Auf Rad-WM liegt der Schatten von Krieg und Unterdrückung
Ruanda richtet ab Samstag als erster afrikanischer Staat die Rad-WM aus. Die Sicherheitslage in der Region ist dabei nur das eine, was die Weltmeisterschaften sehr umstritten macht. Mit der Ausrichtung verfolgt das Land ein viel größeres Ziel als nur das sportliche.
Der größte Held des afrikanischen Radsports ist völlig frei von Sorge. "Ich habe mit mehreren Freunden gesprochen. Sie meinen, dass alles fein und überhaupt kein Problem ist", sagte Biniam Girmay, Eritreer und 2024 bester Sprinter der Tour de France, vor seiner Reise zur umstrittenen Straßen-WM in Ruanda: "Ich denke wirklich nicht über Politik oder die Rolle des Sports in der Politik nach."
Für Girmay sind die ersten Weltmeisterschaften in Afrika ab Sonntag ein Traum und eine Riesenchance, für andere sind sie sehr wohl ein Problem: Im großen Nachbarland DR Kongo köchelt seit längerem ein kriegerischer Konflikt, an dem auch das kleine Ruanda inoffiziell teilnimmt. Anfang 2025 war die Sicherheitslage so fragil, dass der Ruanda-Tour die Absage drohte.
Auswärtiges Amt rät von nicht notwendigen Reisen ab
"Um ehrlich zu sein, habe ich vor ein paar Monaten auch die Nachrichten über den Krieg im Kongo verfolgt", sagt Girmay. Die Grenzstadt Goma, in der Gräueltaten Tausende Todesopfer zur Folge hatten, liegt 100 Kilometer Luftlinie von Ruandas Hauptstadt Kigali, dem WM-Zentrum, entfernt. Das Auswärtige Amt rät weiterhin von "nicht notwendigen Reisen in die Grenzregionen" ab. Mittlerweile müssen sich die WM-Starter zumindest nicht mehr akut bedroht fühlen, es herrscht relative Ruhe.
Die Sicherheitslage ist das eine, was die Weltmeisterschaften sehr umstritten macht. Zudem sehen viele Kritiker die Titelkämpfe mit Topstars wie Tadej Pogačar, Wout van Aert und eben Girmay als Teil klassischen Sportswashings an, mit dem das aufstrebende Land von Menschenrechtsverletzungen ablenken will.
Die WM passt da ins Bild. Gianni Infantino und die FIFA-Granden tagten bereits feudal in Ruanda. Der FC Bayern rührte wie schon der FC Arsenal und Paris Saint-Germain gut bezahlt die Werbetrommel für das Land, ehe er nach näherer Prüfung das Engagement unlängst "in eine ausschließliche Zusammenarbeit über Nachwuchsförderung umgewandelt" hat.
Ruanda will die große Sportbühne erobern
Und auch die Formel 1 flirtet mit Afrikas neuem Sportwunderland. Der Königsklasse will Staatspräsident Paul Kagame gar eine frische Strecke bauen, was Formel-1-Boss Stefano Domenicali begeistert. "Wir wollen unbedingt nach Afrika", sagte der Italiener, nötiges Investment von dort vorausgesetzt. Das bietet Ruanda. Der kleine Staat am Kiwusee will mit aller Macht zum großen Player nach arabischem Vorbild aufsteigen.
Ruandas märchenhafter Weg vom Horror- zum Vorzeigestaat ist jedoch holprig geworden. In der früheren deutschen Kolonie fand 1994 einer der fürchterlichsten Völkermorde statt. Mitglieder der Hutu-Mehrheit töteten rund 800.000 Menschen der Tutsi-Minderheit. Tutsi-Rebellen der RPF setzten sich letztlich gewaltsam durch, seit 2000 regiert der frühere RPF-Kämpfer Kagame.
Der Radhelm als Schleier?
Unter dem Autokraten erlebte das Land einen Wirtschaftsaufschwung – von dem aber nur eine kleine Elite profitierte, während viele Menschen bitterarm blieben. Die politische Opposition wird brutal unterdrückt. Weltweit soll Ruanda nach Kagames Plan als Fortschritts-Nation bekannt werden - nicht als dunkles Herz Afrikas.
Dafür brachte sich Ruanda zunächst im Weltfußball ein. Für viele Millionen Dollar Werbekosten und auf den ersten Blick geringen Ertrag: Nur rund 2000 deutsche Touristen zog es zuletzt jährlich zu Ruandas Gorillas. Das Sportsponsoring, sagte die Oppositionelle Carine Kanimba im ARD-Podcast "Sport Inside", "ist vielmehr der Versuch, Gewalttaten zu verschleiern". Nun dient als Schleier eben ein Radhelm.
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