In der Aufarbeitung des deutschen Debakels gelingt der ARD ein Meisterstück
Julian Nagelsmann suchte verzweifelt nach der Emotionalität in seinen Reihen. Die Slowakei sei in dieser Rubrik „meilenweit überlegen“ gewesen, sagte der Bundestrainer am ARD-Pult nach der historischen Schmach zum Auftakt der WM-Qualifikation: „Ich kann das mit der Qualität nicht mehr hören. Wir müssen erst mal emotional werden, wir müssen in jedem Spiel alles reinwerfen.“
Vielleicht sollte Nagelsmann auf der Suche nach einer Lösung für das Emotions-Problem bei Bastian Schweinsteiger anfragen. Der ARD-Experte machte am Mikro vor, was die deutschen Spieler so schmerzlich vermissen ließen. Er war der emotionalste Deutsche an diesem Abend in Bratislava. Schon in der Halbzeit zerpflückte der 121-fache Nationalspieler die DFB-Elf. Die Führung der Slowakei sei „überfällig“ gewesen. Er erkannte „keine Vision, keine Kreativität“ beim deutschen Team. Und weiter: „Wir brauchen viel zu lange, bis wir Lösungen sehen.“
Schweinsteiger sprach aus, was sich jeder, der es am Donnerstag mit Schwarz-Rot-Gold hielt, schon zu diesem Zeitpunkt vor dem Fernseher dachte. Nach dem Spiel und der zweiten indiskutablen Halbzeit legte der ehemalige Spieler des FC Bayern feurig nach. „Es tut mir leid. Aber in keiner Minute des Spiels habe ich geglaubt, dass wir das Spiel gewinnen. Da ist nichts gekommen“, sagte Schweinsteiger. Deutschland habe seine DNA verloren. Er eröffnete schlussendlich sogar Zweifel an einer erfolgreichen WM-Qualifikation.
Dass er dafür sowohl von Julian Nagelsmann als auch später von Joshua Kimmich recht bekam, ist die größte Bestätigung seiner Arbeit – und eine schlimme Diagnose für die deutsche Nationalmannschaft.
Man hätte Schweinsteiger an diesem Abend geglaubt, dass er es geschafft hätte, neues Leben in die DFB-Elf zu hauchen, wenn man ihn zu einer Motivationsrede in die Kabine gelassen hätte. Verschwunden der Schweinsteiger der vergangenen Jahre, der sich gerne hinter Wischiwaschi-Analysen und Solala-Kommentaren versteckte. In jedem seiner Sätze klang durch, wie sehr ihn der leblose Auftritt der Deutschen frustrierte.
Es war aber nicht nur Schweinsteiger, der glänzte. Der ARD gelang als komplettes Team – neben Schweinsteiger waren auch noch Moderatorin Esther Sedlaczek, Field-Reporterin Lea Wagner und Kommentator Philipp Sohmer im Einsatz – ein Meisterstück.
Sohmers perfektes Länderspiel-Debüt
Sohmer feierte sein Debüt bei einem DFB-Länderspiel am Mikrofon. Er hätte es nicht besser machen können. Sohmer widerstand dem typischen Reflex, den Auftritt eines deutschen Teams grundsätzlich schönzureden – auch wenn er noch so kritikwürdig ist. Noch bei der Frauen-EM im Sommer mussten die Zuschauer der Öffentlich-Rechtlichen das Gegenteil erleben. Damals wurde selbst die schlechteste Halbzeit im Gruppenspiel gegen Schweden (1:3 zur Pause) hoch gequatscht, sich auf einige wenige gute Minuten der DFB-Frauen beschränkt. Es schien damals, als müsse die Mannschaft mit Samthandschuhen angefasst werden.
Auch in der Slowakei gab es gute Minuten des deutschen Teams, es waren vielleicht fünf nach der Pause. Sohmer ließ sich davon aber nicht blenden, legte den Finger stattdessen tief in die Wunde. „Glauben die Deutschen noch dran? Ich sehe es nicht“, analysierte der ARD-Mann in Minute 86 treffend das fehlende Aufbäumen. Mit Abpfiff sprach Sohmer von einem „Totalschaden von Bratislava“. Er traf genau die richtige Dimension.
Einen derart perfekt zur sportlichen Situation passenden TV-Abend hatte die ARD wohl zuletzt nach dem frühen WM-Aus in Katar geliefert. Auch 2022 schon entscheidend beteiligt: Esther Sedlaczek. Damals grillte sie im Alleingang Oliver Bierhoff, den damaligen Geschäftsführer der Nationalmannschaft. Schweinsteiger blieb weitestgehend still. Diesmal waren die Rollen anders verteilt. Sedlaczek musste Schweinsteiger bei ihrem ersten Auftritt nach Babypause nur die Stöckchen zuwerfen. Der Experte sammelte sie bravourös auf.
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