Erfolgs-Teenies verzaubern den Bundestrainer
Die erfolgreichen Turnerinnen der vergangenen Jahre fehlen bei der Europameisterschaft allesamt verletzt. Und doch gibt es Gold und Silber für Deutschland. Ein überraschender Aufschwung - trotz des schwelenden Missbrauchsskandals.
Hatte Gerben Wiersma da etwa eine Vorahnung? Kurz vor Beginn der Heim-EM in Leipzig betonte der Cheftrainer der deutschen Turnerinnen, wie "stolz" er sei, "die neue Generation aus Deutschland zu präsentieren". Zur Halbzeit der Wettkämpfe steht fest: Diese neue Generation, die durchweg aus Teenagerinnen besteht, hat voll eingeschlagen. Silber im Team, Gold im Mixed-Team - und das trotz der Ausfälle erfahrener Leistungsträgerinnen und der schwelenden Missbrauchsdebatte. Wie kam es dazu?
"Das Ergebnis konnte keiner vorhersehen", räumte Thomas Gutekunst, Sportvorstand des Deutschen Turner-Bundes (DTB) ein. "Ich habe sehr großen Respekt davor", sagte der Funktionär, "da steckt sehr viel Arbeit in der Halle und darüber hinaus drin." Vom Silber-Coup im Team am Montag zeigte sich auch Wiersma überrascht, das Potenzial seines Teams sei ihm gleichwohl bewusst gewesen: "Ich wusste, dass die Bronze-Medaille möglich sein könnte." Er sei sehr stolz, "das ist die neue Generation." Da war es wieder, dieses Schlagwort: neue Generation.
Letztmals eine Team-Medaille hatten die deutschen Frauen 2022 bei der EM in München geholt; beim dritten Platz waren die damaligen Mannschaftsmitglieder um Kim Bui und Elisabeth Seitz im Schnitt 25,2 Jahre alt. Am Montag beim Gewinn der Silbermedaille bestand das Team aus Helen Kevric (17), Janoah Müller (17), Lea Marie Quaas (19), Karina Schönmaier (19) und Silja Stöhr (17) - sie kommen auf ein Durchschnittsalter von 17,8 Jahren. Die Bremerin Schönmaier legte am Mittwoch nach: Gemeinsam mit Timo Eder wurde sie Europameisterin im neu geschaffenen Team-Mixed-Wettbewerb.
Missbrauchsskandal schwelt noch
"Es ist definitiv ein Generationswechsel", sagte Gutekunst, "und es ist umso überraschender, dass es jetzt schon funktioniert." Cheftrainer Wiersma hatte vor EM-Beginn nur kleine Ziele ausgegeben und einen Finalplatz im Mehrkampf und in den Gerätefinals sowie die Top Fünf im Team und das Mixed-Teamfinale angepeilt.
Dies begründete sich auch durch den Ausfall zahlreicher Leistungsträgerinnen: Seitz (Schulterverletzung), Pauline Schäfer-Betz (Hüft-OP) und Emma Malewski (Trainingsrückstand nach Verletzung) hatten ihre EM-Teilnahme absagen müssen. Hinzu kommen die Missbrauchsvorwürfe an den Bundesstützpunkten in Stuttgart und Mannheim, aufgrund derer sich der DTB seit Monaten in einer schweren Krise befindet.
Ehemalige und aktive Spitzenathletinnen hatten "körperlichen und mentalen Missbrauch" beklagt, es kam zu Freistellungen von Übungsleitern - betroffen war auch Kevrics Trainer in Stuttgart. Zu Beginn der EM betonte sie aber ausdrücklich, dass sie kein Missbrauchsopfer sei. Im Gegenteil, sie habe immer eine gute Beziehung zu ihren Trainern gehabt. Dennoch musste sie sich auf neue Coaches einstellen, lange schien gar die Teilnahme in Leipzig ungewiss.
Nun sorgen die deutschen Turnerinnen trotz vieler Unwägbarkeiten im Vorfeld für Furore. "Wir freuen uns über die erfahrenen Athletinnen, wenn sie das Team wieder verstärken werden", sagte Gutekunst zwar - aber: "Was wir hier gesehen haben, ist mittel- und langfristig die Zukunft des deutschen Turnens."
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