Für den Fall, dass es Miron Muslic tatsächlich nicht anders ergehen sollte als so vielen Schalker Trainern vor ihm, hätte er die passenden Worte schon parat. „Ich finde es okay, mal zu scheitern – im Fußball wie auch im Leben. Entscheidend ist es, wieder aufzustehen“, hatte der 42-jährige Österreicher bosnischer Abstammung gesagt, nachdem er sein allererstes Engagement als Cheftrainer beim damaligen österreichischen Bundesligaaufsteiger SV Ried nach drei Unentschieden und sieben Niederlagen in nur drei Monaten bereits wieder beenden musste. Gut vier Jahre ist das her.

Geht es nach der derzeitigen Gefühlslage vieler Fans des FC Schalke 04, dann droht Muslic ein abermaliges Scheitern. Denn die Stimmung rund um den Traditionsverein, der seit zwei Jahren in der Zweiten Liga dümpelt, ist nicht einfach nur schlecht – sie ist nahezu fatalistisch. Und ein neuer Trainer, dessen Name erst einmal ergoogelt werden muss, trägt nicht gerade zur Wende bei.

Am Mittwoch war durchgesickert, dass Muslic neuer Coach werden soll. Der neue Sportvorstand, Frank Baumann, der am Sonntag seinen offiziellen Dienstbeginn haben wird, entschied sich für den 42-Jährigen, der zuletzt beim englischen Zweitligisten Plymouth Argyle tätig war. Zuvor waren Kandidaten wie Lukas Kwasniok (Paderborn) und Christian Titz (Magdeburg) gehandelt worden. Ob die abgesagt haben, ist nicht bekannt. Fakt ist: Schalke ist längst nicht mehr der Verein, der einfach mit dem Finger schnippen muss, um Trainer zu bekommen.

Nachfolger von Wayne Rooney

Muslic, der für einen stark auf Pressing ausgerichteten Fußball steht, hatte in Plymouth erst im Januar von Wayne Rooney übernommen, als der Klub auf dem letzten Tabellenplatz stand. Den Abstieg konnte er zwar nicht verhindern, doch der Verein wollte ihn unbedingt halten.

Nur „widerwillig“, heißt es, hätte man ihm die Genehmigung erteilt, Gespräche mit einem deutschen Verein zu führen. „Wir sind frustriert über diese Entscheidung, denn Miron hat sich zu Argyle bekannt und versichert, alles zu tun, um uns zu helfen, wieder aufzusteigen.“ Dazu wird es nicht kommen, denn Muslic ist sich mit Schalke einig. Es geht nur noch um die Auflösung seines noch bis 2028 gültigen Vertrages.

Muslic, der vor seinem Engagement in England beim belgischen Erstligaklub Cercle Brügge tätig war, wird für einen Verein arbeiten, der am Tiefpunkt seiner jüngeren Geschichte angekommen ist. Vor zwei Wochen, als sich die Schalker Mannschaft mit einem 1:2 gegen Elversberg und auf Tabellenplatz 14 aus der Saison verabschiedet hatte, wurde sie von den eigenen Anhängern regelrecht verhöhnt. „Schöne Sommerpause, ihr Versager!“, hieß es auf einem Transparent.

Auch die Vereinsführung bekam Häme ab. „Aufsichtsrat und Vorstand: erneuter Abstiegskampf in Liga 2 – das Ergebnis eurer Arbeit“, hieß es auf einem anderen Spruchband. Als Vorstandschef Matthias Tillmann vor dem Anpfiff auf dem Rasen erschien, um die Verlängerung eines Sponsorenvertrags zu verkünden, wurde er ausgepfiffen. Der Vertreter des Sponsors stand betreten daneben.

Baumann als letzter Strohhalm

Es wird nicht leicht, das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen. Dessen dürfte sich Baumann bewusst sein. Der frühere Nationalspieler und Geschäftsführer von Werder Bremen ist vor allem für Aufsichtsratschef Axel Hefer der letzte Strohhalm. Die Erwartung: Baumann soll die Quadratur des Kreises schaffen. Vor allem soll er das Team, das infolge einer unübersichtlichen Personalpolitik problematisch zusammengesetzt wurde, so umzubauen, dass es um den Aufstieg spielen kann – ohne dabei auf viele Mittel zurückzugreifen.

Denn Schalke hat neben seinen sportlichen Problemen auch wirtschaftliche Sorgen. Die Gesamtverbindlichkeiten belaufen sich auf 149,8 Millionen Euro. Die Zins- und Tilgungslast von jährlich bis zu 16 Millionen Euro, die sich daraus ergibt, schränkt den Handlungsspielraum ein. Zudem haben die schlechten Platzierungen der vergangenen beiden Jahre negative Auswirkungen auf die TV-Gelder.

Der Versuch, sich aus der finanziellen Klemme zu befreien, droht ebenfalls zu scheitern. Anfang des Jahres war eine Fördergenossenschaft gegründet worden. Über sie können Mitglieder Anteile an der Stadiongesellschaft erwerben. Die Hoffnung war, dadurch bis zu 50 Millionen Euro einzunehmen. Bislang sind es gerade mal knapp acht Millionen Euro. „Das Projekt ist bislang noch kein Erfolg. Wenn man sich jede Woche so schlechten Fußball anschaut, hat natürlich kaum jemand Bock, in die Genossenschaft zu investieren“, musste Hefer zugeben.

Nach Knäbel brach Chaos aus

Hier liegt der Kern des Problems. Seit dem vorletzten Abstieg vor vier Jahren ist es nicht gelungen, eine beständige personelle Struktur in der sportlichen Leitung zu schaffen und eine klare Strategie für den Neuaufbau zu entwickeln. In der Saison 2021/2022 gelang zwar die sofortige Rückkehr in die Bundesliga – allerdings mit einer Vielzahl von Leihspielern. Vor der darauffolgenden Bundesligasaison mussten erneut erhebliche Teile des Kaders ausgetauscht werden. Diesmal ging der Umbau schief, am Ende der Saison folgte der erneute Abstieg. Als eine entscheidende Ursache dafür hatte der Aufsichtsrat den damaligen Sportvorstand Peter Knäbel ausgemacht. Ihm wurden falsche Trainerentscheidungen sowie ein nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Konzept zur Last gelegt. Knäbel ging Ende 2023 freiwillig.

Danach brach Chaos aus. Obwohl Hefer ohnehin geplant hatte, den im Juni 2024 endenden Vertrag mit Knäbel nicht zu verlängern, wurde er von dessen Rückzug kalt erwischt. In der Folge kam zu einer Reihe von Fehlentscheidungen seitens des Aufsichtsrates und von Tillmann, einem engen Vertrauten Hefers.

Im Januar 2024 war zunächst der frühere Spieler Marc Wilmots als Sportdirektor geholt worden. Es stellte sich schnell heraus, dass der mit den Aufgaben überfordert war. Im Mai wurde Ben Manga als Direktor für Kaderplanung verpflichtet, der weder mit Wilmots harmonierte noch mit Trainer Karel Geraerts, der noch von Käbel verpflichtet worden war. Manga und Geraerts stritten sich sogar mehrmals öffentlich.

Im vergangenen September musste Wilmots bereits wieder gehen, nahezu zeitgleich mit Geraerts. Als neuer Trainer wurde der Niederländer Kees van Wonderen geholt. Im November sprang dann mit Youri Mulder ein weiterer Ex-Spieler ein – zunächst als „Interims-Sportdirektor“, später mit einem dauerhaften Vertrag als Direktor Profifußball. Vor vier Wochen erfolgte dann die vorzeitige Trennung von van Wonderen, nachdem der zuvor wegen fehlender Rückendeckung seinen Abgang zum Saisonende angekündigt hatte. Als Interimstrainer übernahm Jakob Fimpel, der bereits nach dem Rauswurf von Geraerts und vor der Verpflichtung von van Wonderen eingesprungen war.

Hefer gestand einen „Riesenfehler“

So unberechenbar wie die Personalrochaden in der sportlichen Führung waren auch die Leistungen der Mannschaft – bis hin zu den fast schon lethargischen Vorstellungen gegen Saisonende. „Wir hätten uns nach der Katastrophensaison nicht beklagen dürfen, wenn wir abgestiegen wären“, sagte Hefer. Zugleich formulierte er eine hohe Erwartung an den neuen Sportvorstand. Baumann müsse „aufräumen, knallhart die Konsequenzen ziehen. Wir benötigen eine echte Mannschaft – auf und neben dem Platz“, so Hefer.

Seine eigene, nicht unerhebliche Verantwortung für den Niedergang, gab er immerhin zu. Es sei „ein Riesenfehler“ gewesen, zu glauben, nach dem Ausscheiden von Knäbel auf einen Sportvorstand verzichten zu können.

Für Frank Baumann, der der neue starke Mann werden soll, dürfte Schalke die Herausforderung seines Lebens werden. Er wird sie mit einem Trainer angehen, der zwar tatsächlich schon bewiesen hat, dass er nach Rückschlägen wieder aufstehen kann – dem aber noch mehr Skepsis entgegenschlägt als den meisten seiner Vorgänger auf Schalke.

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