Lennard Kämnas harter Weg zurück
Erinnerungen an jene Sekunden, die vieles veränderten, hat er nicht. Auch nicht an die Minuten und Stunden danach. Es war der 3. April 2024. Radprofi Lennard Kämna hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Etappen bei den drei großen Rundfahrten Tour de France, Giro und Vuelta gewonnen, bereitete sich gerade mit dem Team auf Teneriffa auf seinen Angriff bei der Italien-Rundfahrt vor. Dann beendete ein Unfall diesen Traum. Intensivstation. Lebensgefahr.
Mittlerweile sitzt der 28-Jährige wieder auf dem Rad, hat erste Rennen bestritten, zuletzt am Wochenende bei den Deutschen Meisterschaften. Doch die Verletzungen waren schwer, ein Comeback ungewiss. Der Weg zurück braucht Zeit und Kraft. Sein großer Traum für diese Saison wird unerfüllt bleiben, doch der Bremer ist optimistisch: „Ich bin richtig zufrieden, wie es läuft. Es war ein wahnsinnig harter Wiedereinstieg für mich.“ Der frühere Junioren-Weltmeister ist mittendrin in seinem Kampf zurück zu alter Stärke.
Der Unfall an jenem Frühlingstag war nach Angaben des deutschen Rennstalls Bora-hansgrohe geschehen, als ein entgegenkommendes Fahrzeug beim Abbiegen Kämna die Vorfahrt nahm. Bei der Kollision zog sich der Radprofi unter anderem ein schweres Thoraxtrauma mit Rippenfrakturen und eine Lungenprellung zu. Bis der Rettungswagen oben auf dem Berg ankam, dauerte es lange. Drei Tage lag Kämna anschließend auf der Intensivstation, knapp vier Wochen insgesamt im Krankenhaus auf der Insel.
Psychologische Hilfe und Teamwechsel
„Es war keine einfache Zeit in der Universitätsklinik auf Teneriffa“, sagte er damals, als er das Krankenhaus verlassen und zur Reha nach Hamburg fliegen konnte. „Aber ich bin dem Ärzteteam und den Pflegern sehr dankbar für das, was sie in den vergangenen Wochen hier für mich geleistet haben. Ich bin überglücklich, dass heute der erste Schritt meiner Genesung abgeschlossen ist.“
Die körperlichen Wunden heilten, aber auch mental hatte der schwere Unfall bei Kämna Spuren hinterlassen. Er nahm sich psychologische Hilfe. „Im Training achte ich jetzt viel mehr auf den Straßenverkehr und schaue den Autofahrern in die Augen, um zu erkennen, ob sie mich wirklich sehen“, sagte er kürzlich der „Sport Bild“ und ergänzte mit Blick auf die Rennen: „Es dauert, bis man wieder mit der nötigen Selbstverständlichkeit und dem richtigen Selbstbewusstsein in die Positionskämpfe geht.“
Kämna verließ Bora-hansgrohe in Richtung Lidl-Trek und gab im März schließlich im Trikot seines neuen Arbeitgebers sein Comeback. Bei dem amerikanischen Rennstall hat er einen Vertrag bis 2027. Zuletzt holte Kämna den sechsten Gesamtrang bei der Tour de Suisse, bevor er vergangenes Wochenende bei den Deutschen Meisterschaften antrat. „Die ersten Rennen waren alles andere als ein Kinderspiel“, sagte der 28-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Bei den Meisterschaften in der Pfalz wurde er Dritter im Zeitfahren und Vierter im Straßenrennen. Das Ringen um den nationalen Titel sei „eine der höchsten Belastungen des ganzen Jahres“, befand er.
Tour de France ohne Kämna
Seine große Hoffnung während des Wiederaufbaus und der Saisonvorbereitung war die Teilnahme an der Frankreich-Rundfahrt. „Mein großes Ziel ist die Tour de France“, hatte Kämna gesagt. „Dort möchte ich dabei sein. Das ist meine Motivation.“
Doch wenn die prestigeträchtige Rundfahrt nun am Samstag in Lille beginnt, wird er fehlen – nominiert wurde er von seinem Team nicht. Mittlerweile ist auch die letzte kleine Resthoffnung dahin. „Es ist durch. Ich denke nicht, dass es zur Tour geht“, sagte er bei den Deutschen Meisterschaften.
Angesichts all dessen, was hinter ihm liegt, kann Kämna aber gut damit umgehen. Es sei bis vor zwei, drei Monaten überhaupt nicht klar gewesen, „ob ich überhaupt zurückkomme“, sagt er. „Von daher bin ich einfach nur happy, dass es überhaupt geht.“ Für Kämna heißt es nun ab dem 9. Juli erst mal: Österreich- statt Frankreich-Rundfahrt und weiter daran arbeiten, zu alter Stärke zurückzufinden.
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