Laura Dahlmeier starb dort, wo sie sich am wohlsten fühlte
Laura Dahlmeier gehörte zu den erfolgreichsten deutschen Biathleten aller Zeiten. Sie war beliebt als Sportlerin und Expertin und ging ihren Weg in aller Konsequenz. Ihr letzter Gang in die Extreme riss sie nun tragisch in den Tod.
Ein Bild von Laura Dahlmeier zu finden, auf dem sie nicht lächelt, ist eine große Aufgabe. Die 31-Jährige wirkte fast immer fröhlich. Passt aber ein solches Bild zu einer Todesmeldung? Zu einem Nachruf. Ja, warum nicht. So war sie halt. Eine Frohnatur, deren Leben jetzt tragisch zu Ende ging. An einem Ort, den die deutsche Biathlon-Legende so sehr liebte. Sie starb im alpinen Extrem, im Hochgebirge. Dort fand sie ihren inneren Frieden, ihre Kraft. Und nun ihre letzte Ruhe.
Am Laila Peak in Pakistan passierte das, was die Natur des Menschen eigentlich nicht vorsieht. Ein junger, ein extrem fitter Mensch stirbt. Plötzlich, ohne Vorankündigung. Das hebt die Welt für einen Moment aus den Angeln. Sie steht still. Wie kann das sein? Wie darf das sein? Es gibt keine Antwort. Nur Fassungslosigkeit. Schock. Trauer.
Eine solche Nachricht reißt die Menschen erbarmungslos aus der Realität ins Nichts. Sie zeigt, wie wertvoll das Leben ist, wie zerbrechlich. Wie schnell das Leben vorbei sein kann.
Dahlmeiers Tod hat dabei besonders tragische Noten. Vor gut zwei Jahren beendete sie ihre Berufsausbildung zur Berg- und Skiführerin. In allen Teildisziplinen habe sie ihre Ausbildung absolviert, schrieb sie Anfang April 2023, und zählt neben elf Theoriefächern noch "Sportklettern, Bergrettung, Alpinklettern, Lawinenkunde, Skitour, Freeride, Eisklettern, Skimethodik, Skihochtour, Hochtour" auf. Bebildert war der Instagram-Beitrag mit Eindrücken dieser Teildisziplinen. "Am schwersten" sei ihr das Eisklettern gefallen, bekannte sie damals.
Ihr Ex-Freund starb auch beim Eisklettern
Nun starb sie in jenem Eis. In einer Höhe von rund 5700 Metern. Dort wird ihr Leichnam verbleiben, die Bergung ist zu gefährlich. "Es war Laura Dahlmeiers ausdrücklicher und niedergeschriebener Wille, dass in einem Fall wie diesem niemand sein Leben riskieren darf, um sie zu bergen", teilte das Management mit. "Ihr Wunsch war es, ihren Leichnam in diesem Fall am Berg zurückzulassen. Dies ist auch im Sinne der Angehörigen, die außerdem ausdrücklich darum bitten, Lauras letzten Wunsch zu respektieren."
Ein Steinschlag soll sie bereits am Montag erwischt haben. "Der Laila Peak ist ein fantastischer, sehr steiler und schmaler Gipfel abseits der großen Berge wie K2 im Karakorum. Kommt von oben ein Steinschlag, ist es fast unmöglich, allen Felsen auszuweichen", sagt Kletterikone Reinhold Messner im Interview mit RTL/ntv.
Einer, der an der verzweifelten Rettungsmission beteiligt war, ist Thomas Huber. Der eine der beiden in Bergsportkreisen legendären "Huberbuam". Mit ihnen verband Dahlmeier eine gute Geschichte. Mit ihnen bestieg sie einst den anspruchsvollen Brouillard-Pfeiler über die nur selten begangene Bonington Route, eine Route zum Montblanc. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie schlimm es für Thomas Huber sein muss, in diese tragische Mission involviert gewesen zu sein.
Die Berge, das war Glück und Unglück für Dahlmeier. Vor sieben Jahren verlor ein Ex-Freund sein Leben, beide waren damals aber kein Paar mehr. Kurz vor den Olympischen Winterspielen 2018 verunglückte Robert Grasegger beim Eisklettern, bei einem Lawinenunglück in Patagonien. Er wurde nur 29 Jahre alt. Dahlmeier flog mit dieser schweren emotionalen Hypothek nach Südkorea, trauerte alleine und holte zweimal Gold. Sie wuchs über sich hinaus, obwohl nicht nur das Herz schmerzte, sondern ihr in der Eiseskälte von Pyeongchang die Finger einfroren.
Über Graseggers Unglück sagte sie in der ZDF-Doku "Laura Dahlmeier und der Rausch der Höhe - Ihr Leben nach der Biathlon-Karriere" einmal: "Ich denke, es ist ganz wichtig, dass man sich da ernsthaft Gedanken macht, dafür ist dann auch schon zu viel passiert. Natürlich, wenn dann wieder ein schlimmer Unfall ist und es passiert was im direkten Umfeld, dann stellt man sich auch wieder die Frage: Puh, wie macht man denn jetzt weiter." Sie fand ihre Antwort. Sie machte weiter. Immer weiter.
Eine kurze, aber gigantische Karriere
Der Doppel-Olympiasieg war der Höhepunkt einer erstaunlichen Karriere. Die großartig und kurz war. Nur eine Saison später, im Frühjahr 2019, schnallte sie die Ski für immer ab. Nicht aus einer Laune heraus, wie es viele andere Sportler tun und dann die Rolle rückwärts machen.
Dahlmeier spürte nichts mehr, was sie motivieren konnte. Sie hatte mit 25 Jahren all ihre Ziele im Biathlon erreicht. Sie war nicht mehr bereit, die immensen Belastungen zu stemmen. Lediglich als Expertin des ZDF war sie fortan in ihrer Sportart aktiv. Das kam für viele überraschend, denn die Medienwelt wirkte ihr immer eher fremd, ein wenig lästig. Aber sie fühlte sich wohl in der Rolle der Analystin, fand auch in neuer Funktion viele Fans. Laura Dahlmeier war eine, die man schnell mochte.
Ihr Weltcup-Debüt gab sie am 1. März 2013 in Oslo. Den ersten WM-Titel gewann sie 2015 mit der Staffel in Kontiolahti. In ihrer besten Saison 2016/17 holte sie sowohl die große Kristallkugel für den Gesamtweltcup als auch die kleinen Kristallkugeln im Einzel und der Verfolgung, als Belohnung wurde sie für das Jahr 2017 zu Deutschlands Sportlerin des Jahres gewählt. Am 17. Mai 2019 erklärte sie überraschend früh ihr Karriereende.
Eine schwierige letzte Saison
Im Herbst zuvor hatte sie entkräftet im Krankenhaus gelegen, es folgten Krankheiten und Ausfälle, sie verpasste Rennen und kämpfte sich wieder heran. Es war ein bemerkenswertes Comeback, aber offenbar eines, das viel, womöglich zu viel Energie gefressen hatte. Dass sie bei der WM 2019 in Östersund trotz aller Rückschläge zwei Bronzemedaillen gewann, überraschte sie selbst. Es waren die letzten in ihrer brillanten Laufbahn.
Die hatte sie in Korea gekrönt. Sie war der Welt davongeflogen. Selbst bei widrigsten Bedingungen strahlte sie eine absolute Selbstsicherheit am Schießstand aus, die die Konkurrenz verzweifeln ließ und die den eigenen Trainer beruhigte. "So wie Laura hier Biathlon in Perfektion zeigt, habe ich das lange nicht gesehen", schwärmte der damalige Bundescoach Gerald Hönig. Nach der Verfolgung wurde Bronzemedaillen-Gewinnerin Anais Bescond nach einem bislang nicht gelösten Rätsel gefragt. Lässt sich Dahlmeier eigentlich bezwingen. Und wenn ja, wie? Die Französin zögerte nicht, sagte: "Schneller laufen, besser schießen." Das klang so einfach und war so schwer.
Ihre Karriere hatte noch zahlreiche andere Glanzpunkte: 2017 gewann sie fünfmal Gold und einmal Silber bei der WM in Hochfilzen. Als erste Biathletin holte sie saisonübergreifend 13 WM-Medaillen nacheinander und fünfmal Gold bei einer WM, im Weltcup feierte sie 20 Siege. Dahlmeier erreichte in ihrem Sport früh alles, und trotzdem war er nie alles für sie. Dahlmeier liebte das Klettern, die Freiheit der Berge. Und das Extrem.
"Dankbar für das Lachen, die Lektionen und die Ausblicke"
Im vergangenen November hatte sie den Himalaya-Gipfel Ama Dablam in Nepal bestiegen und dabei einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. Im Juni hatte sie den Great Trango Tower (6287 Meter) bestiegen. Danach hatte sie gepostet: "Danke, Juni - für eine erstaunliche Zeit in den Bergen mit großartigen Menschen! Trainieren und sich auf das nächste große Expeditionsziel vorbereiten. Dankbar für das Lachen, die Lektionen und die Ausblicke. Auf zu neuen Abenteuern - mit der Heimat immer im Herzen."
Bei Touren in Nepal, Südamerika oder den USA fand sie schon länger die Freiheit, die ihr im Leistungssport zu oft fehlte. Trainer und Verband duldeten ihre Ausflüge, auch wenn sie sich dabei schon mal verletzte und deswegen Pausen einlegen musste. So wie in den ersten Jahren ihrer Weltcup-Karriere. Im August 2014 stürzte sie beim Klettern im Zugspitzmassiv und zog sich einen Bänderriss am rechten Sprunggelenk sowie eine Knochenprellung zu.
Dahlmeier orientierte sich am Extremen, war dabei aber nicht leichtsinnig. Davon ist auch Reinhold Messner überzeugt: "Ich kenne Frau Dahlmeier persönlich nicht, aber sie gilt als exzellente Bergsteigerin - mit viel Eigenverantwortung auf schwierigen Wegen. Sie ist auf hohem Niveau unterwegs: minimal ausgerüstet, sehr erfahren. Doch gegen Lawinen und Steinschlag hilft Erfahrung nur begrenzt - die Natur bleibt unberechenbar."
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