Die französischen Nationalspieler feierten noch länger mit ihren Fans, die meisten deutschen Zuschauer waren nach einer Ehrenrunde ihrer Mannschaft recht schnell raus aus dem Stuttgarter Stadion. Rund um die Fußball-Nationalelf herrschte Sonntagnachmittag nach dem 0:2 (0:1) gegen Frankreich im Spiel um Platz drei der Nations League Enttäuschung.

Das Final Four war nach der EM 2024 (Deutschland schied im Viertelfinale gegen Spanien aus) das zweite Turnier in Deutschland innerhalb eines Jahres – und wieder war die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) weit weg vom Titel. Nur Platz vier. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus bemängelte nach der Niederlage bei RTL zu Recht: Eine gute Halbzeit in zwei Spielen ist zu wenig. Zwei Partien, zwei Niederlagen, ein Tor, vier Gegentreffer. Dabei sollte das Final Four viel Schwung für das Jahr bis zur WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko bringen.

Für Bundestrainer Julian Nagelsmann beginnt der Sommer stattdessen enttäuschend. Seine Mannschaft hatte gegen Frankreich viele Torchancen und zeigte sich im Vergleich zum Halbfinale spielerisch zunächst verbessert. Und doch fehlen ihr neben den verletzten Leistungsträgern um Antonio Rüdiger, Jamal Musiala und Kai Havertz derzeit Cleverness und Effizienz.

Obwohl Frankreich das Spiel um Platz drei nicht übermäßig wichtig war, siegte das Team von Trainer Didier Deschamps. Deutschlands Kapitän Joshua Kimmich sagte nach dem Abpfiff: „Wenn man sich die erste Halbzeit anschaut und man ehrlich ist: Die Franzosen hatten zu Anfang gar keinen Bock zu gewinnen – und gewinnen dann trotzdem.“ Welch treffendes und bitteres Resümee.

Kimmich sagte bei RTL zudem: „Gerade, wenn man die erste Halbzeit sieht, müssen wir nach sechs Minuten 3:0 führen. Dann gehen wir unglücklich in die Pause.“ Der Star des FC Bayern fand deutliche Worte: „Wir haben zu früh die Geduld verloren und die Struktur verloren. Wir haben einen Konter nach dem nächsten gefangen. Wir haben zu viele Fehler gemacht. Für die Franzosen war es ein perfektes Spiel.“

Für seine Nationalmannschaft sind es die ersten zwei Niederlagen in Folge seit Ende 2023. „Die Gegner sind nicht vergleichbar. Damals haben wir gegen Österreich und die Türkei verloren – bei allem Respekt“, so der Profi. „Wir wollten eine Reaktion zeigen. Wir müssen früh führen, dann haben wir einen anderen Nachmittag.“

Nagelsmann hat mit Blick auf die WM 2026 noch Zeit, die Trendwende zu schaffen. Doch es dauert bis September, bis er seine Mannschaft wiedersieht. In der WM-Qualifikation geht es für sie gegen die Slowakei, Nordirland und Luxemburg.

Im Final Four brachten zwei Spielsysteme keinen Sieg: Im Halbfinale gegen Portugal (1:2) setzte Nagelsmann defensiv auf eine Dreierkette, der 40-jährige Cristiano Ronaldo schoss den Siegtreffer für die Portugiesen. Gegen Frankreich kehrte Nagelsmann zur Viererkette zurück, Verteidiger Robin Koch leitete mit einem Fehler das 0:2 der Franzosen sein.

Nagelsmann regte sich nach dem Spiel um Platz drei aber vor allem über das Verhalten von Schiedsrichter Ivan Kruzliak auf. „Es ist ein Regelverstoß vom Schiedsrichter. Er steht zwei Meter daneben und beurteilt die Szene als kein Foul. Dann geht er raus und guckt sechs Minuten Video. Das ist Themaverfehlung“, wetterte der 37-jährige Bundestrainer.

Er sprach über einen Zweikampf zwischen Stürmer Niclas Füllkrug und dem Franzosen Adrien Rabiot. In der Folge erzielte Angreifer Deniz Undav das 1:1, doch der slowakische Unparteiische nahm den Treffer nach Sichtung der Videobilder wieder zurück. „Das ist nicht der Sinn des VAR. Er steht 2,30 Meter weg von der Situation, er hat einen super Blick. Das ist keine klare Fehlentscheidung“, urteilte Nagelsmann. Der Schiedsrichter tue ihm in solchen Situationen aber auch leid, sagte Nagelsmann zur strittigen Szene nach der Halbzeit.

Julian Nagelsmann: Schiedsrichter tut mir leid

Superstar Kylian Mbappé (45. Spielminute) und Bayerns Michael Olise (84.) sorgten mit ihren Treffern für die Entscheidung. Nach starker erster Halbzeit hatte es Deutschland vor 51.313 Zuschauern dem formstarken Torhüter Marc-André ter Stegen zu verdanken, dass Frankreich nicht noch öfter traf.

Nagelsmann versucht jetzt, das Positive zu sehen. „Ich finde, wenn man die Chancen sieht und die Spielanlage und so weiter, dann war es nicht verdient“, sagte er über das Ergebnis. „Am Ende gehören zum Fußballspiel Tore leider auch dazu.“ Das Spiel habe, „was das Gefühl angeht, schon gutgetan, natürlich das Ergebnis nicht.“

Er habe es der Mannschaft aber mit Blick auf die kommenden Spiele in diesem Jahr nach der Sommerpause gesagt: „Wenn wir die Bereitschaft haben, in keinem der (WM)-Qualifikationsspiele weniger zu investieren als heute, dann werden wir die Spiele gewinnen.“ Sein Team hätte gezeigt, dass es trotz der verletzungsbedingten Ausfälle auch gegen eine Top-Mannschaft zehn sehr gute Chancen herausspielen kann.

Ein insgesamt recht gutes Länderspieljahr endet mit zwei Niederlagen – welche Nagelsmann und seinen Spielern wichtige Erkenntnisse gebracht haben dürften. Eine lautet: Aus der zweiten Reihe im Aufgebot kommt zu wenig. In den kommenden Monaten könnte es hinsichtlich der Nominierungen zu Veränderungen gekommen. Die Qualitätsdebatte wird zu Recht geführt.

Die Spieler versuchten wie ihr Trainer, Sonntagabend die positiven Erkenntnisse in den Vordergrund zu rücken. „Ich finde, wir hatten eine gute Energie im Spiel. Wir haben gegen eine Mannschaft gespielt, die eine extreme Qualität auf den Platz bringt“, sagte Füllkrug. „Es ist mega unglücklich, dass wir nicht in Führung gehen – das hätte dem Spiel sicher eine andere Richtung gegeben. Trotzdem war es insgesamt ein ordentlicher Auftritt von uns. Wir haben gegen ein Team, das um alle Titel mitspielt, gut mitgehalten. Wir hatten viel Kontrolle und insgesamt eine gute Leistung gezeigt.“

Um bei der WM weit zu kommen, wird es (noch) mehr als das brauchen.

Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke