Bei der Frage, welche Schlagzeile sie in diesem Jahr noch lesen möchte, muss Giulia Gwinn nicht lange überlegen: „DFB-Frauen holen Gold – Deutschland ist Europameister!“

Um 21.00 Uhr startet die Nationalmannschaft der Frauen am Freitag gegen Polen in St. Gallen in das Turnier in der Schweiz. Im Fußball-Podcast „Phrasenmäher“ spricht die Kapitänin ausführlich über Ziele, Rituale und Ballermann-Hits in der Kabine.

Frage: Das EM-Finale 2022 gegen England vor 90.000 Fans im Wembley-Stadion war bisher das ­größte Spiel Ihrer Karriere, ging in der Verlängerung 1:2 verloren. Was ist entscheidend, damit es mit Ihrer Wunschschlagzeile klappt?

Giulia Gwinn: Dass wir uns als Mannschaft finden und wieder diese besondere Connection untereinander herstellen. Dieser Spirit war schon ein Riesenschlüssel 2022. Wenn uns das gelingt, mache ich mir keine Sorgen, dass es auf dem Platz nicht funktioniert.

Frage: Lassen Sie sich als Kapitänin an Titeln messen?

Gwinn: Ja, auf jeden Fall. Das ist für mich auch normal im Sport. Ich habe das Glück, mit dem FC Bayern schon einige nationale Titel gewonnen zu haben (viermal Meister, zuletzt das Double; d. Red.), jetzt wollen wir auch international oben aufs Treppchen. 2022 waren wir nah dran, 2024 haben wir bei Olympia Bronze geholt. Jetzt ist es Zeit für Gold und den Titel. Wir haben in Paris im kleinen Finale Spanien geschlagen und waren die beste europäische Mannschaft, das zeigt, was wir leisten können.

Frage: Wie viel Druck empfinden Sie vor dem Turnier?

Gwinn: Ich spüre schon, dass durch das Kapitäninnen-Amt noch mal mehr Verantwortung auf mir lastet. Ich schaffe es aber gut, das in positive Energie umzumünzen. Zum einen bin ich perfektionistisch veranlagt und verspüre Druck hauptsächlich von mir selbst. Zum anderen habe ich so meine Tricks und Rituale, die mir ein gutes Gefühl geben. Ich betrete den Platz zum Beispiel immer mit dem rechten Fuß und küsse dann ein Tattoo am rechten Handgelenk, dort steht der Spruch ,close at heart‘, der für meine Großeltern steht, die leider verstorben sind. Sie sind immer in meinem Herzen und auch im Himmel für mich da.

Frage: 2022 hatten sich die Spielerinnen abgesprochen, sich beim EM-Sieg tätowieren zu lassen. Jetzt auch?

Gwinn: Ich wäre auf jeden Fall dabei! Wenn es um ein Motiv geht, muss das spontan entstehen. Irgendwelche Sprüche oder Lieder gibt es ja immer, die so ein Turnier in einer Mannschaft prägen.

Frage: Sie selbst haben bereits ein Tattoo aus einer legendären Party-Nacht ...

Gwinn: Ja, das ist bei einem Junggesellinnen-Abschied entstanden – vielleicht auch nicht ganz nüchtern (lacht).

Frage: Kling nach dem Hollywood-Film ,Hangover‘...

Gwinn: Ganz so schlimm war es nicht. Die Braut trug eine Mütze mit dem Schriftzug ‚Tutto Bene‘ („alles gut“ auf Italienisch; d. Red.), und alle, die dabei waren, haben sich die Worte dann tätowieren lassen. Als Trauzeugin musste ich das natürlich mit durchziehen. Bei mir steht ‚Tutto bene‘ auf der Achillessehne.

Frage: Die Prämie für den Titelgewinn wurde vom DFB vor dem Turnier auf 120.000 Euro pro Spielerin verdoppelt. Für den Finaleinzug gibt es 90.000, fürs Halbfinale 65.000. Wie hart waren die Verhandlungen?

Gwinn: Ich bin schon länger im Mannschaftsrat, und in der Vergangenheit war es nicht so leicht wie jetzt, da der DFB direkt ein sehr gutes Angebot gemacht hat. Was für uns sprach: Durch die EM konnten wir einen Boom auslösen, der viel für die Sichtbarkeit unseres Sports getan hat. Die neuen Prämien sind so ein bisschen der Trend der Zeit – auch, wenn man sich die Entwicklung der Gehälter ansieht.

Frage: Haben Sie nach der Karriere ausgesorgt?

Gwinn: Ausgesorgt nicht, aber ich kann mich absolut nicht beschweren. Ich bin dankbar, dass ich durch mein liebstes Hobby Geld verdienen darf. Als ich 2015 mit 16 Jahren zum ersten Mal Bundesliga in Freiburg gespielt habe, habe ich lediglich ein paar hundert Euro verdient. Es ist schön zu sehen, wie sich der Frauenfußball auch da entwickelt.

Frage: Jule Brand wechselt nach der EM nach Lyon, verdient 600.000 Euro im Jahr. Würde Sie das Ausland auch reizen?

Gwinn: Momentan fühle ich mich unfassbar wohl beim FC Bayern, weil das Paket stimmt. Mit der Stadt, der Nähe zur Heimat am Bodensee, dem Verein, mit den sportlichen Erfolgen, die wir in den letzten Jahren erreicht haben und noch erreichen wollen. Trotzdem ist es natürlich schon ein Reiz, irgendwann vielleicht eine andere Erfahrung zu machen. In der Zukunft kann ich mir das schon vorstellen.

Prominente und Wegbegleiter stellen Gwinn Fragen

Im Podcast „Phrasenmäher“ beantworten die jeweiligen Gäste immer auch Fragen von Wegbegleitern, die per Sprachnachricht eingespielt werden. So in einer Folge auch die 25-jährige Gwinn.

Ex-Kanzler Olaf Scholz (67) fragt: Wie motiviert man sich als Sportlerin immer wieder neu?

Gwinn: Wow, was für eine Überraschung. Herr Scholz war nach dem EM-Finale auch in der Kabine und hat eine kurze Rede gehalten. Das war leider ein Moment, in dem ich nicht wirklich aufnahmefähig war, weil ich so frustriert und traurig war. Er hat uns 2023 noch mal beim DFB besucht, was mich extrem gefreut hat.

Zur Frage: Ich bin eine Person, die viel Eigenmotivation besitzt. Dazu kommt: Durch meine Verletzungen (zwei Kreuzbandrisse, Anmerkung der Redaktion) habe ich Momente erlebt, in denen mir der Fußball genommen wurde und in denen ich mich wie ein Wrack gefühlt habe. Vor allem die erste Verletzung war absoluter Horror für mich. Die Dankbarkeit, fit zu sein, wurde so noch mal auf ein anderes Level gehoben. Das Allergrößte, was mich motiviert, ist einfach dieses Team. Zusammen erfolgreich zu sein und zu wissen, dass man auf dem Platz nicht allein ist.

DFB-Sportdirektorin Nia Künzer fragt: Wenn du dir eine Spielerin aus der DFB-Geschichte aussuchen kannst, die heute noch mit euch auf dem Platz stehen würde. Wen würdest du nehmen?

Gwinn: Hundertprozentig Birgit Prinz! Sie war die erste Fußballerin, zu der ich aufgeschaut habe, ist eine absolute Legende. Ich würde ihr gern ein paar Flanken auflegen, und sie schießt uns dann zum Titel (lacht).

Bundestrainer Christian Wück fragt: Weißt du eigentlich, dass ich eine sehr prägende Person in deinem Leben schon viel länger kenne als du?

Gwinn: Ja, mein Freund Conni (Ex-Torhüter Constantin Frommann, Anm. d. Red.) hat mehrere Jahre unter Christian Wück in U-Nationalmannschaften gespielt. Ich habe ihn natürlich sofort gelöchert: Wie tickt er so? Was zeichnet ihn aus? Wie ist er auf dem Platz? Conni ist super mit ihm klargekommen. So 16-, 17-jährige Jungs zu handeln – da muss man schon ein Händchen für haben. Das Beste, was er gesagt hat: Christian hat mit dem Sieg bei der U17-WM und U17-EM bewiesen, dass er Titel holen kann. Das ist ein gutes Omen für uns.

Ihre ehemalige Zimmerpartnerin Merle Frohms fragt: Hast du schon zwei neue Engel im Team?

Gwinn: Merle, Sara Doorsoun und ich hatten eine WhatsApp-Gruppe mit unserem Zeugwart, mit dem Titel: „Drei Engel für Stevie“. Es gibt ja immer einen Raum, wo das ganze Equipment steht, und da gibt es eine Kiste, wo nur ein Handtuch drüberliegt und Süßigkeiten drunter versteckt sind. Haribo und Schokolade. Über die WhatsApp-Gruppe konnten wir immer unsere Bestellungen aufgeben (lacht).

Zeugwart Steve Smith fragt: Warum stehst du seit Neuestem so früh auf?

Gwinn: Ich bin von Natur aus kein Frühaufsteher, war immer relativ spät beim Frühstück, bis ich das Buch „Die 1%-Methode“ gelesen habe, in dem es darum geht, mehr aus sich herauszuholen. Dort steht, dass man viel produktiver am Morgen ist, wenn man früh aufsteht. Ich habe es ausprobiert, und es tut mir megagut. Deswegen bin ich inzwischen eine der Ersten beim Frühstück.

Die Schlussfrage kommt von TV-Star und Comedian Matze Knop: Du bist ja großer Ballermann- und auch Schlager-Fan. Welcher Song ist gerade der beste, um Titel zu feiern?

Gwinn: Auf jeden Fall ,Wackelkontakt‘ von Oimara. Als wir mit Bayern das Double gewonnen hatten, gab es auf dem Rathausmarkt sogar eine spezielle Version nur für uns. Ich liebe es sowieso, nach gewonnenen Spielen in der Kabine zu tanzen und zu singen – und hoffe, dass wir das bei der EM bis zum Ende erleben werden.

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