Die Pfiffe gegen Cucurella sind lächerlich und unsportlich
Nach gerade einmal 90 Sekunden war es wieder so weit. Ein Teil der Fans des FC Bayern pfiff in der Partie der Champions League gegen den FC Chelsea Mittwochabend (hier geht es zum Liveticker) den Verteidiger Marc Cucurella bei seiner ersten Ballberührung aus. Schon bei der Verkündung der Mannschaftsaufstellung im Münchner Stadion vor dem Auftakt des deutschen Fußball-Rekordmeisters in die neue Saison der Königsklasse hatte es Buhrufe und Pfiffe von den Tribünen gegeben.
Und täglich grüßt das Murmeltier. Die Reaktionen der Zuschauer sind so erwartbar wie unsportlich und lächerlich. Sie pfiffen fortan bei jeder weiteren Ballberührung des Spaniers.
Wann immer der spanische Nationalspieler in Deutschland auftritt, wird er ausgepfiffen. So war es im weiteren Verlauf der EM 2024 sowie im vergangenen Juni in Stuttgart bei Spaniens Sieg im Halbfinale der Nations League gegen Frankreich und beim Endspiel gegen Portugal in München. Und jetzt wieder. Der Grund: Cucurellas Handspiel im Viertelfinale der EM in Deutschland 2024 gegen den Gastgeber (2:1 für Spanien).
Deutschlands Spielgestalter Jamal Musiala hatte dem Abwehrspieler damals den Ball im Strafraum an die Hand geschossen. Doch nicht (nur) der englische Schiedsrichter Anthony Taylor wurde zum Buhmann der Deutschen (der europäische Fußball-Verband Uefa räumte im Nachhinein ein, dass der nicht gegebene Elfmeter eine Fehlentscheidung war), sondern Cucurella.
Deutschland war Spanien unterlegen. Toni Kroos hätte die Rote Karte sehen können. Doch darüber wurde kaum bis gar nicht gesprochen. Vergangenheit.
Die Pfiffe gegen Cucurella sind sinnlos. Cucurella selbst hat zu seinem Handspiel damals gesagt, er habe nichts Böses getan. Die Pfiffe seien Teil des Fußballs. Das mag sein. Sie sollten es aber nicht sein. Irgendwann ist auch mal gut.
Auch, wenn der Spanier sich nach dem Viertelfinale damals wenig empathisch zeigte und in öffentlichen Statements kleine Spitzen in Deutschland verteilte („Wenn die Schiedsrichter sagen, dass es kein Handspiel ist, dann sage ich, es ist kein Handspiel“). Heftiges war aber nicht dabei.
Deutschland ist nicht wegen Cucurella (viel zu) früh bei der EM ausgeschieden. Die Fans, die ihn immer noch auspfeifen, geben ein peinliches Bild ab. Erstaunlich, dass sie ihr Feindbild nicht längst selbst langweilt.
Rummenigge bringt es auf den Punkt
Karl-Heinz Rummenigge gewann mit Deutschland 1980 die EM. Der Aufsichtsrat des FC Bayern sagte kürzlich völlig zu Recht: „Wir sind im vergangenen Jahr nicht deshalb nicht Europameister geworden, weil dieses Handspiel des Spaniers Cucurella nicht geahndet wurde. Sondern weil Nationen wie Spanien, Frankreich, Portugal oder Kroatien – auch einige Teams aus Südamerika – uns derzeit sportlich voraus sind.“
Die deutschen Fans sollten das endlich einsehen. Emotionen gehören im Stadion dazu. Doch diese Pfiffe über ein Jahr und viele Spiele nach dem EM-Ausscheiden sind einfach unnötig. Sie sollten deshalb endlich aufhören.
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen. Gegen den FC Chelsea war er im Stadion der Bayern.
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