Ihr Gegner huldigte ihr und reckte einem Box-Ringrichter gleich ihren Arm in die Höhe. Nach Punkten hatte Beau Greaves auch gewonnen. 11:10 stand als Leg-Bilanz nach fünf Sätzen. Von denen hatte die Engländerin in ihrem Erstrundenmatch der Darts-Weltmeisterschaft gegen Daryl Gurney allerdings drei verloren und damit den von vielen erhofften Sprung in die nächste Runde verpasst.

Es wurde somit auch nichts mit der Thronfolge von Fallon Sherrock. Ihre Landsfrau hatte bei der WM 2020 als erste Frau einen Mann geschlagen und war nach Siegen über Ted Evetts (3:2) und Mensur Suljovic (3:1) als „Queen of the Palace“ erst in der dritten Runde mit 2:4 an Chris Dobey gescheitert. Greaves bleibt damit vorerst nur die Rolle der Kronprinzessin.

Dabei lag sie in allen relevanten Statistiken vorn: höherer Average (91,55 vs. 89,77 Punkte), eine um sieben Punkte bessere Doppelquote und fünf 180er mehr (7:2) „Sie hat Cochones“, erkannte der maximal erleichterte Nordire an.

Lediglich ihr Start verlief nervös. Beide hatten Probleme, die Triplefelder zu treffen. Gurney erarbeitete sich mit dem 3:2 einen ersten Vorsprung, während die 21-Jährige für ihre erste 180 siebeneinhalb Legs benötigte. Diese war allerdings direkt Grundlage für das Break. Sie checkte 128 Punkte über das Bullseye und zeigte plötzlich ihr gesamtes Können. Zum Anwurf des vierten Legs scorte sie 140 und die nächste 180, stellte mit in diesem Moment perfekten 156 auf 16 Punkte Rest: Die beste Dartspielerin der Welt checkte direkt im ersten Versuch zum Zehn-Darter: Ihr Satz-Average: 108,75 Punkte.

Sie kam nun in ihren Bereich, und die zweite Pause schien ihren Flow nicht gestoppt zu haben. Greaves kam mit vier perfekten Darts aus der Unterbrechung zurück und holte sich auch das vierte Leg in Folge. Anschließend konnte sie Gurneys Fehler beim Checkout nicht bestrafen, scheiterte zweimal an der Doppel-16 und kassierte das 1:1 und auch das 1:2, da das Scoring so plötzlich nachließ, wie es gekommen war.

Ihre vierte 180 kam da gerade recht, um den Satzverlust zu verhindern: Greaves checkte in 13 Darts zum Decider. Dort verpasste sie 102 Punkte auf Tops für das Highfinish. Gurney dagegen verwandelte seinen ersten Setdart auf der Doppel-16, führte nun mit 2:1-Sätzen. Die Unterschiede waren minimal, die Engländerin hate das größere Potenzial, Gurney aber das Timing.

Greaves breakte Gurney daraufhin in 14 Darts, als beide bei 16 Punkten Rest standen und legte in 18 Pfeilen mit dem letzten auf der Doppel-18 nach. Nervenstärke, die ihr eine 9:7-Führung nach Legs brachte. Der Satzausgleich gelang im Leg darauf. Erneut mit dem letzten Dart: Greaves blieb in Satz vier ohne Legverlust. Stark.

Und so ging es zunächst weiter. In 13 Darts holte sie sich die 1:0-Führung. Natürlich auf der Doppel-10, wo sie vier von fünf Versuchen traf. Gurney aber behielt die Nerven, checkte mit dem letzten Dart, als Greaves bei 41 Punkten Rest warte – und kreierte anschließend den auch seiner Meinung nach spielentscheidenden Moment: 144 Punkte zum Break. Wow!

Greaves hatte nach drei vergebenen Matchdarts von Gurney dann den Schocker auf der Hand, verfehlte die 148 Punkte aber knapp auf der Doppel-14. Der 39-Jährige verwandelte Matchdart Nummer fünf auf der Doppel-4.

„Sie wird nächstes Jahr wiederkommen und bis dahin Turniere auf der Tour gewinnen. Sie ist eine zukünftige Weltmeisterin und Major-Siegerin“, prognostizierte der glückliche Sieger seine Gegnerin: „Was für eine Dartspielerin.“

Greaves spielt auf der Frauentour seit Jahren mehr oder weniger nur gegen ihre eigenen Rekorde, dominiert die Konkurrenz nach Belieben und gewann dort 86 Matches sowie 13 Turniere in Serie.

Nach der WM wird sie dank einer erspielten Tourkarte auf die ProTour wechseln und dort als einzige Frau ausschließlich auf Männer treffen. Sie kennt das bereits von ihren Turniersiegen auf der zweitklassigen Challenge Tour und der Nachwuchsserie Development Tour. Die Erwartungen sind groß. Viele trauen ihr eine Zukunft in den Top16 der Welt zu. Bei der Junioren-WM im Oktober bezwang sie im Halbfinale zuletzt sogar Superstar Luke Littler und warf den 18-Jährigen mit 6:5 aus dem Turnier.

Auf Gurney wartet in Runde zwei als nächster Gegner Greaves Landsmann Callan Rydz. In der dritten Runde käme es zu einem Duell mit seinem Landsmann Josh Rock, mit dem er im Sommer den World Cup für Nordirland gewonnen hatte.

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Zuvor am Abend hatte William O‘Connor den bisher höchsten Average des Turniers gespielt. Der Ire bezwang Krzysztof Kciuk mit 3:0, erlaubte dem Polen nur vier Versuche auf den Doppeln und kam am Ende auf durchschnittlich 102,36 Punkte. „Ich bin sehr glücklich mit mir, meinem Spiel und dem ganzen Abend“, sagte der 39-Jährige, der nun auf Michael van Gerwen trifft und sich angesichts seiner brillanten Auftaktvorstellung eine Kampfansage gönnte: „Bringt ihn her. Ich bin für ihn bereit.“

Darts-WM 2026, Ergebnisse, 1. Runde

  • Kevin Doets (NED) – Matthew Dennant (ENG) 3:1 (2:3, 3:1, 3:2, 3:2)
  • Ryan Meikle (ENG) – Jesus Salate (Argentinien) 3:0 (3:0, 3:0, 3:1)
  • Mickey Mansell (NIR) – Leonard Gates (USA) 2:3 (2:3, 3:0, 1:3, 3:1, 0:3)
  • Josh Rock (NIR/11) – Gemma Hayter (ENG) 3:1 (3:1, 3:0, 1:3, 3:2)
  • William O'Connor (IRL) – Krzysztof Kciuk (POL) 3:0 (3:2, 3:0, 3:0)
  • Daryl Gurney (NIR/22) – Beau Greaves (ENG) 3:2 (3:2, 1:3, 3:2, 0:3, 3:1)
  • Nathan Aspinall (ENG/15) – Lourence Ilagan (PHI)
  • Keane Barry (IRL) – Tim Pusey (AUS)

Wenn Lutz Wöckener nicht gerade irgendeinen Sport im Selbstversuch ausprobiert, schreibt er über Darts und Sportpolitik, manchmal aber auch über Abseitiges wie Fußball.

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