"Skandalöser" McLaren-Funkspruch sorgt für Diskussionen
McLarens Boxencrew braucht für den Reifenwechsel von Lando Norris länger als geplant, Teamkollege Oscar Piastri zieht deshalb vorbei. Und muss dann auf Anweisung von oben den Platz wieder hergeben. Nicht nur Formel-1-Weltmeister Max Verstappen wundert sich darüber.
Max Verstappen lachte noch in seinem Red Bull über die neuerliche Teamorder-Affäre beim großen Rivalen McLaren. Wie er anstelle des WM-Führenden Oscar Piastri auf eine Anweisung zum Platztausch reagiert hätte, stellte der Formel-1-Weltmeister wenig später klar: "Dann hätte ich das nicht gemacht." Der Reporter musste die Frage zum umstrittenen Stallbefehl nicht mal zu Ende stellen.
Sollte Nutznießer Lando Norris dieses Jahr doch noch seinen ersten Weltmeistertitel holen, müsse er "einen Scheck mit vielen Nullen" an seinen McLaren-Teamchef Andrea Stella schicken, schrieb die britische "Daily Mail" nach der erstaunlichen Begünstigung beim Italien-Rennen in Monza.
Was war passiert? Piastri lag auf Rang drei hinter Verstappen und Norris, als er zum Reifenwechsel in die Box gerufen wurde. Schon da machten sich Sorgen beim WM-Zweiten Norris breit, weil eigentlich in solchen Szenarien der besser platzierte Teamkollege zuerst reingeholt wird. Denn mit einem früheren Reifenwechsel kann ein Verfolger sich auf frischen und somit schnelleren Reifen oft einen Vorsprung herausfahren, der reicht, um vorn zu bleiben, wenn der Konkurrent eine Runde später zurück auf die Strecke kommt.
Der Kommandostand beruhigte Norris: "Das wird nicht passieren." Aber wegen eines verkorksten Stopps reihte sich Norris doch hinter Piastri ein. Und dann kam die Aufforderung von der Box an den Australier, Norris vorbeizulassen. Allen anschließenden Fairness-Beteuerungen und vorherigen Absprachen zum Trotz reagierte Piastri im Wagen noch mit deutlichem Unverständnis: "Wir haben doch gesagt, dass ein langsamer Boxenstopp zum Racing gehört. Ich verstehe nicht wirklich, was sich jetzt verändert hat."
Norris und Piastri demonstrieren Einigkeit
Aber er gehorchte und ließ Norris vorbei, der somit den Rückstand im Klassement vor den letzten acht Grand Prix auf 31 Punkte auf Piastri verringerte. "Wir sind keine Idioten", betonte der 25 Jahre alte Brite. Credo des Rennstalls ist, dass Piastri und Norris die Jagd auf den WM-Titel allein auf der Strecke im Kampf Mann gegen Mann - oder besser Auto gegen Auto - austragen. "Man kann einen langsamen Stopp haben, du kannst selbst einen Fehler haben, der Motor kann hochgehen oder es gibt einen anderen Defekt - das ist Racing", schilderte dagegen Verstappen seine Sicht.
Norris argumentierte anders: "Wenn ich mit Vollgas in die Box gebrettert wäre und meine Mechaniker umgenietet hätte, dann erwarte ich nicht, dass ich den Platz wiederbekomme. Aber das heute hatte ich nicht in der Hand." Auch Piastri sprach hinterher von einer "fairen Entscheidung", nachdem er im Auto noch etwas skeptisch gewesen war: "Ich habe am Funk gesagt, was ich gesagt habe, aber wenn die zweite Bitte kommt, dann stelle ich mich nicht gegen das Team."
Als "intern sauschwierig" bezeichnete Ex-Weltmeister Nico Rosberg bei Sky die Situation. Während seiner Jahre mit Lewis Hamilton bei Mercedes sammelte er reichlich Erfahrungen, was ein Stallduell um den WM-Titel bedeutet - und wie es ausarten kann. Der Schweizer "Blick" stempelte das Geschehen in der finalen Phase des unterhaltsamen Rennens in Monza kurzum als "skandalöse McLaren-Teamorder im WM-Zweikampf" ab.
Fakt ist, dass die beiden McLaren-Rivalen trotz der triumphalen Siegrückkehr von Titelverteidiger und Vierfach-Weltmeister Verstappen immer noch einen beruhigenden Vorsprung auf den 27 Jahre alten Niederländer haben. Auf Piastri fehlen dem Red-Bull-Superstar 94 Punkte, auf Norris 63, und schon seit Monaten ist klar, dass die McLaren die Weltmeisterschaft unter sich ausmachen.
Teamchef Andrea Stella rechtfertigt Eingriff
Wie sie diesen internen Kampf gestalten, wird nach Monza allerdings noch mehr unter Beobachtung stehen als ohnehin schon. In Kanada waren sie bereits kollidiert, eine Wiederholung scheint nicht ausgeschlossen - gerade, wenn der Abstand zwischen Piastri und Norris an den verbleibenden acht Rennwochenenden schrumpfen sollte. Denn Verstappens bereits erwähnte "Das ist Racing"-Aufzählung macht das Problem deutlich: Bei welchen Nachteilen greift der Kommandostand in den Rennverlauf und welche lässt er laufen?
Teamchef Andrea Stella war im Ziel sehr darum bemüht, die außergewöhnlichen Umstände dieser Anordnung herauszustellen: "Es war fair, zu der Situation vor dem Boxenstopp zurückzukehren, da wir nicht die Absicht hatten, die Positionen zu tauschen." Piastri wurde allem Anschein nach vor allem deshalb zuerst reingeholt, um sich gegen seinen nahenden Verfolger Charles Leclerc zu behaupten, der sonst womöglich hätte vorbeiziehen oder zumindest attackieren können.
Das immerhin gelang, spielte allerdings aufgrund der Kontroverse quasi keine Rolle mehr. "Wir haben zwei großartige Fahrer, die in der Lage sind, um die Meisterschaft zu fahren", sagte Stella, und betonte zudem: "Wir fahren bei McLaren nach der Art und Weise, wie wir es als faire Sportmänner für richtig halten."
Seine beiden Fahrer bejahten sogar die Frage, ob sie auch im Saisonfinale einer solchen Anordnung zugunsten des jeweils anderen Folge leisten würden. "Wir machen, was wir als Team für richtig halten, egal was ihr glaubt oder was eure Meinung ist", so Norris, während Piastri auf den McLaren-Zusammenhalt als Ganzes abhob. "Es gilt, viele Leute und eine Kultur zu schützen, da geht es nicht nur um Lando und mich", sagte der Australier: "Das schließt die Leute mit ein, welche die Stopps machen." Was insofern geglückt war, dass über deren Unzulänglichkeiten, die das ganze Problem erst ausgelöst hatten, eigentlich niemand mehr sprach.
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