Der FC Bayern bekommt doch noch seinen Wunschspieler. Mit einem Jahr Verzögerung wechselt Jonathan Tah zum deutschen Fußball-Rekordmeister. Und füllt dort eine Lücke, denn der Transfer des 29-Jährigen ist für die Münchner ein echt großes Ding.

"Also, ich halte von Max Eberl nichts, absolut nichts. Und ich würde nicht mit ihm verhandeln." Dieser Satz von Fernando Carro während eines Leverkusener Fanklub-Treffens sorgte für deutlich mehr Aufregung als der Fakt, dass der FC Bayern an Leverkusens Verteidiger Jonathan Tah baggerte. Dass die Münchner einen deutschen Nationalspieler verpflichten wollen, ist schließlich nicht sonderlich verwunderlich. Der Bayer-Boss hatte es sich arg mit dem Sportvorstand des FC Bayern verscherzt und musste sich später dafür entschuldigen.

Bleibt zu hoffen, dass die beiden wieder miteinander reden, denn jetzt müssen sie doch miteinander verhandeln. Denn Tah wechselt nach München. Ein Jahr nach dem Zoff. Zwar ist der Transfer ablösefrei möglich, weil Tahs Vertrag ausläuft. Doch das wäre erst nach dem 30. Juni der Fall. Weil der FC Bayern aber zuvor bei der Klub-WM startet - und Tah dabei sein soll -, müssen sie doch miteinander verhandeln. Wegen der Kleinigkeit von zwei Wochen. Die Klub-Weltmeisterschaft in den USA startet am 14. Juni, die Bayern starten einen Tag später gegen Auckland City ins Turnier. Außerdem treffen sie in ihrer Gruppe auf Boca Juniors und Benfica Lissabon.

Wann es für Tah beim FC Bayern losgeht, ist also noch offen. Klar ist das zunächst einmal datierte Ende des Vertrags: 30. Juni 2029. Der FC Bayern hatte dabei auch etwas Glück bei den Verhandlungen. Denn die Experten waren sich einig, dass Tah gerne zum FC Barcelona und damit zu Ex-Nationaltrainer Hansi Flick gewechselt wäre. Doch die Katalanen haben bekanntlich massive finanzielle Probleme und konnten nicht garantieren, dass der Nationalmannschaftsverteidiger für die kommende Saison bei der Liga registriert werden könnte. Ohne diesen Schritt aber dürfte er nicht spielen. Dieses Drama hatte bereits der von RB Leipzig gewechselte Dani Olmo wochenlang erlebt.

Viele Verletzte beim FC Bayern

Nun also mit einem Jahr Verspätung doch noch München. Nach einer Dekade in Leverkusen soll Tah auch dort eine Ära mitprägen. "Es ist kein Geheimnis, dass wir Jonathan Tah schon lange auf dem Radar haben. Wir schätzen seine Klasse: Er ist ein Typ, der Verantwortung übernimmt", sagt Eberl. Und Tah erklärt: "Ich möchte hier Verantwortung übernehmen und jeden Tag hart arbeiten, damit wir als Mannschaft erfolgreich sind und gemeinsam viele Titel gewinnen."

Bayer Leverkusen verliert mit dem Wechsel einen Fixpunkt im Team. Nach Trainer Xabi Alonso, der bei Real Madrid auf Carlo Ancelotti folgt, ein weiterer. Und auch Florian Wirtz' Abgang - nicht zum FC Bayern - wird den frisch abgelösten Ex-Meister wohl weiter schwächen. Für den Vize-Meister war Tah eine feste Größe geworden, hatte sich in zehn Jahren zum Stamm- und Führungsspieler entwickelt, war im März 2016 erstmals ins Nationalteam berufen worden. Der DFB-Sportdirektor mit langjähriger Bayer-Vergangenheit, Rudi Völler, lobte Tah jüngst im "Spiegel": "Jetzt ist er Weltklasse und der beste Innenverteidiger in der Bundesliga."

Und bekanntermaßen müssen doch die Besten nach Ansicht des FC Bayern bei ihnen spielen. Tah wird aber nicht nur wegen des Superlativs eine echte Verstärkung sein. Eric Dier verlässt den Klub nach eineinhalb Jahren wieder, der Engländer wechselt zur AS Monaco. Also wird ein Platz bei den Verteidigern des FC Bayern frei. Allerdings war Dier zwar stets zuverlässig, hat aber nur 21 Bundesliga-Einsätze bekommen. Auch in der Champions League musste er ein ums andere Mal zuschauen. Über mehr als die Hälfte der Saison bildeten Dayot Upamecano und Min-jae Kim das Innenverteidiger-Duo. Ein Pärchen, das nicht unumstritten ist. Beide haben den Ruf weg, dass sie teilweise haarsträubende - und Gegentor-bringende - Patzer ins Spiel einbauen.

Um den Südkoreaner ranken sich zudem Transfer-Gerüchte. Unter anderem der FC Chelsea, gerade frisch gebackener Sieger der Conference League und in der kommenden Saison wieder in der Champions League vertreten, soll sein Interesse bekundet haben. Noch dazu quält sich Kim mit Achillessehnenproblemen, konnte zum Saisonende nicht mehr mitwirken.

Upamecano seinerseits ist schon seit März nicht mehr dabei, er erlitt einen Knorpelschaden im Knie. Die Saison brachten Dier und Josip Stanisic als Innenverteidiger-Duo ins Ziel. Denn auch Hiroki Ito ist verletzt. Der erst zur Saison vom VfB Stuttgart gewechselte Japaner ist der Pechvogel des Kaders. Er war mit Mittelfußbruch in München angetreten, absolvierte dann im Februar und März acht Partien, ehe er sich erneut dieselbe Verletzung zuzog. Außerdem noch im Bayern-Innenverteidiger-Kader: Eigengewächs Tarek Buchmann. Doch der 20-Jährige absolvierte bislang kein einziges Profispiel.

Mehr als Ersatz für Eric Dier

Es ist also nicht so, als hätte der FC Bayern ein Überangebot an Verteidigern im Kader. Tah ist noch dazu wenig verletzungsanfällig, verpasste in der abgelaufenen Saison nur ein einziges Spiel krank. Seine letzten langwierigeren Verletzungen waren ein Muskelfaserriss Anfang 2017 und eine Adduktorenverletzung, die ihn im Juni 2017 an der Teilnahme am Confed Cup hinderte. Mit seiner Zuverlässigkeit kann er also punkten.

Genauso wie mit seiner Körperlichkeit und damit verbunden seiner Zweikampfstärke. Auch im Spielaufbau hat er Stärken, was der Spielweise von Bayern-Trainer Vincent Kompany entgegenkommen dürfte. Der lässt aktiv nach vorn verteidigen, noch dazu von jedem Innenverteidiger einen großen Raum abdecken - da ist Tahs Schnelligkeit ebenfalls ein Vorteil. Der 29-Jährige ist einer der schnellsten Verteidiger der Bundesliga. All das spricht für eine echte Verstärkung für den FC Bayern. Eberl ist noch dazu überzeugt: "Jona ist zwar schon etwas älter, aber man hat das Gefühl, dass Jona jetzt gerade erst so richtig anfängt. Die letzten zwei, drei Jahre in Leverkusen waren wirklich herausragend. Er wirkt noch stabiler, noch robuster." Auch seinetwegen sei der Konkurrent im vergangenen Jahr so erfolgreich gewesen.

Für seine stetige Entwicklung spricht auch seine Karriere im DFB-Team. Zwar debütierte er bereits im März 2016, spielte dann aber erst mal lange maximal eine Nebenrolle. Nur sporadische Einsätze gab es für den gebürtigen Hamburger. Erst seit September 2023 ist er Stammspieler, Interims-Bundestrainer Völler setzte auf ihn. Und das tut seit seiner Amtsübernahme auch Bundestrainer Julian Nagelsmann. Unter Völler zunächst noch als Rechtsverteidiger, seit Nagelsmann dort auf Kapitän Joshua Kimmich setzt, bildet Tah mit Antonio Rüdiger das Duo in der Innenverteidigung. Völler zufolge völlig verdient: "Eine Entwicklung wie bei ihm, fußballerisch und mental, habe ich im Profibereich selten erlebt."

Die Verpflichtung von Tah ist ein Transfer von Bayer Leverkusen zum FC Bayern, der klappt. Anders als der von Wirtz, der den Münchnern nach vielem offensiven Werben einen Korb gab. Doch womöglich lässt Tah diese Wunde heilen. Anders als Wirtz in der ohnehin gut besetzten Bayern-Offensive wird Tah als Innenverteidiger nämlich richtig doll gebraucht.

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