Die Klub-WM in den USA wird dem Fußball-Sommer prägen. Das Turnier findet vom 14. Juni bis 13. Juli, deutsche Vertreter sind der FC Bayern und Borussia Dortmund, mit dabei sind unter anderem auch Top-Teams wie Manchester City, Real Madrid oder Inter Mailand, aber auch Mannschaften wie Auckland City (Neuseeland), Mamelodi Sundowns (Südafrika) oder etwa Ulsan HD FC (Südkorea). 32 Klubs nehmen teil. Die Bayern sollen ein Startgeld von und 26,5 Millionen Euro erhalten, Borussia Dortmund als zweiter deutscher Starter etwas weniger. Im Maximalfall gibt es für einen europäischen Sieger nach nur vier Wochen fast 126 Millionen Dollar.

Karl-Heinz Rummenigge sitzt im Aufsichtsrat des FC Bayern. Der 69-Jährige, der die Geschicke der Münchner über Jahrzehnte lenkte, analysiert die Auswirkungen der Klub-WM auf die europäischen Top-Ligen. Das fürstliche Preisgeld wird laut des Münchner Granden nicht zu tiefgreifenden Umwälzungen auf dem Transfermarkt führen.

Frage: Herr Rummenigge, Sie sind ein großer Befürworter der neuen Klub-WM mit 32 Mannschaften. Die Fifa schüttet eine Milliarde Dollar an Prämien aus, also rund 880 Millionen Euro. Wie wichtig ist das Turnier, um das Festgeldkonto des FC Bayern aufzufüllen, von dem laut Uli Hoeneß ja nicht mehr viel vorhanden ist?

Karl-Heinz Rummenigge: Viel wichtiger als das Geld war die Bereitschaft der Fifa, für die Klub-WM den Confed Cup abzuschaffen. Wir hätten unsere Nationalspieler sonst im Sommer für den Confed Cup abstellen müssen und hätten davon gar nichts gehabt. Jetzt laufen sie im Trikot von Bayern München in den USA auf – und wir werden dafür auch noch anständig honoriert. Das Geld hat auch eine Rolle gespielt, da brauchen wir nicht groß drum herumreden. Aber viel entscheidender ist, dass wir eine Format-­Änderung haben, die das ganze Turnier auf ein ganz neues Niveau hebt. Dazu kommt der Fakt, dass die Fifa unter Beweis gestellt hat, dass ihr der Klub-Fußball wichtig ist, was wir ihr sehr hoch anrechnen.

Frage: Welchen sportlichen Wert hat die Klub-WM mit sieben Spieltagen bis zum Titel auf einer Skala von 1 bis 10?

Rummenigge: Erst mal müssen sich die Leute daran gewöhnen. Ich glaube, dass es ein tolles Turnier wird, weil alle daran Interesse haben – sportlich wie wirtschaftlich. Man hat ja auch bei der Reform der Champions League in dieser Saison gesehen, wie die anfängliche Skepsis der Begeisterung gewichen ist, als bis zum letzten Spieltag der Liga-Phase offen war, wer sich direkt für das Achtelfinale qualifiziert. Das neue Turnier muss sich etablieren, aber alle werden sportlich sehr seriös zu Werke gehen, also fangen wir mit einer 8 auf der Skala an, dann ist noch eine Steigerung möglich.

Frage: Ihr Vorstandschef Jan-Christian Dreesen hat den Titelgewinn als Ziel ausgegeben. Ist das auch Ihr Anspruch?

Rummenigge: Ich halte das für die richtige Einstellung. Wenn nur Larifari gespielt wird, weil jeder so schnell wie möglich in den Urlaub will, kommt nichts dabei heraus. Jan hat recht, die Latte so hoch zu hängen – und da muss unsere Mannschaft jetzt eben drüberspringen.

Frage: Der Großteil der Milliarde wird an die zwölf Topklubs aus Europa fließen. Für den Sieger sind über 110 Millionen Euro drin. Inwieweit verändert das die Statik im europäischen Fußball – gerade mit Blick auf die Top-5-Ligen aus England, Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland?

Rummenigge: Es wird keine dramatischen Veränderungen der Statik geben. Man darf nicht vergessen, dass diese Klubs mit der höchsten Strahlkraft ein ganz anderes Gehaltsgefüge haben. Auch wenn etwa Paris Saint-Germain seine Payroll durch die Abgänge von Neymar, Messi und Mbappé deutlich abgebaut hat, wird es noch immer die höchste in Frankreich haben. Bayern München wird aber keinen Spieler zusätzlich für die Klub-WM kaufen. Die Topklubs müssen alle den Gürtel enger schnallen.

Frage: Dann lösen die europäischen Vereine mit den Klub-WM-Millionen in diesem Sommer also kein Wettrüsten auf dem Transfermarkt aus?

Rummenigge: Nein. Bitte vergessen Sie nicht: Die Klub-WM findet nur alle vier Jahre statt. Es wird zwar wie immer einige große Transfers geben. Aber die Klub-WM wird keine Auswirkungen auf den Transfermarkt haben. Ob ein Vertrag um zwei Wochen verlängert wird oder ein Spieler zwei Wochen früher kommt, hat auf die Kaderplanung nur äußerst geringen Einfluss.

Frage: Trainer Pep Guardiola droht bei Manchester City mit seinem Weggang, sollte der Kader von mehr als 30 Spielern nicht deutlich verkleinert werden. Wie finden Sie das?

Rummenigge: Ich freue mich sehr, dass gerade Pep Guardiola einen Abbau fordert. Was ist passiert in den vergangenen Jahren: Große Klubs wie der FC Chelsea haben immer mehr personell aufgerüstet, weil sie glaubten, es würden 40 Spieler benötigt, um eine Saison national und international erfolgreich zu bestehen. Für den Erfolg sind aber noch andere Faktoren entscheidend: Wie ist die Stimmung in der Kabine, der Umgang miteinander, der Geist der Mannschaft, wenn ein Großteil des XXL-Kaders nur auf der Bank oder der Tribüne sitzt? Durch eine Verkleinerung wird erstens die Payroll abgebaut. Und zweitens der Teamgeist besser, weil die Spieler zufriedener sind durch regelmäßige Einsatzzeiten.

Frage: Wird die Champions League künftig vom europäischen Klub-WM-Dutzend dank der zusätzlichen Fifa-Millionen dominiert?

Rummenigge: Nein, überhaupt nicht. Noch mal: Die Klub-WM findet nur alle vier Jahre statt. Dieser finanzielle Zufluss wird nicht ausreichen, um eine Dominanz aufzubauen. Das, was die großen Klubs in der vergangenen Saison gelernt haben, ist, dass man sich nicht mehr locker über die Gruppenphase für das Achtelfinale qualifiziert. Sondern in der neuen Liga-Phase von Anfang an Gas geben muss. Ich glaube nicht, dass sich unsere Mannschaft in der nächsten Saison noch einmal drei Niederlagen in dieser Liga-Phase erlauben wird.

Frage: Die European Leagues, zu denen auch die DFL gehört, kritisieren, dass die Kluft in den nationalen Ligen zwischen den Top-Klubs und dem Rest durch die neuen Fifa-Prämien zusätzlich zu den gestiegenen Uefa-Geldern in der Champions League noch größer wird. Was sagen Sie?

Rummenigge: Es liegt in der Natur der Sache, dass die nationalen Ligen immer das Haar in die Suppe legen und dann kurioserweise so tun, als hätten sie es gefunden. Ich sehe das völlig anders. An der Klub-WM, die ja weltweit übertragen wird (kostenlos bei DAZN, die Redaktion), nehmen glücklicherweise zwei deutsche Mannschaften teil – wir und Dortmund. Dafür müsste die DFL eigentlich sehr dankbar sein, denn die TV-Auslandseinnahmen der Bundesliga hängen doch vor allem davon ab, wie sich ihre Topklubs international präsentieren.

Frage: Welche Auswirkungen haben die Fifa-Millionen – allein 30 Millionen Dollar, also 26,5 Millionen Euro, gibt es als Startgeld – für den FC Bayern? Garantieren sie größere Wettbewerbsfähigkeit zumindest gegenüber Topklubs, die wie Milan, Liverpool oder Barça nicht bei der Klub-WM dabei sind?

Rummenigge: Mit knapp 30 Millionen Euro kann man auf dem Transfermarkt heute nicht mehr groß auftrumpfen. Aber auch mit im besten Fall über 100 Millionen Euro als Turniersieger, verteilt auf vier Jahre, kann man nicht den Krösus auf dem Transfermarkt spielen. Man darf nicht den Fehler machen, hier nur das Geld zu sehen. Im Gegenteil: Wir sollten in allen Ligen eine Art Salary Cap einführen, das dazu führt, dass die Klubs gesünder wirtschaften. Und wir sehen ja, dass die schärferen Finanzregeln der Uefa auch Früchte tragen. Bisher durften 90 Prozent des Gesamtumsatzes eines Vereins in Ablösen, Gehälter und Berater-Honorare investiert werden. Ab der neuen Saison sind es nur noch 70 Prozent.

Frage: Welche Auswirkungen stellen Sie fest?

Rummenigge: Zum ersten Mal sind die Klubs bereit, dem Thema „Seriöse Finanzierung“ mehr Rechnung zu tragen. Mein Freund Nasser Al-Khelaifi hatte bei PSG Kader-Kosten, die wahrscheinlich mit Messi, Neymar und Mbappé dreimal so hoch waren wie in dieser Saison. Trotzdem hatte er damals weniger sportlichen Erfolg als heute, wo er auch ohne diese Superstars das Endspiel der Champions League gegen meinen alten Klub Inter Mailand erreicht hat. Und auch Inter hat es mit einer Payroll von etwa 180 Millionen Euro verdammt weit geschafft, national und international. Sie sind zwar in der Meisterschaft knapp gescheitert, aber sie können noch den großen Henkelpott holen.

Frage: In der reformierten Cham­pions League kann der Sieger bis zu 156 Millionen Euro verdienen. In der Bundesliga kassierte der FC Bayern in der abgelaufenen Saison 92 Millionen Euro vom TV. Spielt die Bundesliga angesichts stetig steigender internationaler Einnahmen bald nur noch die dritte Geige für Bayern und Dortmund?

Rummenigge: Die Bundesliga wird nie eine untergeordnete Rolle spielen, sie ist – und das habe ich immer gesagt – unser Brot-und-Butter-Geschäft. Sie ist die Basis, um sich für die Champions League, also die Kirsche auf der Torte, überhaupt zu qualifizieren. Man muss sich doch nur den letzten Spieltag mit dem spannenden Dreikampf zwischen Dortmund, Freiburg und Frankfurt um die beiden noch freien Champions-League-Plätze anschauen. Die Bundesliga wird eher eine übergeordnete Rolle spielen, auch hier wird sich an der Statik nichts ändern. Auch die Champions League wird an sportlicher Bedeutung noch gewinnen, denn durch sie qualifiziert man sich für die Klub-WM.

Frage: Wie wichtig ist die Klub-WM auch für die Sichtbarkeit des FC Bayern auf dem riesigen US-Markt?

Rummenigge: Wir haben seit 2014 ein Büro in New York. Ich habe vor ein paar Tagen mit der neuen Leiterin Julia Willer gesprochen und ihr gesagt: Es gibt jetzt eine große Chance durch die Klub-WM und die WM 2026 in den USA, den größten Markt der Welt weiter zu bearbeiten. Wir werden versuchen, die beiden Turniere zu nutzen, um den FC Bayern in Amerika bekannter und populärer zu machen und uns zu etablieren, was Sponsoring und Merchandising betrifft.

Frage: Trotz Klub-WM und WM 2026 in den USA wird Fifa-Boss Gianni Infantino wegen seiner Nähe zu US-Präsident Donald Trump, zuletzt bei Treffen in Saudi-Arabien und Katar, gerade durch die Uefa-Bosse kritisiert. Ihre Meinung?

Rummenigge: Gianni Infantino hat zwei große Turniere vor der Nase, speziell mit der WM 2026 mit erstmals 48 Mannschaften. Er muss jedes Interesse daran haben, ein gutes Verhältnis zu Trump zu pflegen. Die Macht Trumps sieht man allein schon an seiner Zoll-Politik. Gianni muss alle Voraussetzungen schaffen, damit die WM ein großer Erfolg wird. Der US-Fußball hat sich ohne Frage gut entwickelt. Aber er ist noch nicht auf dem Niveau, auf dem man eigentlich eine US-Topsportart haben will. Durch die WM kann der Klubfußball mit der Major League Soccer extrem profitieren.

Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.

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