Dass die besten Fußballprofis auf der Insel spielen, ist nicht neu. England ist nicht nur das Mutterland des Fußballs, sondern auch Vater der totalen Kommerzialisierung. Das Geld gibt den Klubs jede Menge Gestaltungsmöglichkeiten und maximale Freiheit: Money, der Libero.

Auch woher die Mittel kommen, ist kein Geheimnis. Ein in Relation zu anderen Top-Ligen fürstlich ausstaffierter TV-Vertrag in Verbindung mit einem kaum noch aufholbaren Vorsprung in der Auslandsvermarktung lassen zuverlässig die Kassen klingen. Zusätzlich fließt reichlich Investorenkapital aus Asien, Amerika und Nahost in die Ligen.

Eine Komposition, die in diesem Sommer wilde Blüten getrieben und schier unglaubliche Zahlen bewirkt hat. Die absurdeste: Umgerechnet rund 3,6 Milliarden Euro gaben die Engländer für neue Spieler aus. Allein in den vergangenen Wochen! Das ist selbst für britische Verhältnisse super-extraordinary und entspricht einer Verdreifachung der Investitionen in den vergangenen vier Jahren.

Die Bundesligaklubs könnten das lapidar mit Asterix kommentieren und sich an die Stirn tippen, wenn nicht jeder Finger gerade dringend zum Kratzen am Kopf gebraucht würde. Die Funktionäre haben nämlich ein Problem: Sie grübeln über einer Lösung, um der Ohnmacht zu entkommen, die sich im deutschen Fußball eingestellt hat.

„Wenn England im Spiel ist, hast du als Klub fast keine andere Chance, als den Spieler gehen zu lassen“, bekennt Simon Rolfes. Leverkusens Geschäftsführer Sport musste mitansehen, wie ihm in wenigen Wochen sein ganzes Hab und Gut abgenommen wurde: erst Florian Wirtz und Jeremie Frimpong vom FC Liverpool, dann Granit Xhaka (AFC Sunderland), Amine Adli (Bournemouth) und zuletzt auch noch Piero Hincapié (FC Arsenal). Mehr als 200 Millionen Euro hat er dafür in die Hand gedrückt bekommen, doch Geld schießt – und vor allem verhindert – keine Tore, wie sich den Leverkusenern an den ersten beiden Bundesligaspieltagen zeigte.

Es sind gleich zwei Dinge, die sich in diesem Sommer verändert haben. Zum einen sind es nicht mehr nur die beiden Klubs aus Manchester, Chelsea, Liverpool und Arsenal, die in der Bundesliga Jagd auf die Topspieler machen. Die Bundesligaspitze, Borussia Dortmund, Leipzig und Leverkusen, wurde abgehängt und spielt auf dem Transfermarkt längst in einer Liga mit Crystal Palace, Brentford und Brighton. Selbst der FC Bayern hat an Power verloren. Wunschspieler Wirtz landete in Liverpool, Kandidat Woltemade in Newcastle. Am Ende war den Münchnern nur noch ein Leihgeschäft möglich. Das legendäre Festgeldkonto – plötzlich entwertet.

Die zweite Veränderung ist die Maßlosigkeit, mit der die Premier League neuerdings vorgeht. Die Cherry-Picker sind zu Allesfressern mutiert. Waren es sonst immer nur die Top-Stars, die sich während der Sommerferien ins Ausland nach Mailand, Marseille oder London verabschiedeten, holen die Engländer alles, was einigermaßen kicken kann. Früher war Rudi, heute ist Völlerei.

37 Spieler wechselten auf die Insel

Es wird gekauft, ausgetauscht, geparkt und weiterverliehen, als sei gerade das letzte Transferfenster der Geschichte vor der Schließung. Die Premier League fällt über die Bundesliga her wie Cluburlauber über das All-you-can-eat-Buffet. Ob hungrig oder nicht – haben ist besser als brauchen.

Wer hierzulande durch eine gute Halbserie auffällt, steht bereits mit einem Bein auf der Insel. Nick Woltemade ist ein Sympathieträger, der ein tolles erstes Halbjahr 2025 gespielt hat. Beim VfB Stuttgart und in der U21-Nationalmannschaft wohlgemerkt. Der 23-Jährige hätte in den kommenden Jahren eine tragende Rolle in der Bundesliga spielen können. Vielleicht – vielleicht aber auch nicht. Noch vor zwölf Monaten war der Junge Einwechselspieler beim VfB. Nun holte ihn Newcastle für mindestens 85 Millionen Euro. Sphären, die bis vor wenigen Jahren noch Kalibern wie Cristiano Ronaldo, Paul Pogba oder Jude Bellingham vorbehalten waren.

In diesem Sommer wechselten insgesamt 37 (!) Spieler von Deutschland auf die Insel: Neben den fünf Leverkusenern und Woltemade noch Merlin Röhl, Alexander Schwolow, Xavi Simons, Benjamin Sesko, Emilio Buendia, Frank Onyeka, Mads Roerslev, Stefanos Tzimas, Jacob Bruun Larsen, Max Weiß, Jamie Gittens, Adam Aznou, Anton Stach, Sebastiaan Bornauw, Lukas Nmecha, Hugo Ekitiké, Granit Xhaka, Issa Kaboré, Lutsharel Geertruida, Mathys Tel und Jonah Kusi-Asare gingen in die Premier League. Marvin Duksch, Phil Neumann, Joshua Quarshie, Caspar Jander, Leo Scienza, Damion Downs, Josh Knight und Nestory Irankunda zogen die zweitklassige Championship der Bundesliga vor. Und Scott Banks (St. Pauli) Bradley Ibrahim (Hertha BSC) und Daniel Kyerewaa (Preußen Münster) gingen sogar in die dritte englische Liga.

Es droht ein Identifikationsverlust

Die Käufe wirken nicht immer durchdacht und gezielt. Strategien sind mitunter schwer zu erkennen. Für den Europapokal scheint daher weiterhin auch für die geplünderten Deutschen viel möglich, zumal auch aus einem 35-Spieler-Kader am Ende immer nur elf auflaufen können.

Dennoch sind Qualität und Strahlkraft gesunken. Und sollte sich die eingesetzte Entwicklung weiter fortsetzen, droht eine weitere Konsequenz: Die Stehzeit der Profis bei ihren Klubs sinkt, was zu einem Verlust von Identifikation führen wird. Wer positiv auffällt, wird bei geöffneten Transferfenster auf die Insel geweht.

Die bislang genannten Ideen, wie etwa eine verstärkte Nachwuchsförderung, werden die Zustände nicht verändern. Stattdessen scheint sich die Bundesliga bereits ihrer neuen Rolle gewiss. Zuletzt bewarb man seinen Wettbewerb mit dem Slogan „Wo Diamanten entstehen“. Klingt gut. Blöd nur, dass sich hierzulande niemand den Kauf leisten kann.

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