Am 23. Januar 1984 erlebten die Wrestling-Fans in der berühmten New Yorker Arena Madison Square Garden den Start eines Phänomens. Ein blonder, muskelbepackter Hüne namens Hulk Hogan bezwang seinen beim Publikum verhassten iranischen Gegner Iron Sheik, den „eisernen Scheich“, und gewann den wichtigsten Titel der Liga World Wrestling Federation (WWF). Es war die Geburtsstunde von „Hulkamania“, und die Wrestling-Welt würde nie wieder dieselbe sein.

Hulk Hogan, bürgerlich Terry Gene Bollea, war zu diesem Zeitpunkt bereits 30 Jahre alt und bereits mehr als ein Jahrzehnt als Wrestler aktiv. Doch diesmal hatte er einen visionären Geschäftsmann als Verbündeten, der in ihm das Potenzial zum Superstar sah: Vince McMahon, der die WWF von seinem Vater übernommen hatte und eine klare Vision verfolgte: Seine Liga sollte die vielen oft nur in einzelnen US-Bundesstaaten aktiven Regionalligen verdrängen und zum national dominanten Branchengigant werden – zugleich sollte Wrestling als Unterhaltungsform anschlussfähig an den Mainstream werden. Mit Hulk Hogan, Spitzname „The Immortal“, hatte McMahon seine zentrale Attraktion gefunden.

Der Plan ging auf – und das Erfolgsrezept war denkbar einfach: Hulk Hogan war ein auf seine Essenz heruntergebrochener amerikanischer Heldencharakter. „Es gab einen Weg, Leute glauben zu machen, dass Hulk Hogan ein echter Held sei, und dass du, wenn du trainierst und deine Vitamine nimmst und deine Gebete sagst, auch ein Held sein kannst“, fasste Hogan die Philosophie hinter seiner Ringfigur in einer seiner Autobiografien zusammen. „Ich wollte, dass Leute absolut süchtig nach diesem Zeug sind, sodass es Eingang in ihr Alltagsleben finden würde – nicht nur einmal im Monat oder ein paar Mal im Jahr.“

Mit einem ikonischen Ringoutfit in den Farben Gelb-Rot sowie der patriotischen Einmarschmusik „Real American“ war der Hogan-Charakter der perfekte Gegenspieler für die oft cartoonhaften Schurken des Rings. Seine Fans, bald „Hulkamaniacs“ getauft, konnten in den 80er-Jahren tatsächlich nicht genug von ihm kriegen. Dabei waren Hogans Charisma und seine Fähigkeit, das Publikum verbal zu fesseln, mindestens so wichtig wie seine beeindruckende Muskulatur. Im Ring selbst pflegte er einen eher langsamen, bodenständigen Stil mit einem limitierten Moveset – was seiner Popularität keinen Abbruch tat. Währenddessen trieb Vince McMahon die nationale Expansion der WWF voran.

Auch der ersehnte Anschluss an den popkulturellen Mainstream erfolgte schnell: So bildete Hogan in einer WWF-Storyline ein Team mit Mr. T. aus der Erfolgsserie „Das A-Team“ und trat selbst als Schauspieler immer wieder in Filmen und TV-Serien auf. Es mutet ironisch an, dass der erfolgreichste Film, in dem Hogan in fast vier Jahrzehnten zu sehen war, „Rocky III – Das Auge des Tigers“ ist. Der erschien bereits 1982, als er einem breiteren Publikum noch unbekannt war.

Das Hauptgeschäft von Hogan blieb freilich das Wrestling, und die „Hulkamania“ tobte noch jahrelang weiter, bis sie Anfang der 90er-Jahre erste Ermüdungserscheinungen zeigte. Vince McMahon wünschte sich frischere Gesichter an der Spitze. Der inzwischen über 40-jährige Hogan erkannte die Zeichen der Zeit und wechselte 1994 zur Konkurrenz World Championhip Wrestling (WCW), die – mit weitem Abstand – Nummer zwei der Branche.

Eine Zeitlang spielte er auch dort seinen Heldencharakter, doch sein Image hatte infolge eines Prozesses gegen McMahon um Steroid-Missbrauch in der WWF Risse bekommen. Im Gegenzug für volle Immunität sagte er vor Gericht aus – was zu einem Zerwürfnis mit seinem früheren Chef führte. Manche Fans drückten ihre Enttäuschung über Hogans Steroid-Missbrauch aus, indem sie Schilder wie „Hogan, hast du heute deine Spritzen bekommen?“ oder „Verlass das Haus nicht ohne deine Steroide“ hochhielten, erinnerte er sich später.

Es war Zeit für eine radikale Neuerfindung.

Die neue Weltordnung des Hulk Hogan

Wieder hatte Hogan das Glück, einen Geschäftsmann mit einer Vision an seiner Seite zu haben: Eric Bischoff war damals der hauptverantwortliche Produzent bei WCW. Gemeinsam mit den von der WWF gewechselten Top-Stars Kevin Nash und Scott Hall entwickelte Bischoff die Idee für eine neue Schurkengruppe. Suggeriert wurde, dass diese im Auftrag von Vince McMahon und der WWF eine Art Invasion durchführte – mit einem unbekannten Anführer. Das Trio schaffte es, Hogan davon zu überzeugen, diese Rolle zu übernehmen und sein altes Image über Bord zu werfen. In einem für die Fans schockierenden Moment fiel Hogan seinen Freunden im Sommer 1996 in den Rücken und begründete die New World Order (NWO) mit – die „neue Weltordnung“ im Wrestling.

Vorbei waren die Zeiten von Gelb-Rot und „Real American“: Hogan gab sich den Zusatznamen „Hollywood“, kam zu Jimi Hendrix‘ „Voodoo Child“ zum Ring und kleidete sich fortan in Schwarz-Weiß. Eine Wandlung, die perfekt zu der Richtung passte, die sich Wrestling-Fans in der zweiten Hälfte der 90er wünschten: weg vom Cartoonhaften, hin zu provokanteren Geschichten und Charakteren. Die NWO verkörperte coole böse Jungs, das T-Shirt mit dem Logo der Gruppe wurde zum Verkaufshit. „Ich wusste, dass das zu einer der großartigsten Storylines der Wrestling-Geschichte werden würde, und das ist exakt, was passiert ist“, resümierte Hogan später. Tatsächlich war die NWO der Grund, warum WCW erstmals die WWF bei den Einschaltquoten besiegte, und zwar 83 Wochen am Stück. „Ich schlug Vince in seinem eigenen Spiel“, attestierte sich Hogan später.

Doch McMahon war niemand, der sich geschlagen gab. Mit einem an einem erwachsenen Publikum orientierten Programm – provokante Storylines und Charaktere sowie leicht bekleidete Frauen – schaffte die WWF im Frühjahr 1998 die Wende in den „Monday Night Wars“ (die Hauptshows der beiden Ligen liefen zeitgleich am Montag). Bischoff und Co. hatten keine Antwort darauf. Erschwert wurde das Ganze durch Hogans Agieren im eigenen Sinne: Er hatte kreative Mitbestimmung bei seinen Storylines inklusive dem Ausgang seiner Kämpfe – was er ausgiebig nutzte, um sich und seinen Freunden hinter den Kulissen Vorteile zu verschaffen. Die Fans goutierten das irgendwann nicht mehr, und so trug Hogan seinen eigenen Teil dazu bei, dass WCW 2001 bankrott ging und von Vince McMahon aufgekauft wurde.

Für Hogan war es aber bei Weitem nicht das Ende. Er raufte sich mit seinem früheren Boss wieder zusammen und kehrte in den Nullerjahren mehrmals in McMahons inzwischen in World Wrestling Entertainment (WWE) umbenannte Liga zurück. Ein Höhepunkt war dabei ein Kampf im Jahr 2002 beim größten jährlichen Wrestling-Event WrestleMania gegen den Topstar The Rock, heute einem Millionenpublikum als Schauspieler bekannt. Das Publikum bejubelte Hogan – damals eigentlich der „Böse“ – unerwartet so sehr, dass er kurz darauf den „Hollywood“-Charakter hinter sich ließ und wieder als Publikumsliebling auftrat.

Seinen letzten Schaukampf im Ring absolvierte Hogan – der unter anderem an Rücken-, Knie- und Hüftproblemen litt und deshalb zahlreiche Operationen durchmachte – 2012 für die kleine WWE-Konkurrenz Total Nonstop Action Wrestling, bei der er mehrere Jahre auftrat.

Erfolgreiche Ring-Karriere, turbulentes Privatleben

Nach seiner Karriere als aktiver Wrestler machte Hogan vor allem mit seinem turbulenten Privatleben Schlagzeilen. Die Ehe mit seiner ersten Frau Linda, mit der er einen Sohn und eine Tochter hatte, endete 2008. Linda Bollea machte eine Affäre Hogans öffentlich – später fing sie selbst eine Beziehung mit einem jungen Mann in der Altersklasse ihres Sohns an.

2015 dann erlitt Hogans Image seine bislang tiefsten Risse: US-Medien veröffentlichten eine rassistische Tirade des Wrestling-Stars aus einem Sex-Video aus dem Jahr 2007. Hogan befand sich damals mit der Frau seines damaligen besten Freundes im Bett und drückte Ekel darüber aus, dass seine Tochter Brooke mit einem „Nigger“ liiert sei. Er äußerte zudem, „zu einem gewissen Grad Rassist zu sein“. Ein Vorgang, der große Wellen der Empörung schlug; die WWE beendete für mehrere Jahre ihre Zusammenarbeit mit Hogan. Der bat wiederum öffentlich um Vergebung, wenngleich seine Verteidigungslinie, der Begriff „Nigger“ werde unter seinen Freunden in seinem Heimatort Tampa (Florida) oft benutzt, für neue Irritationen sorgte.

Später verklagte Hogan das Portal „Gawker“, das einen Ausschnitt aus einem Sexvideo von Hogan mit besagter Frau veröffentlicht hatte. Finanziell unterstützt wurde er bei seiner Klage von Milliardär Peter Thiel. Das Gericht gab Hogan recht – im November 2016 wurde ihm eine Entschädigung in Höhe von 31 Millionen Dollar zugesprochen.

Privat lief es in den letzten Lebensjahren Hogans wieder besser: Im September 2023 heiratete er die Yoga-Lehrerin Sky Daily. Dass er sich sowohl mit seiner Ex-Frau Linda als auch seiner Tochter offenbar zerstritten hatte, schien ihn zuletzt nicht zu stören: Auf eine öffentlich ausgetragene Auseinandersetzung zwischen den beiden im März dieses Jahres reagierte er süffisant – indem er ein Foto von sich und seiner aktuellen Frau beim Popcorn-Essen ins Netz stellte.

Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2024 trat Hogan als Unterstützer von Donald Trump in Erscheinung, mit dem er seit vielen Jahren befreundet war. Beim Parteitag der Republikaner riss er sich wie im Wrestling-Ring das Hemd herunter und hielt eine Wahlkampfrede für den damaligen Kandidaten, die rhetorisch einem Wrestling-Promo ähnelte.

Trump wiederum ist bekennender Wrestling-Fan, trat immer wieder bei Shows auf – und machte Vince McMahons Frau Linda zur Ministerin. Tatsächlich ähnelt die gesamte Selbstinszenierung des heutigen Präsidenten der eines Wrestling-Charakters: Er teilt verbal hart gegen alle Gegner aus und inszeniert Politik als Show-Kampf.

Am Donnerstag ist Hulk Hogan nach einem „schweren Herzstillstand“ im Alter von 71 Jahren gestorben. Im Wrestling freilich wird er immer der Unsterbliche sein.

Politikredakteur Johannes Wiedemann ist seit 33 Jahren Wrestling-Fan.

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