Luke Humphries hatte das getan, was in seiner Macht steht. Um seine Position an der Spitze der Darts-Weltrangliste auch nach dem Grand Slam in Wolverhampton zu behalten, hätte der Engländer das Turnier gewinnen müssen, das stand schon zu Beginn des Finaltags am Sonntag fest. Gleichzeitig durfte sein großer Konkurrent Luke Littler das Finale nicht erreichen. Die Chance auf den Turniersieg hatte sich Humphries mit einem 16:13 in einem hochklassigen Halbfinale gegen Gerwyn Price bewahrt.

„Es könnte mein letzter Tag als Nummer eins sein, wer weiß“, sagte Humphries im Anschluss. Ihm gehörte fortan die Beobachter-Rolle, der Ball lag bei Littler. Ein Sieg gegen den Niederländer Danny Noppert und der 18-Jährige würde erstmals die Nummer eins seines Sports. In den Interviews vor dem Spiel hatte Littler genau diese Situation immer wieder angesprochen.

Dass Littler deshalb vielleicht auch etwas mehr Druck als sonst verspürte, zeigte sich zu Beginn seines Spiels. Er begann dünnhäutig. Als das Publikum sich selbst feierte, während Littler versuchte, 104 Punkte zu löschen, reagierte der Superstar mit einem Kopfschütteln, gestikulierte immer wieder in Richtung Publikum. Eine Aufnahme von sieben Punkten – jeder Hobbyspieler kann das Gefühl nachempfinden – quittierte Littler wenig später mit einer erhobenen Faust.

Noppert bekam von alldem nur wenig mit, blieb bei sich selbst und spielte gut bis sehr gut. Die Belohnung: Die ersten beiden von einer Werbepause unterbrochenen Sessions gingen jeweils an den Niederländer. Er führte 6:4, wenig später 8:6. Sollte Littler so kurz vor dem Ziel, der allerbeste zu sein, noch aufgehalten werden?

Die Antwort passt perfekt zum Weg des Luke Littler. Immer, wenn man denkt, ein Spiel entgleitet ihm, kommt irgendwo Großes daher. Diesmal wurde das Bull’s Eye, der rote Knopf in der Mitte der Scheibe, zu Littlers bestem Freund. Erst traf er das Feld zu einem 128er-Checkout zum 8:8, kurze Zeit später korrigierte er einen Pfeil, der ihm in die Eins rutschte, auf gleichem Weg zum 10:9.

Es war der Bruch im Spiel. Noppert erwischte seine schlechteste Phase, Littler hingegen gab kein Leg mehr ab. Wie schon am Tag zuvor im Viertelfinale gegen Josh Rock gewann er sieben Legs in Serie. Auf der Doppel 20 finalisierte er seinen großen Moment. 16:9. Finale. Die neue Nummer eins im Darts.

„Das Ziel ist erreicht“, sagt Littler

Littler nahm die vorläufige Krönung einer wundersamen Karriere mit einem fast schon zurückhaltenden Lächeln hin. „Ich bin noch nicht einmal zwei Jahre auf der Tour und schon die Nummer eins der Welt. Das Ziel ist erreicht“, sagte er auf der Bühne. In den knapp zwei Jahren, die Littler nun Profi ist, hat er den Sport komplett auf den Kopf gestellt. Sieben Major-Titel bis zu diesem Sonntagabend, im Januar jüngster Weltmeister aller Zeiten, jetzt logischerweise auch jüngster Weltranglistenerster aller Zeiten. Ein solches Talent in so jungem Alter hat die Darts-Welt noch nicht gesehen.

„Ich habe das ganze Jahr über gesagt, dass Luke Humphries der Beste der Welt ist. Jetzt bin ich der Beste der Welt“, sagte Littler. Humphries war zuvor knapp 23 Monate die Nummer eins. Im Finale kam es nun zum Duell der beiden. Für die Weltrangliste war es unbedeutend, selbst bei einem Sieg von Humphries wäre Littler ab Montag mit mehr Preisgeld geführt worden.

Littler aber war beim Grand Slam auch im Finale nicht zu stoppen. Auf der Bühne in Wolverhampton ist der 18-Jährige ohnehin bei seiner zweiten Teilnahme noch ohne Niederlage – und das änderte auch Humphries nicht. 16:11 siegte Littler, der sich erneut mit einer Serie gewonnener Legs kurz vor Ende der Partie entscheidend absetzte.

Für die Form vor der WM (11. Dezember bis 3. Januar) ist der Grand Slam ein wichtiger Gradmesser. In den letzten drei Jahren hatte der Sieger dieses Turniers auch ein paar Wochen im Alexandra Palace triumphiert.

Humphries hatte für die WM schon eine Kampfansage parat: „Bei der Weltmeisterschaft habe ich eine Chance, ihm die Postion wieder abzunehmen. Ich werde hart kämpfen, jetzt ist es Krieg.“

Grand Slam of Darts, Ergebnisse

Halbfinale

  • Gerwyn Price (WAL) – Luke Humphries (ENG) 13:16
  • Danny Noppert (NED) – Luke Littler (ENG) 9:16

Finale

Luke Humphries (ENG) – Luke Littler (ENG) 11:16

Luca Wiecek ist Sportredakteur für WELT. Für seinen Verein VfD Rakete Berlin hat er sicherlich mehr Sieben-Punkte-Aufnahmen geworfen als Luke Littler in seiner Karriere.

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