DFB-Trainer Wück legt sich vor EM aufs Risiko fest
Die Fußball-Europameisterschaft steht an - und die DFB-Frauen gehen einen ungewöhnlichen Weg. Nach dem Urlaub folgen nur noch Trainingslager, ein Testspiel schließt Bundestrainer Christian Wück aus. Das ist aus gleich mehreren Gründen ein Wagnis.
Ob elegant im schwarzen Abendkleid oder auf einem Boot im Bikini: Die Fußball-Nationalspielerinnen genießen ihre Urlaube - und schicken fleißig Fotos via Instagram an ihre Fans. Es ist die Ruhe vor dem Sturm, in sieben Tagen müssen die 23 Spielerinnen um Kapitänin Giulia Gwinn in Herzogenaurach sein. Dann startet die Vorbereitung auf die Europameisterschaft in der Schweiz (2. bis 27. Juli).
Seit vier Wochen ist die Bundesliga-Saison beendet, doch der Schein des langen Urlaubs trügt. Zeit durchzuschnaufen hatten die Nationalspielerinnen im Anschluss nämlich nicht. Am 30. Mai und am 3. Juni standen noch Spiele in der Nations League auf dem Plan. Gegen die Niederlande (4:0) und gegen Österreich (6:0) konnte das Team von Bundestrainer Christian Wück die Fans mit vielen Toren und souveränen Siegen überzeugen.
Erst danach konnte der Abflug in die Sonne folgen. 16 Tage Pause - und süßes Nichtstun? Kaum vorstellbar, schließlich sind sie allesamt Profis. Und für 22 von ihnen - einzig Sara Däbritz war schon 2013 beim letzten EM-Triumph der deutschen Frauen dabei - geht es um den ersten internationalen Titel. Elf von ihnen waren vor vier Jahren im Endspiel an England gescheitert. Das dürfte bei Weitem genug Motivation sein, sich aktuell nicht nur von Aperol Spritz und Tapas zu ernähren und den ganzen Tag an den Pool zu legen.
Die meisten Teams haben noch Testspiele
Dennoch scheint Wück etwas besorgt um die Fitness der Frauen. Sein Plan für den Auftakt in Herzogenaurach: "Wir werden in den ersten Tagen versuchen, sie auf ein Level zu bekommen, da ist Julius Balsmeier im Lead." Balsmeier ist der Fitnesstrainer des DFB-Teams. Er stehe im engen Austausch mit den Spielerinnen wegen der Fitnesspläne. Wück weiter: "Um dann nach drei, vier Tagen mit den taktischen Trainingseinheiten beginnen können."
Was gar nicht auf dem Plan steht: ein Testspiel. Kein offizielles, aber auch kein internes gegen ein örtliches Jugendteam, wie es dies etwa noch vor der WM 2023 in Australien gegeben hatte. Die Entscheidung ist mit dem Team abgestimmt, die Trainingszeit soll intensiv genutzt werden, teilt eine DFB-Sprecherin auf ntv.de-Anfrage mit. Dort werden Elf-gegen-Elf-Spiele stattfinden, in denen Taktiken einstudiert werden können.
Dennoch geht Wück damit ins Wagnis. Abläufe und der Wettbewerbscharakter rund um ein Spiel können nicht ausprobiert, höchstens simuliert, werden. Ob eine Taktik wirklich fruchtet, ist innerhalb des 23er-Kaders nicht vollends belastbar - zumal das gegnerische Team immer weiß, was die andere Seite ungefähr vorhat. Angesichts dessen, dass Wück seit seinem Amtsantritt 33 Spielerinnen ausprobierte, einen Umbruch im Team einleitete, auf verletzte Stammspielerinnen verzichten muss und noch keine drei Spiele mit derselben Startformation in Folge absolvierte, ist das eine verblüffende Entscheidung.
Die Titelverteidigerinnen aus England testen noch gegen Jamaika, die Französinnen haben sich Brasilien als ultimativen Test eingeladen und laufen dazu gegen Belgien auf, die Spanierinnen treffen auf das Topteam Japan, die Niederlande spielen gegen Finnland. Neben Deutschland haben bislang lediglich Italien, Portugal, Wales und Gruppengegner Dänemark kein Spiel mehr vor dem Turnier geplant. Für Deutschland geht es am 4. Juli gegen Polen los - ein Sieg ist Pflicht.
Es scheint auch aufgrund der Unbeständigkeit der DFB-Elf eine ungewöhnliche Entscheidung. Denn die beiden zurückliegenden Spiele endeten zwar mit deutlichen Siegen - aber auch hier hatte Wück noch Kritik geäußert. Fehlpässe hätten leicht zu Gegentoren führen können, die angriffslustige Offensive verschleiert die schwächer ausgeprägte Defensive. Individuelle Fehler waren es, die das Team in der Anfangsphase gegen Österreich mehrfach in die Bredouille brachten. "Jetzt müssen wir an Feinheiten in der Taktik und im individuellen Verhalten arbeiten", sagte Wück daher bei der Nominierung.
Erstes Turnier für Wück
Vor den Kantersiegen zuletzt war die Amtszeit von Wück, der erst seit dem Herbst Bundestrainer ist, von Hochs und Tiefs geprägt. Auf eine tolle Premiere mit einem 4:3-Sieg im Wembley-Stadion gegen die amtierenden Europameisterinnen aus England waren maue Spiele mit vor allem schlechten ersten Halbzeiten gefolgt. Auch Wück hatte moniert: "In meiner idealen Traumwelt wären wir schon ein bisschen weiter. Ich habe mir das etwas einfacher vorgestellt."
Für ihn ist die EM genauso eine Premiere wie für sieben Turnierneulinge in seinem Kader. Wück ist zwar bereits Europa- und sogar Weltmeister - aber mit den Jungs der U17. Zum ersten Mal trainiert er ein Erwachsenenteam, zum ersten Mal ein Frauenteam - und dann gleich das größte, das es in Deutschland geben kann. Seine Berufung war durchaus überraschend. Wie er unter der stetig steigenden Aufmerksamkeit bei einem Turnier agieren wird, muss auch der 52-Jährige selbst noch herausfinden.
Die ersten Hürden hat er bereits hinter sich gebracht. Die kommunikativen Probleme rund um die Personalie Lena Oberdorf und die Kritik der beiden nicht berücksichtigten Felicitas Rauch und Nicole Anyomi sind erst einmal abgehakt. Sein nun berufener Kader bietet keine Überraschungen mehr, ist nach dem Umbruch seit der Olympia-Bronzemedaille eine Zusammenstellung aus Erfahrung und Zukunft.
Doch der Druck wird in den kommenden Wochen zunehmen, Wück bekennt schließlich selbst, "dass wir von den Engländerinnen, Spanierinnen, Französinnen als Mitfavorit gesehen werden". Und das erwartet der DFB auch von seinem Team. Sportdirektorin Nia Künzer sagte selbstbewusst: "Ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Kader eine erfolgreiche EM spielen werden. Ich starte in das Turnier mit dem Zielbild Titel."
Ob Bikini oder Abendkleid - das Lieblingsoutfit steht fest: Goldmedaillen um den Hals, den Pokal in den Händen. Am 27. Juli in Basel.
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