Die Klub-WM ist Gift für den Fußball und den gesamten Sport
Als ich ein Kind war, hatte meine Mutter am Essenstisch eine goldene Regel. „Du musst etwas probieren, bevor du es nicht magst“, prägte sie zu sagen, wenn ich mich etwas auf dem von ihr zubereiteten Teller verweigern wollte. Sorry Mama, ich habe deine Regel gebrochen.
Mit der Klub-WM hatte ich abgeschlossen, bevor sie begann. Ich habe nicht ein einziges Mal eingeschaltet. Wenn dieses auf 32 Teams aufgeblasene Turnier mit dem Finale zwischen dem FC Chelsea und Paris St. Germain am Sonntag (21 Uhr/Sat.1 und DAZN) endet, werde ich keine Sekunde live verfolgt haben.
Nun kann der spitzfindige Fußballfan durchaus fragen, ob das nicht zu meiner Arbeit gehört. Der Sportjournalist, der die Geschehnisse auf seinem Fachgebiet nicht verfolgt. Job verfehlt. Nun ist es ja nicht so, dass ich hinter dem Mond lebe. Natürlich habe ich Musialas abgeknicktes Bein gesehen, die anschließende Debatte über die Schuld von PSG-Keeper Gianluigi Donnarumma an der schweren Verletzung des Bayern-Stars verfolgt. Die wichtigsten Meldungen habe ich mitbekommen, Spielszenen in den sozialen Medien gesehen.
Nur live ist das Turnier eben an mir vorbeigezogen. Und ganz ehrlich: Ich bereue es nicht. Oder habe ich etwas Weltbewegendes verpasst? Europa regiert immer noch die Fußball-Welt. Die deutschen Vereine gehen wieder einmal leer aus. Und Fifa-Präsident Gianni Infantino wanzt sich an den US-Präsidenten Donald Trump ran, um beste Voraussetzungen für sein nächstes aufgepumptes Turnier – die auf 104 Spiele gedehnte WM 2026 – herauszuhandeln. Alles wie immer könnte man meinen, ohne es gesehen zu haben.
Nun ist nicht jede Ausdehnung eines Wettbewerbs per se schlecht. Auch der Umstellung der Champions League auf ein Ligasystem mit 36 Mannschaften und acht Gruppenspieltagen standen viele Fußballfans – mir inklusive – kritisch gegenüber. Schließlich hatte sie – wie fast immer – monetäre Gründe. Die einfache Rechnung: Mehr Spiele bedeuten für die Uefa mehr Geld.
Doch der Modus hat sportlich überzeugt. Plötzlich standen Giganten wie Manchester City vor dem letzten Gruppenspieltag vor dem Aus, Namen aus der zweiten europäischen Fußball-Reihe wie LOSC Lille überraschten mit einem direkten Achtelfinalplatz. Alles gipfelte in einer völlig verrückten 18er-Konferenz, in der es für den Großteil der Mannschaften noch um etwas ging. Chaos und Drama pur. Ich war positiv überrascht.
Zu viele Spiele, zu wenig Reiz
Bei der Klub-WM versprach schon der Blick auf die Ansetzungen anderes. Es mag meiner europäischen Arroganz geschuldet sein. Aber für Spiele wie Ulsan HD FC gegen Mamelodi Sundowns oder Flamengo gegen ES Tunis schalte ich als Sport-Konsument – und in dieser Rolle verstehe ich mich im Privatleben – den Fernseher nicht ein. Schon gar nicht zu schlafunfreundlichen Uhrzeiten um 0 Uhr oder 3 Uhr nachts.
Die Partien von Hochglanz-Format hingegen – PSG gegen Bayern München, Borussia Dortmund gegen Real Madrid – habe ich in der Champions League so ähnlich schon zur Genüge gesehen. Zu viele Spiele, zu wenig Reiz – die Klub-WM bot mir persönlich eine toxische Kombination.
Ich würde sogar so weit gehen, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben dem Männer-Fußball überdrüssig bin. Den Zusatz „Männer“ braucht es, denn der Sommer bot und bietet ja genügend Alternativen. Erst spielte der Nachwuchs, die U19 und die U21, seine Europameisterschaften aus. Jetzt wollen die Frauen in der Schweiz auf Europas Fußball-Thron. All diese Wettbewerbe habe ich verfolgt. Wenn ich vor dem Fernseher die Wahl hatte, habe ich mich stets gegen die Klub-WM und für besagte Alternativen entschieden.
Es ist ohnehin bedauerlich genug, dass ein Fußball-Sommer ohne Männer-WM und EM – eigentlich die perfekte Bühne für anderes – zusätzlich vollgestopft und damit wertvolle Aufmerksamkeit abgezogen wird. Das gilt etwa auch für Wimbledon und die Tour de France, zwei absolute Highlights im Sportkalender, die sich zumindest in Teilen mit den Klub-WM-Terminen überschnitten haben.
Nun ist mir klar, dass sich die Entwicklung nicht umkehren lässt. Die Appelle der Klub-Bosse, Trainer und Spieler, die die hohe Zusatzbelastung nach einer ohnehin langen Saison kritisiert haben, werden verhallen. Die Klub-WM wird nicht auf absehbare Zeit zusammengedampt. Zu groß ist der Wirtschaftsfaktor für die Fifa. Es dürfte eher noch schlimmer werden, wenn der Weltverband das nächste Turnier 2029 wirklich nach Saudi-Arabien vergibt. In ein Land, das im ersten Halbjahr 180 Menschen hingerichtet hat.
Für mich steht daher jetzt schon fest: Auch in vier Jahren gibt es im Sommer wieder Fußball-Detox. Auch wenn ich die Regel meiner Mutter damit noch einmal breche.
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