Als "Tiger" Gerland seinen größten Traum wahr werden ließ
Die "Legende" Hermann Gerland, eine der sympathischsten Figuren des deutschen Fußballs, hat das Ende seiner Karriere verkündet. In den fünfzig Jahren auf und am Rande des Platzes hat der Mann aus dem Ruhrgebiet seine besondere "Liebe zum Fußball" stets voll ausgelebt - und sich dabei auch einen großen Traum selbst verwirklicht!
"Viele Menschen reden von den Träumen, die sie verwirklichen wollen. Ich nicht. Ich habe nie von einer Profikarriere geträumt. Ich bin kein Träumer, ich bin ein Arbeiter. Ich habe gearbeitet. Ich habe gehofft. Aber geträumt habe ich nie." Diese Worte von Hermann Gerland beschreiben in kurzen Sätzen sehr gut die einzigartige Karriere des Mannes aus Bochum-Weitmar.
Denn geschenkt wurde Gerland in seiner Laufbahn als Spieler und Trainer nie etwas. Doch sie klingen vielleicht etwas vornehmer, als es der Entdecker und Förderer von Talenten wie Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger oder Didi Hamann noch vor einigen Jahren gesagt hat. Damals meinte er, mit feiner Ruhrpott-Schnauze: "Ich bin froh, dass ich ein Arbeiterkind bin, nach wie vor. Und ich weiß, dass ich beim Kacken die Beine krumm machen muss wie jeder andere auch."
Über sein eigenes Selbstbild hat sich der "Hauptfeldwebel mit Herz" (FAZ) einmal so geäußert: "Ich bin heute noch stolz darauf, wenn gesagt wird: ›Der Gerland, das ist ein Klopper gewesen, ein Treter.‹" Wahrscheinlich rührte Hermann Gerlands später Ruhm auch daher, dass er heutzutage mit seinem Lebensstil schon fast aus der Rolle zu fallen scheint: "Ich bin ein altmodischer Trainer. 32 Jahre mit derselben Frau verheiratet, nicht tätowiert, ohne Ring im Ohr, nicht gepierct."
"Hier will ich auch sterben"
Eigentlich hat der "Tiger" aber auch drei Leben gelebt. Das als Fußballer beim VfL Bochum, jenes als Bundesliga-Trainer und dann die Zeit beim FC Bayern München. Stets seinem alten Motto folgend: "Hätte, wenn und aber, alles nur blödes Gelaber!" Doch eins kann auch die "Eiche" (so nannten ihn seine Mitspieler beim VfL Bochum) nicht abstreiten. Zu all dem wäre es nie gekommen, wenn er einen Spruch aus seinen frühen Jahren hätte wahr werden lassen: "In Bochum bin ich geboren, hier will ich auch sterben. Mehr als 30 Kilometer gehe ich von da nicht weg!"
Ist er ja dann doch, wie man weiß. Die jungen Jahre in seiner alten Heimat im Ruhrgebiet haben Hermann Gerland aber für sein Leben geprägt, wie er selbst einmal erzählte: "Bochum-Weitmar in den späten Fünfziger- und Sechzigerjahren, dort begann mein Leben mit dem Fußball. Es hat mich vom staubigen Hinterhof, in dem wir den Ball auf die Teppichstange kickten, in die berühmtesten Stadien der Welt geführt. Nie hat sie mich verlassen, die Liebe zum Fußball. Vielleicht wird einem das im Pott in die Wiege gelegt. Bei mir war es jedenfalls so."
Der Tiger redet gerne und viel über seine frühen Jahre in Bochum. Diese erste Zeit seiner Karriere beim VfL ist fest in seinem Herzen verankert. Es waren besondere, vollkommen andere Zeiten als heute: "Wenn ein Spieler bei uns vor dem Training in die Kabine kam, dann war es selbstverständlich, dass er die anderen mit Handschlag begrüßt und nicht nur irgendwelche Worte in die Runde geschleudert hat."
"Da müssen Sie blind sein"
Auch nach einer Niederlage, so erinnert sich Gerland, konnten sich alle in die Augen sehen, weil jeder wusste, "der andere hat alles gegeben". Und nach jedem Sieg wurde im Bus oder in der Kabine das Bochumer Jungenlied gesungen. Hatte die Mannschaft verloren, dann spielte sich häufig folgende Szene ab: "Da kam unser Präsident Ottokar Wüst in die Kabine und hat gesagt: 'Männer, ich habe viel Gutes gesehen.' Da habe ich gesagt: ,Da müssen Sie blind sein!'"
Der ständige Abstiegskampf hätte das Team damals irgendwann zermürben müssen, doch das Gegenteil war der Fall. Er schweißte die Spieler zu einer Einheit zusammen: "Wir haben ein paarmal gezittert, sind aber immer dringeblieben. Weil wir eine Mannschaft hatten, die an einem Strang zog - vor allem in die gleiche Richtung!" Damals ging es - ohne TV-Kameras - bei einigen Auswärtspartien ordentlich zur Sache, wie sich Gerland lebhaft erinnert: "Als ich in Kaiserslautern gespielt habe, da flogen dort Fledermäuse durchs Stadion. Und dann stand da ein Linienrichter. Einer von den Lauterern war drei Meter im Abseits, da hat der gewagt, die Fahne zu heben. Aber nur ein Mal. Beim zweiten Mal stand einer sechs Meter abseits. Da hat der Opa mit der Krücke, der schon beim ersten Mal nicht einverstanden war, hinter ihm gesagt: ›Hebst du noch ein Mal die Fahne, Junge, ich hau dir mit der Krücke die Fahne runter!‹ Und das hat er nicht nur gesagt!"
"Das Gute von heute dazutun"
Hermann Gerland ist vielleicht auch deshalb bei den Fußballfans und Funktionären so beliebt, weil er diese alten Zeiten, seine Anfänge als Fußballer stets im Herzen trägt und über sie meint: "Ich will nicht sagen, dass früher alles richtig war und heute alles falsch. Aber umgekehrt eben auch nicht. Man muss das Gute von früher bewahren und das Gute von heute dazutun." Dazu passt eine Geschichte, als er nach vierzehn Jahren als Spieler und Co-Trainer beim VfL Bochum 1986 auf den Posten des Cheftrainers wechselte. Als ihn daraufhin der langjährige Geschäftsführer Otto Stratemeier von einem Tag auf den anderen plötzlich mit "Herr Gerland" anredete, packte sich "Tiger" Hermann ob so viel Förmlichkeit nur an den Kopf: "Otto, sag mal, bist du bescheuert?"
Es war damals der Startschuss zu seinem zweiten Leben: Dem des Trainers. Und gleich zu Beginn legte sich Gerland folgende Devise zurecht: "Als ich Trainer wurde, habe ich mir gesagt: Du darfst ein Spiel verlieren, du darfst auch fünf Spiele verlieren. Aber du darfst nie dein Gesicht verlieren." Das gelang in all den Jahren mal besser, mal schlechter, aber stets blieb sich der Tiger treu. Und dann wurde er, schon im letzten Drittel seiner Karriere, endlich belohnt: Er, der Bochumer Junge im Trikot des FC Bayern, holte als Co-Trainer seine erste Meisterschaft. Für Hermann Gerland war das ein ganz besonderer Tag, damals im Mai 2010.
"Wissen Sie, ich bin ein besessener Fußballer, aber ich hatte noch nie einen Titel gewonnen. Und nun war ich dabei, wenn der renommierteste Verein Deutschlands einen Triumph feiert. Da habe ich an meine Bochumer Zeiten als Profi gedacht, wo Mutter meine Trainingsklamotten waschen musste, und wir Spieler, wir durften uns beim Mittagessen entweder für Suppe oder Nachtisch entscheiden. Da gab es nur entweder oder, beides kriegte keiner. In mir war immer der Wunsch, einmal sagen zu können: Einer aus Bochum war ein bisschen am Gewinn der Deutschen Meisterschaft beteiligt. Und jetzt stand ich da auf dem Balkon und war überwältigt von dem Gefühl: Junge, du hier oben - es hat sich alles gelohnt!"
"Ruhe habe ich später, wenn ich tot bin"
In seinem Bestseller-Buch "Immer auf'm Platz" hat Gerland über diesen Tag auch noch gemeint: "Ich sage immer: 'Meine Frau ist Oma geworden und ich Deutscher Meister'. Am 8. Mai bekamen wir die Meisterschale. Am 15. Mai wurde Paul geboren, unser erstes Enkelkind." Als Hermann Gerland gestern seinen Eintritt in den wohlverdienten Ruhestand verkündete, sagte er: "Ich freue mich, jetzt mehr Zeit für meine Frau und meine Enkelkinder zu haben, die sollen von ihrem Opa noch was haben. Und ganz sicher werde ich dem Fußball verbunden bleiben. In diesem Sinne: Glück auf!"
Das Arbeiterkind aus Bochum-Weitmar hat einmal gemeint: "Bevor man untern Torf kommt, macht man einiges mit im Leben." Aber das sei auch gut so, denn: "Ruhe habe ich später, wenn ich tot bin, noch genug." Man kann deshalb wohl davon ausgehen, dass man auch in Zukunft noch das eine oder andere von Hermann Gerland hören wird. Und das ist auch gut so. Denn der DFB hat völlig Recht, als er in seinem Abschiedsstatement meinte: "Hermann Gerland ist eine Legende im deutschen Fußball." Alles Gute, Tiger (Eiche), und ein herzliches Glück auf aus Bochum!
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