihrer internationalen Erfahrung und ihrem großen Netzwerk helfen, aber sie wird bei uns keine neuen Fokus-Themen setzen. Sie war schweizerische Fußball-Nationalspielerin und in verschiedenen Führungspositionen im Frauen-Fußball tätig (zuletzt in der NWSL, der US-Profiliga). Wir werden uns daher in diesem Bereich schon deshalb verbessern, weil sie genau weiß, wie sie unsere Möglichkeiten optimal nutzen kann. Aber unser Hauptfokus bleibt die Männer-Bundesliga. Sie soll unsere Strukturen im eingeschlagenen Weg weiter professionalisieren.

Frage: Wie stark war Florian Scholz als neuer Head of Global Soccer Commercial in die Verpflichtung eingebunden?

Mintzlaff: Florian Scholz war schon immer ein sehr enger Kollege, dessen Meinung bei mir immer einen hohen Stellenwert hatte. Er hat RB Leipzig in seinen Bereichen maßgeblich weiterentwickelt. Ich bin sehr froh, dass ich ihn zurückholen konnte. Er hat jetzt die perfekte Rolle, ist sehr schnell angekommen und bildet eine perfekte Symbiose mit Jürgen Klopp, der für die sportlichen Themen verantwortlich ist.

Das Interview wurde für das Sportkompetenzcenter (BILD/WELT/Sport Bild) geführt und erschien zuerst in Sport Bild.

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