Philipp Grubauer verbringt den Sommer in der Heimat. Nach dem unglücklichen Vorrunden-Aus der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Dänemark erholt sich der Torwart der Seattle Kraken nach einer langen NHL-Saison in Rosenheim. Dem Ort, an dem der 33-Jährige seine ersten Schritte auf dem Eis gemacht hat und zu Deutschlands bestem Eishockey-Torwart reifte.

WELT: Die Nationalmannschaft hat sich erstmals seit 2018 nicht für das WM-Viertelfinale qualifiziert – ist das bedenklich oder nur ein Betriebsunfall?

Philipp Grubauer: Das entscheidende Spiel gegen Dänemark war sehr knapp, eine Niederlage im Penaltyschießen. Es hätte auch für uns ausgehen können. Wir haben in den ersten drei Spielen richtig Gas gegeben, aber dann gegen die stärkeren Nationen Schweiz, Tschechien und die USA verloren. Es hat dann ein bisschen Qualität, etwas Scheibenglück und vielleicht auch die Tagesform bei uns gefehlt. Die WM ist nicht so ausgegangen, wie wir gehofft haben. Aber wenn wir das Penaltyschießen gewinnen, sagen alle, dass es ein gutes Turnier war.

WELT: Waren die Erwartungen wegen der Erfolge der vergangenen Jahre zu hoch?

Grubauer: Ich glaube schon. Es ist eben nicht selbstverständlich, dass wir uns jedes Jahr für das Viertelfinale qualifizieren, nur weil wir zwei Silbermedaillen gewonnen haben. Viele vermeintlich kleinere Nationen haben sich weiterentwickelt. Wir waren denen vor fünf oder sechs Jahren einen Schritt voraus. Jetzt haben sie, wie etwa Dänemark, aufgeholt. Wir müssen nun wieder Gas geben.

WELT: Stimmt denn die grundsätzliche Ausrichtung weiterhin?

Grubauer: Ja. Wir haben bei dieser Weltmeisterschaft Spieler dabeigehabt, für die es das erste Turnier war. Sie haben wichtige Rollen übernommen, und das wirft ein positives Licht auf das Turnier, obwohl wir uns nicht für das Viertelfinale qualifiziert haben. Diese Spieler werden in den nächsten Jahren, wenn die älteren aufhören, die Zugpferde sein. Die Entwicklung bleibt konstant gut.

WELT: Mit dem Highlight im kommenden Februar?

Grubauer: Ich konnte bisher nicht an Olympischen Spielen teilnehmen. Das wird ein unglaubliches Erlebnis werden. Ich glaube das aber erst so richtig, wenn ich im Flugzeug nach Mailand sitze. Ich habe als Kind früher bei Olympia am Fernseher mitgefiebert, egal ob Sommer- oder Winterspiele. Jetzt dabei sein zu können, ist natürlich sensationell. Und das noch kurz vor der eigenen Haustür, weil Mailand wirklich nicht weit weg von Rosenheim ist. Es ist immer eine Ehre, Deutschland bei einer WM oder Olympia zu repräsentieren. Mit dem Olympia-Team ins Stadion einlaufen zu können, wird ein echtes Karriere-Highlight für mich.

WELT: Das Eishockey-Turnier wird zum Superstar-Treffen. Hat Deutschland wie 2018 Chancen auf eine Sensation?

Grubauer: Wir haben nicht den Luxus, zig NHL-Spieler wie die Top-Nationen zu haben, aus denen wir wählen können. Aber wenn alle NHL-Spieler fit sind, werden wir eine richtig starke Mannschaft haben. Wenn JJ Peterka, Lukas Reichel, Nico Sturm, Tim Stützle, Moritz Seider und Leon Draisaitl dabei sind, brauchen wir uns wirklich nicht zu verstecken. Sie werden das Spiel noch einmal schneller machen, und sie können ja alle auch Tore schießen.

WELT: Allen voran Leon Draisaitl.

Grubauer: Was Leon in Edmonton leistet, ist unglaublich. Er hat diese Saison elf Spiele verpasst und trotzdem die meisten Tore in der Liga geschossen, das ist überragend. Zusammen mit seinem Sturmpartner Connor McDavid hebt er das Spiel auf ein anderes Level.

WELT: Draisaitl steht mit den Oilers im Stanley-Cup-Finale gegen die Florida Panthers mit Nico Sturm. Sie kennen das Gefühl, den Cup zu gewinnen. Was ändert das für einen Eishockeyspieler?

Grubauer: Alles. Auf das arbeitest du deine ganze Karriere hin. Jedes Jahr versuchst du, den Cup zu holen. Aber wenn du ihn dann wirklich gewinnst und dann dein Name draufsteht – das ist ein unglaubliches Gefühl. Es ist ein Traum, der in Erfüllung geht.

WELT: Sie haben 2018 den Pokal mit in ihre Heimatstadt Rosenheim gebracht. Warum?

Grubauer: Ich wollte etwas zurückgeben an meine Familie, die Stadt, den Verein und die Trainer, die mich hier über Jahre trainiert und gefördert haben. Den Kids und allen im Nachwuchs wollte ich zeigen, dass es sich lohnt, Zeit und Energie in den Sport zu stecken: ,Schaut, auch ihr könntet das Ding gewinnen.‘ Es war mir sehr wichtig, etwas an den Verein und die Stadt und die Familie zurückzugeben.

WELT: Sie leben seit 2008 in Nordamerika. Wie heimatverbunden sind Sie noch?

Grubauer: Ich bin schon länger drüben, als ich in Deutschland gelebt habe. Aber ich werde meiner Heimat immer verbunden bleiben. Ich habe mir in den USA mein Leben aufgebaut und werde nach der Karriere bestimmt dort bleiben. Aber ich werde immer wieder nach Rosenheim kommen. Wenn es mit dem Eishockey irgendwann einmal vorbei ist, dann bestimmt auch länger. Komplett zurückzuziehen, kann ich mir momentan nicht vorstellen.

WELT: Bis es vorbei ist, wird es aber noch etwas dauern.

Grubauer: Hoffentlich. Ich habe noch zwei Jahre Vertrag in Seattle. Wir haben jetzt einen neuen Trainer und einen neuen General Manager bekommen. Wir werden sehen, was sie vorhaben. Aber es liegt ja dann nicht in meinen Händen, sondern ist immer die Frage des Vereins, was er sich vorstellt und welche Spieler er will, um weiterzukommen.

WELT: Was ist das für ein Gefühl?

Grubauer: Es ist ein Gefühl der Unsicherheit, das ist schon klar. Aber ich bin jetzt schon so lange dabei. Ich bin so oft getradet worden. Du weißt nicht, wo es hingeht. Da unterschreibst du plötzlich auf den einen oder anderen Tag und musst dann halt umziehen. Ich glaube, es ist immer etwas schwieriger, wenn man Kids hat, was jetzt bei mir nicht der Fall ist.

WELT: Geht es nach dem Karriereende zurück nach Colorado?

Grubauer: Da muss ich mich noch einmal mit der Chefin unterhalten, aber in Colorado hat es uns schon sehr gut gefallen. Besonders im Winter für mich als bergverbundener Bayer, der gerne Ski fährt. Der Pulverschnee – einfach ein Traum.

WELT: Wobei sie in Seattle neben dem Eishockey noch eine bayerische Mission haben.

Grubauer: Ich habe mit ein paar Freunden im vergangenen Juni eine Brauerei mit eigener Kneipe aufgemacht. Sie liegt direkt am Wasser und läuft schon richtig gut.

WELT: Ein Bayer, der den Amerikanern gutes Bier beibringt. Klingt logisch …

Grubauer: Ja, wir brauen ein Helles und Pilsener. Dazu haben wir amerikanische Biere: IPA, Amber Ale – und dann haben vier Sour-Biere, bei denen wir der Jahreszeit entsprechend den Geschmack ein wenig verändern. Es ist jetzt noch nur ein Hobby, ich bin durch einen Spezl mit hineingerutscht. Im Sommer, wenn ich Zeit habe, stehe ich auch hinter dem Tresen, bediene die Gäste und räume die Tische ab.

Philipp Grubauer ist nominiert für THE POWER LIST – GERMANY’S TOP 50.

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