"Heute wird Brasilien Weltmeister", titeln die Zeitungen am Morgen, das Land ist der große Favorit bei der Heim-WM vor 75 Jahren. Doch dann folgt der große Uruguay-Schock: Das "Maracanaço" lässt 200.000 Fans verstummen - und versetzt ganz Brasilien einen Stich ins Herz.

Am Ende herrschte nur noch Stille, das Maracanã in Rio de Janeiro versank in einem Meer von Tränen und Trauer. Die brasilianischen Fußball-Künstler hatten durch ein 1:2 gegen Uruguay den sicher geglaubten WM-Titel 1950 verspielt, ein ganzes Land stand unter Schock. "Nur drei Menschen brachten das Maracanã zum Schweigen: der Papst, Frank Sinatra und ich", sagte der Siegtorschütze Alcides Ghiggia.

Heute jährt sich der Schreckenstag der Seleção zum 75. Mal. Der haushohe Favorit scheiterte vermutlich an seiner Arroganz. "Niemand auf der Welt kann mit euch mithalten", sagte etwa Rios Bürgermeister Ângelo Mendes de Moraes in seiner Ansprache vor dem Spiel: "Ich gratuliere euch bereits zum Sieg." Die brasilianischen Zeitungen titelten am Morgen des Spiels: "Heute wird Brasilien Weltmeister."

Als Vorgänger von Pelé stand 1950 Mittelstürmer Ademir im Blickpunkt. Nachdem die Brasilianer in der Vierer-Endrunde Schweden mit 7:1 und Spanien mit 6:1 in Grund und Boden gewirbelt hatten, sah das ganze Land die entscheidende Partie gegen Uruguay nur noch als Pflichtaufgabe an.

"Maracanaço": Selbst Brasiliens Radio schweigt

200.000 Fans füllten das riesige Stadion schon Stunden vor dem Anpfiff. Die beiden nächsten Tage galten als arbeitsfrei, alle Säle und Lokalitäten waren für die Siegesfeiern ausgebucht. Doch dann geschah das, was als "Maracanaço" in die brasilianische Fußball-Geschichte eingehen sollte.

Die nüchtern spielenden Uruguayer ließen sich auch durch das Führungstor der Gastgeber nicht aus der Fassung bringen, bewahrten ihre taktische Disziplin. Die Nachfahren des großen Andrade, der einst die Fußball-Welt mit seinen Tricks und Ballkunst begeisterte und dessen gleichnamiger Neffe nun ebenfalls als Außenläufer dabei war, behielten kühles Blut, glichen aus - und Ghiggia schoss elf Minuten vor Schluss das Siegtor.

Noch drei Stunden nach Abpfiff verharrten Zehntausende Fans regungslos und schweigend auf den Rängen, konnten die Schmach nicht begreifen. Brasiliens Radio legte Sendepausen ein: kein Wort, keine Musik! Die FIFA überreichte den Weltmeistern schnell den Pokal, auf eine feierliche Zeremonie für Uruguay wurde verzichtet.

Sündenbock "büßt 43 Jahre für vermeintliches Verbrechen"

Sündenbock aufseiten der Brasilianer war Torwart Moacyr Barbosa, dem das 1:2 auf ewig angekreidet wurde. Als die Torgestänge irgendwann ausgetauscht wurden, verbrannte er die Holzlatten. Vor der WM 1994 wurde dem vermeintlichen Pechvogel der Zugang zum brasilianischen Teamquartier versagt.

"In Brasilien ist die längste Haftstrafe 30 Jahre", sagte er einmal, "ich aber büße schon 43 Jahre für ein vermeintliches Verbrechen, das ich nicht begangen habe." Im April 2000 verstarb er 79-jährig in Santos, verarmt und verkannt.

"Alle, die den Fußball im Blut haben", sagte Topspieler Ademir Jahre nach dem tragischen Ende der WM 1950, "verspürten danach eine große Leere. Die Seele eines Spielers verlässt den Rasen nie."

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