Mit diesem Überraschungs-Triumph hat sie selbst nicht gerechnet: Am Dienstag gewann Anna Elendt bei der Schwimm-WM in Singapur sensationell Gold über 100 Meter Brust. Sie ist die erste deutsche Weltmeisterin über diese Strecke seit der Wiedervereinigung. Donnerstag tritt sie nun im Vorlauf über die doppelte Distanz an, am Wochenende über die neuerdings olympischen 50 Meter Brust.

Im Interview spricht die 23 Jahre alte Frankfurterin zuvor über die erste Nacht nach dem WM-Coup, das Fast-Ende ihrer Karriere nach dem Vorlauf-Aus bei den Olympischen Spielen in Paris, ihr Leben in den USA und die Zusammenarbeit mit Trainer-Legende Bob Bowman, der Michael Phelps zum Rekord-Olympiasieger geformt hat.

Frage: Wie war die erste Nacht als Weltmeisterin?

Anna Elendt: Kurz und gar nicht mal so gut. Ich war erst gegen Mitternacht im Hotel und bin direkt ins Bett. Um 8 Uhr bin ich aber auch schon wieder aufgewacht. Müde bin ich nicht. Die Freude über den WM-Titel überstrahlt alles.

Frage: Sie haben nicht gefeiert?

Elendt: Nein. Ich habe bei der WM noch einige Starts. Donnerstag starte ich über 200 Meter Brust, über 50 Meter ebenfalls und dann kommt zum Abschluss die Lagen-Staffel. Danach gönne ich mir einen Burger.

Frage: Rad-Star Florian Lipowitz hat nach seinem dritten Platz bei der Tour de France Glückwünsche vom Bundeskanzler erhalten. Wer hat Ihnen gratuliert?

Elendt: Natürlich Familie und Freunde. Dazu kamen etliche Nachrichten auf Instagram. Und ich habe eine E-Mail vom Oberbürgermeister aus Frankfurt bekommen.

Frage: Was bedeutet Ihnen der WM-Titel?

Elendt: So richtig angekommen ist das alles noch nicht bei mir. Weltmeisterin zu sein, ist unfassbar schön. Die letzten drei Jahre waren sehr hart, weil es nach WM-Silber 2022 nicht so gelaufen ist, wie ich es mir erhofft hatte. Den Spaß am Schwimmen hatte ich verloren. Ich wusste nach dem Vorlauf-Aus (Platz 20, Anm. d. Red.) bei den Olympischen Spielen nicht mal, ob ich meine Karriere fortsetzen möchte. Das hat mich sehr belastet. Ich habe lange dagegen ankämpfen müssen, weil ich plötzlich Angst hatte vor den 100 Metern Brust.

Frage: Was haben Sie seitdem anders gemacht?

Elendt: Ich schwimme seit dem Uni-Abschluss in Texas nicht mehr für ein Team, sondern wirklich nur noch für mich. Das hat den Druck genommen und den Spaß zurückgebracht. Ich fühle mich wieder frei beim Schwimmen, weil ich weiß, dass ich morgen aufhören könnte, wenn ich keine Lust mehr habe.

Frage: Ist es so einfach?

Elendt: Ja. Es klingt vielleicht blöd, aber ich kann jeden Tag entscheiden, ob es das ist, was ich machen möchte. Das hilft mental enorm. Früher habe ich vor den 100 Meter Brust gezittert, bin kaum auf den Startblock gekommen. Ich kann hier in Singapur einfach befreit an den Start gehen, kann den Moment aufsaugen. Das hatte ich in dieser Form noch nie.

Frage: Wie war der Moment nach dem Anschlag, als sie realisiert haben, dass Sie Weltmeisterin sind?

Elendt: An den Startblöcken sieht man direkt, ob man auf dem Podium ist oder nicht. Die leuchten rot, wenn man eine Medaille gewonnen hat. Das habe ich direkt gesehen. In der Halle gibt es mehrere Anzeigetafeln. Eine davon war direkt über mir. Dann habe ich die goldene Eins hinter meinem Namen gesehen. Das habe ich nicht realisiert, habe mir innerlich gesagt: ‚Warte mal, was? Habe ich ernsthaft gewonnen?‘ Die Eins zu sehen, war ein Schock. Als ich mich umdrehte, es noch einmal sah und unser Team gejubelt hat, war es mir dann klar. Ein unglaublich toller Moment.

Frage: Sie sind als Siebte gerade so ins Finale eingezogen, mussten deshalb von Bahn 1 aus starten. Das ist ab jetzt ihre Lieblingsbahn, oder?

Elendt: Das kann man so sagen, ja. Die Außenbahn hat Vor- und Nachteile. Die Konkurrenz kann mich nicht sehen, ich sie aber auch nicht. Es hat für mich optimal gepasst, weil ich mich nur auf mich fokussiert habe.

Frage: Für den WM-Sieg gibt es vom Weltverband 20.000 Euro Prämie. Was gönnen Sie sich davon?

Elendt: Erst einmal müssen die Steuern noch runter. Mal schauen, was noch übrigbleibt. Ich habe mir kürzlich ein neues Auto gekauft, weil mein altes kaputt war. Das wird davon abbezahlt. Der Rest wird gespart für meinen Master, den ich in den nächsten Jahren machen möchte.

Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in BILD veröffentlicht.

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