Clash der Superligen? Aggressive NBA-Pläne schrecken Europa auf
NBA-Commissioner Adam Silver bestätigt während der Finalserie, dass die NBA in Europas Metropolen ein eigenes Produkt auf die Beine stellen wird. Währenddessen expandiert die EuroLeague. Ein Clash der Visionen scheint unausweichlich.
Es ist Ende Mai, die vier besten Teams der EuroLeague kämpfen um die Krone im wichtigsten europäischen Klub-Wettbewerb. Allerdings nicht in Belgrad, Barcelona, Berlin oder Paris - sondern in der Etihad Arena in Abu Dhabi, Hauptstadt der Vereinigen Arabischen Emirate. Es ist das erste Mal, dass so ein Basketball-Event im Mittleren Osten stattfindet. Dass sich Fenerbahçe Istanbul im Finale gegen die AS Monaco durchsetzt und nach 2017 den zweiten kontinentalen Titel der Klub-Historie einfährt, gerät angesichts des Rückvorhangs fast zur Nebensache.
Der Mittlere Osten ist nicht für seine reiche Basketball-Kultur bekannt. Dennoch war das Austragungsrecht des Mini-Turniers der selbsternannten "globalen Kultur-Hauptstadt" Abu Dhabi um die 50 Millionen US-Dollar wert. Als die Tickets fürs Final Four Ende Februar in den Verkauf gingen, waren alle ausnahmslos in weniger als sieben Stunden vergriffen. Das lokale Interesse an internationalem Spitzensport ist gewaltig, die lukrativsten Sportarten der Welt, wie Fußball, Formel 1 und MMA, haben trotz anfänglicher Skepsis längst in der Region Fuß gefasst.
Auch Basketball ist hier mittlerweile etabliert, egal ob jährliche Preseason-Partien der NBA oder kommende Großturniere wie die FIBA-Weltmeisterschaft 2027 in Katar. Weil der Deal mit Abu Dhabi weitaus mehr als die ursprünglich geplanten Einnahmen in die Kassen spülte, verlängerte sich der Joint-Venture-Vertrag zwischen der EuroLeague und der einflussreichen Marketing-Agentur IMG automatisch um weitere zehn Jahre, bis 2036.
NBA will eigene Europa-Liga
Bis dahin wird die beste, mächtigste und einflussreichste Basketball-Liga der Welt längst ihr eigenes Produkt an den Start gebracht haben. NBA-Boss Adam Silver sprach während der laufenden NBA-Finals zwischen Oklahoma City und Indiana über seine Pläne für Europa. "Es wird vermutlich noch ein paar Jahre dauern, bis wir loslegen, denn es ist ein enormes Projekt, das viel Arbeit erfordert. Allerdings sind wir auf einer neuen Stufe der Planungen angekommen, tauschen uns mit existierenden Ligen, Teams, Spielern, Medien und Marketing-Partnern aus."
Das aus den 30 Besitzern bestehende NBA Board of Governors wird im Juli während der jährlichen Tagungen in Las Vegas weitere Schritte eruieren. Spätestens rund um die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles wollen der Commissioner & Co. mit dem neuen Wettbewerb loslegen. Silver und FIBA-Generalsekretär Andreas Zagklis ließen bereits im März verkünden, dass eine neue Liga mit 16 Teams in der Mache ist - eine nach Jahren und Jahrzehnten der Überlegungen endlich handfeste, öffentliche Bekanntgabe.
Gespräche mit der EuroLeague und einigen ihrer Traditionsteams schreiten voran, vor allem in den großen Städten und Märkten Europas scheint reges Interesse zu bestehen. Das bestätigte auch der Geschäftsführer der NBA in Europa und dem Mittleren Osten, George Aivazoglou: "Madrid und Barcelona in Spanien; London und Manchester in England; Paris und Lyon in Frankreich; Milan und Rom in Italien: München, Frankfurt und Berlin in Deutschland ... An diesen Städten sind wir interessiert. Städte und Teams haben drei Szenarien, unserer Liga beizutreten. Erstens: Klubs die uns freiwillig beitreten wollen. Zweitens: Fußball-Klubs ohne Basketball-Abteilung, die eine gründen wollen. Und drittens: komplett neu gegründete Klubs. Wir möchten eine Liga, die europäischen Standards folgt, Traditionen respektiert, leidenschaftliche Fans, einen europäischen Spielstil."
Berichten zufolge könnten Klubs in Großmärkten wie London und Paris mindestens 500 Millionen Euro wert sein. Private-Equity-Fonds, Staatsfonds und Investoren mit tiefen Taschen wären wohl interessiert. Die NBA schätzt mögliche Einnahmen in Europa und im Mittleren Osten auf mehr als drei Milliarden US-Dollar jährlich. Der Boss sieht eine Liga in Europa "als de facto Expansion für uns. Die meisten unserer internationalen MVPs kommen aus Europa. Der Basketball dort ist auf höchstem Niveau. Aber wir glauben, dass Fans dort besser bedient werden könnten als bisher. Unsere Meinung ist weiterhin, dass es eine enorme Anzahl von unterversorgten Basketball-Fans in Europa gibt, und eine neue Liga im Stile der NBA dort eine große Chance hätte."
EuroLeague: neue Teams, alte Sorgen
Das sehen die Protagonisten der seit der Abspaltung von der FIBA vor 25 Jahren gegründeten, zweitbesten Liga der Welt natürlich anders. EuroLeague-CEO Paulius Motiejunas hält eine neue Liga in Europa für "eine schreckliche Idee. Das würde einfach nicht funktionieren. Eine neue Liga würde Fans verwirren, Talent verwässern und kommerzielle Chancen eliminieren. Das wäre für alle schlecht, auch für NBA und FIBA." Gleichzeitig betont Motiejunas, dass die EuroLeague einer möglichen Kollaboration gegenüber nicht abgeneigt wäre. "Sportlich war es die beste Saison, die wir je hatten. Auch außerhalb des Parketts erlebten wir unglaubliches Wachstum und Rekordzahlen ... bei den Zuschauern, in den Arenen, auf allen digitalen Plattformen. Die EuroLeague hat eine neue Dimension erreicht. Unser Fokus liegt darauf, die richtigen Partner zu finden, um unser Produkt zu stärken. Wenn jemand dazu beitragen möchte, ist er gerne willkommen."
Die beste Basketball-Liga Europas beschloss vor wenigen Wochen, ihr Format auszuweiten - auf künftig 20 statt wie bisher 18 Teams. Beginnend mit der Saison 2025/26 werden Valencia und Dubai BC sowie EuroCup-Sieger Hapoel Tel Aviv hinzustoßen, während Alba Berlin nach 24 Jahren austritt und künftig in der Champions League antreten wird. Die EuroLeague-Expansion ist die erste in einer antizipierten Reihe von Veränderungen, auf erwartete 24 Mannschaften und ein Conference-System in naher Zukunft.
Auch der Präsident von Partizan Belgrad, Ostoja Mijailovic, lehnt eine neue Liga - repräsentativ für viele seiner Kollegen - kategorisch ab: "Wir haben ein Alleinstellungsmerkmal in der Welt des Basketballs, eine besondere Fankultur. Klubs wie Partizan, Roter Stern Belgrad, Zalgiris, Panathinaikos oder Olympiakos sind in diesem Sinne unerreicht. Unser größtes Problem hier ist das Fehlen von TV-Rechten, das ist die Haupteinnahmequelle aller NBA-Teams. Wir sollten das Business-Modell kopieren und ihren Rat befolgen, um als Sport genauso profitabel zu werden wie in den USA. Aber wir müssen unseren Basketball hier eigenständig managen."
Ein Anstieg auf 20 Mannschaften bedeutet auch eine Erhöhung auf 38 Partien in der regulären Saison, statt wie bisher 34. Ob mehr - Teams, Spiele, Präsenz - auch direkt mehr Qualität bedeutet, bleibt fraglich. "Teams werden vor allem in den heimischen Ligen leiden. Aber du kannst unmöglich beide Seiten bedienen", sagt der ehemalige Cheftrainer von Brose Bamberg und Bayern München, Andrea Trinchieri, der heute Zalgiris Kaunas coacht. "Die Ligen bleiben irgendwie auf der Strecke, aber EuroLeague und NBA sind eben die besten Produkte. Ich verstehe, dass die EuroLeague angesichts der Veränderungen in der Basketball-Community und durch den NBA-Push etwas tun muss."
Spitzen-Basketball am Scheideweg
Mittlerweile stammt jeder sechste Spieler in der NBA aus Europa, darunter die derzeit Besten der Besten. Megastars wie Nikola Jokic (Serbien; Denver Nuggets), Giannis Antetokounmpo (Griechenland; Milwaukee Bucks), Luka Doncic (Slowenien; Los Angeles Lakers) und Victor Wembanyama (Frankreich; San Antonio Spurs) räumen reihenweise Trophäen ab und zählen zu den unangefochtenen Lieblingen der Fans. Acht Spieler aus Europa wurden in den vergangenen fünf Jahren in der Top-Ten gedraftet - darunter auch der gebürtige Berliner Franz Wagner. "Europa bringt weiterhin mit die besten Spieler der Welt hervor, aber die kommerziellen Erfolge passen nicht zum Wachstum unseres Spiels", betont Silver immer wieder.
Silver wünscht sich ein Amalgam aus NBA und FIBA. Ein Spiel soll weiter 40 Minuten anstatt 48 wie in Amerika dauern. Gleichzeitig würde er Teams in Städten mit hochmodernen Arenen nach US-Vorbild bevorzugen, dazu maßgeschneiderte Medienpartner, die das Produkt mehrsprachig und international transportieren können. Die EuroLeague-Vertreter hingegen wünschen sich eine Fortsetzung der aktuellen Verhältnisse und volle Kontrolle, wenngleich mit vehementer finanzieller Unterstützung der NBA in Sachen Marketing und Bildrechten.
Prallen unterschiedliche Visionen unvereinbar aufeinander? Dass die NBA in Bälde eine eigene europäische Liga anstoßen wird, ist sicher. Wie und wann genau diese Pläne Realität werden, erscheint noch neblig. Bei aller Kritik an geplanten Änderungen - und sicher auch Angst vor der eigenen Irrelevanz: Auch die größten und erfolgreichsten EuroLeague-Teams sind sich möglicher finanzieller Vorteile der Zusammenarbeit bewusst.
Ex -Superstar Pau Gasol, der zwei NBA-Titel und WM-Gold gewann, sprach sich vor wenigen Tagen für eine nachhaltige Korrektur des europäischen Basketballs aus. "Ich sehe die Initiative, unseren Sport zu verbessern und zu kultivieren. Das europäische Modell muss sich weiterentwickeln. Es ist wirtschaftlich nicht zukunftsfähig, und viele Teams verlieren Geld. Eine der Hauptprioritäten der FIBA ist, Basketball zu regulieren und zu beschützen. Wir brauchen langfristige Projekte. Im Moment ist alles nur kurzfristig gedacht, es fehlt an Kontinuität."
Aris Barkas, einer der renommiertesten Basketball-Journalisten des Kontinents, sieht eine Kooperation als einzig produktives Szenario: "Es ist verrückt, wenn man sich vorstellt, dass wir zwei konkurrierende europäische Top-Ligen haben könnten. Das macht keinen Sinn, und würde nicht lange gutgehen. Ich hoffe, wir können das vermeiden, und dass der gesunde Menschenverstand triumphiert." Die Kommerzialisierung des Spiels schreitet unaufhaltsam voran - egal, zu welchem Preis. Und egal, welche Lösung schließlich gefunden wird: Der Charakter des zweitpopulärsten Spiels der Welt steht vor einschneidenden Veränderungen.
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