Fritz von Thurn und Taxis begann seine Karriere 1971 beim Bayerischen Rundfunk, wo er sowohl im Fernsehen als auch im Hörfunk als Sportreporter und Kommentator tätig war. Er berichtete über zahlreiche Großereignisse wie Olympische Spiele sowie Fußball-, Ski- und Eishockey-Weltmeisterschaften und moderierte bekannte Sportsendungen wie die „Sportschau“ in der ARD. Besonders für seine emotionalen und markanten Live-Reportagen wurde er schnell zur Kultfigur unter den Sportfans.

1993 wechselte Thurn und Taxis als Chefkommentator zum Pay-TV-Sender Premiere (später Sky), wo er bis zu seinem Karriereende 2017 die Fußball-Bundesliga und weitere Top-Events kommentierte. Seine letzte Live-Reportage war das DFB-Pokalfinale 2017. Seit seinem offiziellen Rückzug tritt er gelegentlich als Experte und Gastkommentator auf und engagierte sich in der Nachwuchsförderung von Sportreportern. Sonntag wird von Thurn und Taxis 75 Jahre alt.

Frage: Herr von Thurn und Taxis, Ihr „Huiuiuiuiuiui“ in Ihren Fußball-Kommentaren ist vielen Fans bis heute im Ohr. Rutscht das daheim auf der Couch auch mal raus?

Fritz von Thurn und Taxis: Ehrlich gesagt bin ich daheim ein sehr ruhiger Zuschauer – nichts mit Huihuihui (lacht). Meist schaue ich allein, um mich voll auf das Spiel konzentrieren zu können. Manchmal guckt meine Frau mit, aber wenn es zu aufregend wird, geht sie lieber raus. Ich habe auf meinem Sky-Decoder und DAZN. Dort schaue ich mir meistens die Bayern-Partien an.

Frage: Wie bewerten Sie die Saison des FC Bayern?

Von Thurn und Taxis: Da gebe ich Dietmar Hamann recht: Sie wurden zwar Deutscher Meister, aber haben häufig nicht gut gespielt. Sie haben eine Reihe von Einzelspielern mit hoher Qualität, aber das Ganze als Mannschaft nicht so orchestriert, wie es nötig wäre. Daher sind sie gescheitert, als es in der Champions League wichtig wurde.

Frage: Geben Sie Ihr Wissen an die nächste Kommentatoren-Generation weiter?

Von Thurn und Taxis: Uwe König, Chef von Sky Sport Austria, hat mich gebeten, seine Kommentatoren immer wieder mal zu coachen und vor allem auf die Basics, also das Wesentliche eines Kommentars, zu achten. Viele haben ein großes Wissen und verstehen auch das Spiel, tun sich aber oft schwer, Informationen und Wertungen zu dosieren und zum richtigen Zeitpunkt zu setzen.

Frage: Was sind die Fehler, die häufig gemacht werden?

Von Thurn und Taxis: Fast alle Kommentatoren, die ich kenne, bereiten sich sehr intensiv und seriös auf ihren Einsatz vor und haben daher eine Menge an Statistik, Informationen und Geschichten auf Lager. Das ist gut, heißt aber nicht, dass alles erzählt werden muss. Im Gegenteil: Je besser das Spiel, siehe zuletzt das 5:4 der Spanier gegen Frankreich in der Nations League, desto weniger sollte gesprochen werden. Das Geschehen spricht doch für sich.

Frage: Kribbelt es bei solchen Spielen manchmal, und Sie hätten es gern kommentiert?

Von Thurn und Taxis: Ich habe so viele Spiele kommentiert, aber von der Qualität wie das 5:4 in der Nations League vielleicht ein gutes Dutzend. Da kommt mir sofort ein 4:4 aus dem Jahr 2012 zwischen Klopps Dortmundern und dem VfB Stuttgart mit Bruno Labbadia in den Sinn. Freitagabend, 80.000 Zuschauer, Flutlicht, mit außergewöhnlichen Wendungen. In der zweiten Hälfte herrschte die blanke Anarchie auf dem Feld. Unvergessen.

Frage: Wie sieht Ihre Schulung aus?

Von Thurn und Taxis: Ich setze mich mit dem Kollegen an den Monitor. Wir schauen uns das Spiel an und bewerten den Kommentar Szene für Szene. Da geht es zum Beispiel darum, wann sage ich etwas – und wann auf gar keinen Fall. Geschichten müssen kurz und knackig erzählt werden. Ansonsten verlässt der Kommentator das Spiel, schwebt über dem Stadion. Plötzlich gibt es eine Gelbe Karte, er muss abbrechen und geht wieder runter. Dann geht die Geschichte weiter. Es gibt eine Torchance, er muss wieder abbrechen. Der Kommentator ist also viel zu weit weg vom Spiel. Das macht den Zuschauer wahnsinnig.

Frage: Worauf muss man noch achten?

Von Thurn und Taxis: Es geht im Grunde um die Bild-Text-Schere. Wenn die immer weiter aufgeht, weil ständig am Bild vorbei gesprochen wird, werden die Zuschauer nervös, ungeduldig, ärgern sich und hören nicht mehr zu.

Frage: Früher gab es weniger Fußball-Übertragungen und dementsprechend weniger Kommentatoren. Erkennen Sie noch die Kollegen an der Stimme?

Von Thurn und Taxis: Das wird schwieriger. Früher gab es vielleicht je drei, vier bei ARD und ZDF. Dann kam das Privatfernsehen und mittlerweile sind es heute über alle Sender mehr als 60 Kommentatoren. Die Zuschauer wissen oft gar nicht, wer da spricht. Selbst bei guten Leuten. Daher ist es wichtig, einen eigenen Stil zu entwickeln, seine Persönlichkeit, wenn es denn eine gibt, mit einzubringen – über Stimme, Diktion und Duktus, also den eigenen Sprachstil. Dann bleibt man nicht beliebig. Der Wiedererkennungswert wird größer, und im besten Fall wirst du unverwechselbar. Das schaffen leider nur wenige.

Frage: Taktik-Analysen nehmen immer mehr Platz ein.

Von Thurn und Taxis: In meinen letzten Jahren bei Sky hat der Trend begonnen. Ich finde, ein Kommentar sollte keine Taktikschulung sein. Dafür sind Experten da. Taktik- und Systemfragen müssen angesprochen werden, aber das darf nicht überhandnehmen. Ich denke, die Mischung macht es aus. Von jedem ein bisschen: Taktik, System, aber auch Unterhaltsames und auch mal eine andere Art der Wahrnehmung. Das war immer mein Credo bis zum Schluss.

Frage: Co-Kommentatoren sind inzwischen die Regel. Was halten Sie davon?

Von Thurn und Taxis: Der Kommentator ist der Chef und muss wissen, wie er seinen Co-Kommentator führt. Das löst zum Beispiel Uli Hebel bei DAZN mit Michael Ballack in hervorragender Weise. Der Experte muss sich schon unterordnen, weil es zu zweit sonst komplizierter wird. Die beiden müssen sich instinktiv verstehen, damit es nicht zu viel für den Zuschauer wird.

Frage: Wem hören Sie gern zu?

Von Thurn und Taxis: Im ZDF habe ich kürzlich beim Pokalfinale Gari Paubandt gehört. Das wird sicherlich ein Mann für die nächsten Jahre im ZDF sein. Hier und da gibt es sicher Dinge, an denen er noch arbeiten kann, aber er gefällt mir. Bei DAZN höre ich Uli Hebel gern, mit dem ich schon lange zusammenarbeite.

Frage: Sie reisten in Ihrer Karriere quer durch Deutschland. Kamen Sie irgendwann zu spät zu einem Kommentatoren-Einsatz?

Von Thurn und Taxis: Noch heute habe ich manchmal Albträume, dass ich irgendwo feststecke und zu spät komme. Vor einem Einsatz für Premiere gingen die Flugzeuge von München wegen Schnees lange nicht raus. Irgendwann schaffte ich es dann doch noch nach Frankfurt, wo mich jemand abholen sollte, aber in der Parkgarage statt am Ausgang stand. So verzögerte sich alles weiter, und ich kam zu spät in Kaiserslautern an. Da sprang der Redakteur ein und hat es gut gemacht.

Frage: Mit Mats Hummels wechselt ein weiterer Weltmeister von 2014 ins TV-Geschäft. Was trauen Sie ihm zu?

Von Thurn und Taxis: Alles. Wenn er, wie gesagt, gut geführt wird. Ich fand schon seinen Bruder Jonas in dieser Rolle sehr gut.

Frage: Wird Thomas Müller der nächste TV-Experte?

Von Thurn und Taxis: Der bringt natürlich auch alles mit. Ich bin mir aber nicht sicher, ob er nicht andere Aufgaben übernehmen will.

Frage: Aktuell läuft die neue Klub-WM, ein weiterer Wettbewerb, den es früher nicht gab. Was halten Sie von der Masse der Spiele – auch im TV?

Von Thurn und Taxis: Es ist schon wirklich viel geworden. Immer mehr klagen, dass die Spieler überfordert sind, und die Verletzungen zunehmen. Jeder Zweikampf ist heute gefährlich, mit dieser Stempelei auf die Füße am Boden und die Ellenbogen im Luftduell. Alles ist so intensiv, dass man als Zuschauer hofft, dass der Notarztwagen bereitsteht. Daher haben die Mannschaften jetzt diese Riesenkader, um das zu stemmen. Ich erinnere mich noch an die 70er, als Udo Lattek mit Bayern Meister wurde und eigentlich nur 13 Spieler regelmäßig zum Einsatz kamen. Das war damals auch ein ganz anderer Sport, weniger dynamisch und schnell. Sonst wäre das nicht möglich gewesen. Paul Breitner war der Erste, der als Linksverteidiger die Linie rauf- und runtermarschierte – obwohl er Raucher war. Die Profis sagen gern: Wir spielen lieber, als dass wir trainieren. Die Bayern haben damals auch 50 Spiele pro Jahr gemacht, weil der Klub so klamm war und die Mannschaft so teuer, dass sie sehr viele Freundschaftsspiele absolvieren mussten, um Geld einzunehmen. Da lief Manager Robert Schwan mit den Scheinen in der Aldi-Tüte im Flugzeug herum und verteilte das Geld.

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