Schwimmerinnen im Rollstuhl, völlig entkräftet – Hitze sorgt für fragwürdige Szenen
Dass Sportler nach Belastungen am Limit völlig erschöpft sind, sich im Ziel auch mal übergeben und Hilfe beim Aufstehen benötigen, ist eingepreist. Alles herausholen, was geht. Die Szenen beim WM-Rennen der Freiwasserschwimmerinnen in Singapur aber gingen darüber hinaus. Auch, weil es mehreren Athletinnen so ging.
Lea Boy wurde noch während des zehn Kilometer langen Rennens vom Bundestrainer rausgenommen, Jeannette Spiwoks musste sich am Ende völlig entkräftet festhalten. Andere Schwimmerinnen wurden nach dem Rennen erschöpft im Rollstuhl weggefahren. Die Hitze hatte sie an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht. „Ich habe Lea rausgeholt, weil sie schon ziemlich benommen war“, schilderte Bundestrainer Bernd Berkhahn. „Es war schon bedenklich.“
Generell sah Berkhahn „kein schönes Rennen. Es ging eigentlich darum, wer die Wärme am meisten ertragen kann“. Der 54-Jährige schilderte mit Blick auf die äußeren Umstände: „Die Sonne knallt von oben runter. Die haben hinten 45 Grad, vorn 30 Grad. Das ist schon grenzwertig für den menschlichen Körper.“
Die offizielle Wassertemperatur wurde am Mittwochmorgen vor Ort mit knapp über 30 Grad Celsius angegeben. Bis 31 Grad sind Rennen laut Reglement des Weltverbandes erlaubt. Gestartet wurde allerdings erst am Mittag und Nachmittag. Florian Wellbrock, der im Rennen der Männer zuvor zu WM-Gold und damit einem überragenden Comeback geschwommen war, kam zwar besser mit den Bedingungen klar, sagte aber auch: „Es hat sich ein bisschen angefühlt wie in einer Waschmaschine bei 40 Grad.“
Gold im zuvor zweimal wegen schlechter Wasserqualität verschobenen Rennen der Frauen gewann Moesha Johnson aus Australien. Die 27-Jährige trainiert wie Florian Wellbrock bei Berkhahn in Magdeburg. Silber sicherte sich die Italienerin Ginevra Taddeucci vor der Monegassin Lisa Pou. Die deutsche Starterin Spiwoks schlug als 15. mit großem Rückstand auf die Spitze an.
Diskussion um die Temperaturgrenze
Die vorhersehbar hohen Wassertemperaturen bei den WM-Rennen waren in der Vorbereitung ein großes Thema gewesen. So bereiteten sich die deutschen Schwimmer unter anderem in warmen Pools und Gegenstromkanälen sowie in Hitzekammern auf dem Rad auf die Herausforderung vor.
Man könne den Körper zwar durch Training auf Hitze vorbereiten, sagte Berkhahn jetzt in Singapur. Gerade weniger erfahrene Nationen könnten aber größere Probleme bekommen. „Dann wird es gefährlich. Da muss sich der Weltverband schon überlegen, ob die 31 Grad so stehen bleiben können.“ Hinzu kommt: Wegen der hohen Außen- und Wassertemperaturen waren die Freiwasserrennen in Singapur eigentlich für die frühen Morgenstunden geplant gewesen. Da es wegen mangelhafter Wasserqualität aber zu Verschiebungen kam, wurden die Rennen neu angesetzt: für 13 und 16.15 Uhr Ortszeit.
Der Fall Fran Crippen
Die Temperatur-Obergrenze gibt es seit einem tragischen Todesfall am 23. Oktober 2010 beim Weltcup im arabischen Emirat Fudschaira. Der Amerikaner Fran Crippen, WM-Dritter von 2009, ging dort wenige 100 Meter vor dem Ziel unter. Zwei Stunden nach dem Ende des Rennens wurde er von Tauchern gefunden. Er starb im Alter von 26 Jahren.
Faktoren wie eine hohe Luft- und Wassertemperatur in Kombination mit möglicher Dehydrierung sowie Überhitzung bei hoher Anstrengung könnten, so hieß es im Bericht der Untersuchungskommission, zur Erschöpfung und dann Bewusstlosigkeit des Schwimmers geführt haben, die zum Tod durch Ertrinken führte. Hinzu kamen ungenügende Überwachung und mangelnde Sicherheitsmaßnahmen.
Der Persische Golf soll zum Zeitpunkt des Rennens offiziell 29 Grad warm gewesen sein, doch die Experten schätzten die Temperatur deutlich höher ein. „Auf der Strecke waren es zwei bis drei Grad mehr. Der Start war in der Mittagshitze, in der Sonne war es über 40 Grad“, so Freiwasser-Rekordweltmeister Thomas Lurz damals.
Die Experten forderten unter anderem Wassertemperaturgrenzen von 18 und 28 Grad. Zwar wurde eine Höchstgrenze festgelegt – bis dahin gab es nur die Mindesttemperatur von 16 Grad –, allerdings jene bis heute gültigen 31 Grad. Auch Lurz hielt das für zu warm.
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