Die 16. Etappe der Tour de France liefert eine erstaunliche Erkenntnis: Radsport-Gigant Tadej Pogacar gelingt nicht alles, was er sich vornimmt. Der Slowene verpasst den Etappensieg am legendären Mont Ventoux. Immerhin ein Privat-Duell gewinnt er.

Der unersättliche Tadej Pogačar greift bei der Tour de France nach allen Trikots, nach allen Siegen. Der Radsport-Gigant aus Slowenien fährt im Gelben Trikot. Er fährt wieder im Trikot des Bergbesten und auch im Kampf um das Grüne Jersey, des bestens Sprinters, liegt er als Zweiter äußerst aussichtsreich im Rennen. Das liegt nicht daran, dass er ein wahnsinnig endschneller Mann ist, sondern daran, dass er viele Etappen gewinnt. Das bringt Punkte.

An diesem Dienstag verpasste er aber den Sieg. Am Mont Ventoux kam er als Fünfter ins Ziel. Auf Tagessieger Valentin Paret-Peintre fehlten Pogacar 43 Sekunden. Auf dem kargen Riesen in der Provence hatte der 26-Jährige unbedingt gewinnen wollen. Wie eigentlich immer. Doch dieser Ventoux schreibt große Geschichten, besondere Geschichten, Heldengeschichten. Hier ereigneten sich großen Dramen des Radsports.

"Heute eigentlich richtig gut gefühlt"

Ein solches blieb Pogacar am Dienstag erspart. Als Fünfter war er zwar nicht da, wo er sein wollte. Aber immer noch einen Platz vor seinem Hauptrivalen im Kampf ums Gelbe Trikot. Er nahm Jonas Vingegaard zwei Sekunden ab. Das ist im Prinzip egal. Als Zeitwert, nicht aber als Zeichen. Der Däne und sein taktisch fantastisch agierendes Visma Lease a Bike-Team hatten Pogacar unter Druck gesetzt. Vingegaard attackierte am letzten Anstieg viermal, immer wieder unterstützt von seinen Kollegen, die sich teilweise aus der Spitzengruppe fallen ließen, um dann nochmal tüchtig für ihren Kapitän anzuschieben. Aber Pogacar konterte jede Attacke und versuchte es selbst zweimal, aber eher halbherzig, nicht so gnadenlos wie sonst. "Ich habe mich heute eigentlich richtig gut gefühlt. Ich war ganz glücklich mit den Attacken. Ich nehme daraus viel Motivation mit", sagte Vingegaard.

Doch für den Dänen, der im Ziel von einem übermotivierten Fotografen angerannt wurde und stürzte, war es zum Verzweifeln. Es ging an diesem Berg gar nicht mal darum, das Gelbe Trikot ernsthaft anzugreifen, sondern überhaupt mal ein Zeichen zu setzen. Pogacar, der angeblich wegen einer Erkältung leicht angeschlagen gewesen sein soll, zu zeigen, dass er nicht übermenschlich ist, sondern angreifbar. Aber Pustekuchen, angreifbar ist er eben nicht. Nur er selbst sieht das ein wenig anders. "Es war ein epischer Schlussanstieg. Ich habe die Führenden vor mir gesehen, aber ich bin eben nicht Superman. Ich bin in Klanec geboren und nicht auf Krypton. Und selbst Superman hätte die heute nicht mehr geschnappt."

Dabei hatte sich der Slowene alle Mühe gegeben, am Fuß des Berges in Bedoin lag die Gruppe um ihn und Vingegaard noch fast sieben Minuten hinter den Führenden. Wie furios die Aufholjagd war, zeigt ein Blick in sein Profil auf der Sportplattform Strava. 53 Minuten und 47 Sekunden brauchte Pogacar für die letzten 20,74 Kilometer bis ins Ziel - und stieß damit den bisherigen "King of the Mountain" Richard Carapaz vom Thron. Der hatte bei der Tour vor vier Jahren mit 59 Minuten und 28 Sekunden die bisherige Strava-Bestmarke gesetzt.

Der Mann, der den demaskierten Radsport-Superman geschlagen hatte, zumindest für diesen Moment, war Paret-Peintre. Er verewigte sich bei der ersten Ventoux-Gipfelankunft seit 2013 als Etappensieger und bescherte den Franzosen den ersten Tageserfolg der 112. Tour de France. In einem packenden Hin und Her sprintete der 24-Jährige im Finale einer Ausreißergruppe den wieder einmal aufopferungsvoll kämpfenten Iren Ben Healy nieder. "Ich habe gemerkt, dass Tadej rankam - aber ich wollte diesen Sieg einfach nicht aus der Hand geben", sagte Paret-Peintre.

Heftige Kritik an Politt

Dass er überhaupt dazu in der Lage war, verdankte er einem lange Zeit sehr unruhigen Rennverlauf im flachen Terrain. Pogacars deutscher Helfer Nils Politt unterband lange alle Fluchtversuche und sorgte zwischenzeitlich für Ordnung. Erst spät verlor die UAE-Mannschaft die Kontrolle, eine große und stark besetzte Spitzengruppe zog davon. Politt zog dabei mit seinem Verhalten Kritik auf sich.

Bilder zeigen ihn unter anderem, wie er einem Ausreißer per Kopfschütteln andeutet, dass er ihn nicht fahren lassen wird. Thomas Voeckler, französischer Tour-Held vergangener Tage, schimpfte: "Es gibt kein schlimmeres Verhalten. Abscheuliches Verhalten, wenn man Fahrer herablassend behandelt. Ich hasse Fahrer, die unter dem Vorwand, dass sie stärker sind oder in großen Teams fahren, ihr eigenes Gesetz durchsetzen wollen."


Wieder zu großen Gewinnern des Tages gehörte Florian Lipowitz, auch wenn er im Showdown der Giganten nicht mithalten konnte. Am brutalen Schlussanstieg bis auf 1910 Meter Höhe wurde er mit 1:53 Minuten Rückstand Zehnter. Seinen Kontrahenten im Kampf um das erste Tour-Podest eines Deutschen seit 16 Jahren nahm er wichtige Zeit ab: "Als Pogi und Jonas attackiert haben, hatten Primoz (Anmerk. d. Red.: Roglic) und ich nicht die Beine um mitzugehen. Da haben wir uns darauf fokussiert, die Jungs im Kampf ums Podiums auf Distanz zu bringen", sagte Lipowitz in der ARD: "Irgendwann ging die Lücke auf, und dann war es Vollgas bis ins Ziel." Seinem schärfsten Kontrahenten, dem Briten Oscar Onley, nahm Lipowitz 39 Sekunden ab, 2:01 Minuten beträgt nun sein Vorsprung im Kampf um Podest und Weiß.

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