Ehre, wem Ehre gebührt: Boris Becker hat gerade den Legenden-Preis beim SPORT BILD-Award 2025 erhalten. Im Interview spricht das deutsche Tennisidol über eigene Vorbilder, seine Zeit im Gefängnis und eine mögliche Rückkehr aus Italien in seine Heimat.

Frage: Herr Becker, was bedeutet die Auszeichnung mit dem „Legenden-Award“ für Sie?

Boris Becker: Ich bin dankbar für die Trophäe, weil ich ja nicht mehr so viele habe (lacht). Besonders die Laudatio von Jürgen Klopp hat mich emotional gepackt. Das hätte ich so nicht erwartet. Wäre ich Fußballer geworden, hätte ich gerne für ihn gespielt. Wenn er das zu mir vor einem Finale gesagt hätte, ich wäre nicht zu bremsen gewesen. Jürgen und ich sind Seelenverwandte. Wir spielen Serve & Volley oder Gegenpressing, wir hassen Unentschieden. Jürgen war einer der wenigen, die mich im Gefängnis besuchen wollten. Doch das ging nicht. Weil alle ein Autogramm von Jürgen hätten haben wollen und das Gefängnis nicht genügend Sicherheitsleute hatte. Wir haben dann telefoniert.

Frage: Wenn man so eine Auszeichnung bekommt, reflektiert man dann noch mal, was in der Vergangenheit alles passiert ist?

Becker: Sicher. Ich habe damals einen Tennisboom ausgelöst, viele Millionen saßen vor 30, 40 Jahren vor dem Fernseher und haben mir die Daumen gedrückt. Wimbledon mit 17 Jahren zu gewinnen ist etwas ganz Besonderes, es hat mir aber auch mein Leben erschwert. Später und auch heute noch hat Deutschland sich leider lange schwergetan, meine Erfolge als Spieler und auch als Trainer zu respektieren. Ich kann dazu nur sagen: Kein Mensch macht immer nur das Richtige. Das vergessen viele, die mich sehr hart beurteilt haben. Aber okay, ich bin Sportler, ich kann mit Niederlagen umgehen, und ich weiß, dass ich im Leben einige Narben davongetragen habe. Ich habe meine Lehren daraus gezogen und komme damit gut zurecht.

Frage: Können Sie sich vorstellen, noch mal in Deutschland zu leben?

Becker: Ich glaube, das wird nicht mehr passieren. Dazu bin ich zu bekannt. Ich habe oft das Gefühl, dass ich hier das Eigentum des Landes bin – und das ist eben falsch. Ich gehöre mir selbst. Zu Besuch komme ich gerne jederzeit. Aber privat fühlen meine Frau und ich uns in Italien sehr wohl.

Frage: Wie sind Ihre Pläne?

Becker: Erst mal freue ich mich, dass ich so viel Zuspruch in den letzten Jahren für meine Tennis-Kommentare und Analysen in Deutsch und Englisch bekommen habe. Da sehe ich meine Zukunft.

Frage: Werden Sie noch mal einen Spieler als Trainer betreuen?

Becker: Ich glaube, die Zeiten sind vorbei, dafür bin ich auch langsam ein bisschen zu alt. Aber Tennis wird immer meine große Leidenschaft bleiben. Und ich kenne mich noch einigermaßen gut aus.

Frage: Was würde der Tennis-Reporter Becker den 17-jährigen ­Boris fragen?

Becker: Also, den 17-jährigen und auch den 25-jährigen Tennisspieler Becker, den muss man nicht kritisieren oder hinterfragen. Der hat schon vieles richtig gemacht.

Frage: War es ein Fehler, sich damals von Ion Tiriac zu trennen?

Becker: Ich habe auch danach noch Grand-Slam-Turniere gewonnen. Für mich war es wichtig, einen eigenen Weg zu finden. Ich habe von ihm profitiert, aber er auch von mir. Das wird häufig vergessen. Wir sind immer noch eng befreundet, und ich würde Ion Tiriac immer als Familienmitglied bezeichnen. Er ist ein toller Mann.

Frage: Für wen hat der junge Boris Becker geschwärmt?

Becker: Mein erstes Idol war Muhammad Ali, mein zweites Michael Jordan, mein drittes Mike Tyson. Auch Bernhard Langer hat mich begeistert. Außerdem bin ich ja ein großer Fußball-Fan und habe Franz Beckenbauer und Gerd Müller zugejubelt und weiß noch, wo ich 1974 beim WM-Sieg war, nämlich in Leimen. Wo ich beim WM-Sieg 1990 war, weiß ich auch: allein in meinem Haus in Wimbledon. Eigentlich wollte ich nach dem Finale nach Rom fliegen. Die Maschine stand bereit. Doch dann habe ich gegen Stefan Edberg in fünf Sätzen verloren. Und wo ich 2014 war, erinnere ich ebenfalls: in Berlin im „Borchardt“. Auch die Weltmeister von 2014 – das sind alles Idole.

Frage: Wenn man über die größten deutschen Sportler spricht, dann fallen neben Franz Beckenbauer immer die Namen Boris Becker und Michael Schumacher. Wer ist größer?

Becker: Ich würde Schumi wählen. Weil es unglaublich war, wie er aus Kerpen, ohne das große Geld im Rücken, sieben WM-Titel gewonnen hat.

Frage: Zurück zum Tennis: Alexander Zverev hat zuletzt von mentalen Problemen gesprochen und sich Hilfe geholt. Gab es in Ihrer Karriere auch mal solche Gedanken?

Becker: Ich selber habe keinen Psychologen gebraucht, aber ich kritisiere keinen, der Hilfe benötigt. Ich finde es weder verwerflich, noch ist es ein Zeichen der Schwäche. Alexander spielt seitdem besser, und ich bin überzeugt, dass er noch ein Grand-Slam-Turnier gewinnen wird. Er ist der drittbeste Spieler der Welt, und das ist eine ganze Menge.

Frage: Sinner oder Alcaraz – wer wird am Ende der Karriere mehr ­Titel haben?

Becker: Klar ist: Beide sind besser als der Rest. Die letzten acht Grand-Slam-Turniere wurden entweder von Alcaraz oder Sinner gewonnen. Alcaraz ist der Genialere, Sinner der Konstantere. Es ist auch eine Frage, wer motiviert bleibt. Das hat mich auch bei Novak Djokovic fasziniert. Nach dem fünften Wimbledonsieg weißt du ja, dass du es kannst. Dann noch die Motivation für den nächsten Titel zu haben, ist die große Kunst.

Frage: Djokovic jagt seit Langem seinem 25. Grand-Slam-Titel hinterher. Zuletzt war er häufig verletzt. Sollte er aufhören?

Becker: Nein, auf keinen Fall. Er tut dem Tennis gut. Sinner, Alcaraz und auch Zverev brauchen ihn. Ich hoffe, dass Novak noch lange weiterspielt.

Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) geführt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.

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