Macht Künstliche Intelligenz das Reisebüro bald überflüssig?
Wäre die künstliche Intelligenz (KI) ein neues Reiseziel auf der Weltkarte, könnte gesagt werden: Einige Küsten zeigen sich sehr vielversprechend, aber das Hinterland ist noch ziemlich unbekannt. Die neue Technologie, die sich durch rasante Datenverarbeitung und Lernfähigkeit auszeichnet, krempelt auch den Urlaub um.
Wer der KI nicht grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, wird Plattformen wie ChatGPT oder Perplexity vermutlich schon mal in Ferien-Angelegenheiten gefragt haben. Manche nutzen sie als Suchmaschine: „Nenne mir die angesagtesten Restaurants in Rom.“ Andere suchen einen Planungsassistenten: „Wie könnten die Stationen einer Reise durch Thailand im europäischen Winter aussehen?“
Die Ergebnisse fallen sehr unterschiedlich aus, Skepsis ist angebracht. Zum einen sind die Antworten immer nur so gut wie der jeweilige Prompt, also die formulierte Frage. Zum anderen kommt es darauf an, wie aktuell und korrekt die Informationen sind, auf die das Medium zurückgreifen kann.
Gesichter aus der Retorte
Letzteres wurde bereits der KI-generierten Markenbotschafterin der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) zum Verhängnis. Emma soll auf Instagram (gut 8500 Follower) und als Chatbot auf der Website germany.travel Begeisterung für Rügen, Leipzig & Co. wecken. Als sie jedoch nach ihrem Launch im Herbst 2024 im Chat kurzerhand Bielefeld an den Neckar verfrachtete, war die Kritik aus Tourismus- und Digital-Kreisen groß.
Emma erfüllt alle Klischees: sehr blond, sehr schlank, als Freelancerin im Online-Marketing in Berlin lebend, offensichtlich ungebunden, mit Hang zum Reisen. Ein Testlauf, bei dem wir Inspirationen für Passau oder den Tegernsee suchten, war allerdings ernüchternd: „Ich kann diese Frage nicht mit meinem auf Germany.travel basierenden Wissen beantworten“, ist die häufigste Replik. Bei Spiekeroog kamen immerhin Stichworte wie Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, Ostfriesentee und ein Link zur Insel-Website.
DZT-Vorstandsvorsitzende Petra Hedorfer sieht Emma als „Innovationsprojekt mit experimentellem Charakter“. Die Kritik nehme man ernst und arbeite an Verbesserungen bei der Datenbasis. „Emma ist ein dynamisches System, das ständig dazulernt. Viele der Anpassungen laufen derzeit im Hintergrund. Ihre Wirkung kann sich erst über die Zeit manifestieren.“
Der Frankfurter Digitalexperte Axel Mirschel – er war KI-Sachverständiger im Tourismusausschuss des Bundestages – sagt: „Rückblickend betrachtet muss man der DZT anerkennend zubilligen, dass sie Mut bewiesen hat, neue Wege zu gehen und dabei zum Beispiel in asiatischen Quellmärkten durchaus positive Resonanz gefunden hat.“
Sommersprossen, lange, brünette Haare: SchwarzwaldMarie, die neue, KI-generierte Markenbotschafterin der süddeutschen Ferienregion, wirkt lebensechter als Emma. „Freundlich, offen, zuverlässig, humorvoll, geduldig, mutig“, nennt Jutta Ulrich von der Schwarzwald Tourismus GmbH (STG) einige Wesensmerkmale, die Marie bei ihrer „Geburt“ auf den Weg gegeben wurden.
Ab Mitte Mai ist SchwarzwaldMarie in Deutschland, England und Spanien in Werbespots und auf YouTube zu sehen. Diese neue SchwarzwaldMarie ist die Fortsetzung der gleichnamigen Kampagne von 2024, bei der KI zur Weiterentwicklung eines realen Fotoshootings eingesetzt worden war.
Spätestens ab Sommer soll die KI-Marie als intelligenter Chatbot auf der Seite schwarzwald-tourismus.info im Einsatz sein, dann auch gelegentlich mit Tracht und typischem Bollenhut, passend zum Schwarzwald-Motto „Echt“. Dort gibt sie Tipps zu Erlebnissen und Attraktionen im Schwarzwald, im interaktiven Dialog, in 26 Sprachen.
Tipps für die Reiseplanung
Auch ohne menschlichen Look können KI-Assistenten hilfreich sein. „Ich bin Pythia, die Hohepriesterin des Orakels von Delphi und berate Sie gern bei Ihrem Griechenland-Urlaub“, begrüßt der Chatbot unter einem stilisierten blau-weißen Frauenkopf die Besucher der Website discovergreece.com.
Statt Apollos Prophezeiungen verrät sie in Sekundenschnelle Informatives etwa zur Busverbindung auf Kreta von Chania zur minoischen Ausgrabungsstätte Knossos. Eintrittspreise, Ermäßigungen – alles kein Problem. Freundlich ist Pythia auch noch: „Wenn ich Ihnen eine Zusammenfassung unseres Gesprächs per E-Mail schicken soll, lassen Sie es mich wissen.“
Hinter Pythia steht GuideGeek, der KI-Berater des Online-Reiseverlages Matador Network aus San Francisco. Mit ihm arbeiten bereits weitere Organisationen zusammen wie Visit Aruba, Visit Idaho oder Travel Manitoba.
Bei einem Aufenthalt in der Firmenzentrale in Kalifornien könnten Emma und SchwarzwaldMarie möglicherweise noch etwas lernen. Dass vor allem Frauen im Tourismus ihren künstlichen Kopf hinhalten, liegt an den Marketingabteilungen, die darin die größten Erfolgschancen sehen. Immerhin hält man es im Schwarzwald durchaus für möglich, dass Marie eines Tages ein Mann zur Seite gestellt wird.
Personalisierte Buchung
Wer künstliche Intelligenz für seine Reiseplanung genutzt hat, lässt sich davon auch in seiner Urlaubsentscheidung beeinflussen. Bei einer Studie des Marktforschungsinstituts Opinium, die 2023 im Auftrag des Hotelkonzerns Marriott Bonvoy durchgeführt wurde, bestätigten dies 86 Prozent der Befragten.
Auswirkungen hatte der Austausch mit Chatbots oder ChatGPT zum Beispiel auf die Wahl der Unterkunft (24 Prozent) oder die Reisezeit und Restaurants (je 21 Prozent). „Kunden erwarten bei der Reisesuche und -buchung bereits einen gewissen Erlebnisfaktor“, sagt Digitalexperte Mirschel. „Statt starre Filter anzuklicken, möchten wir bei unseren Bedürfnissen und Wünschen abgeholt werden.“
Das macht beispielsweise Layla, die KI-Reiseplanerin auf layla.ai. Ziel, Budget, Zahl der Urlauber und spezifische Wünsche wie Tiere, Kultur oder Wellness eingeben – und schon „startet die Reiseparty“, verspricht die Planerin. Tatsächlich kommt auf Anfrage blitzartig ein interessant klingendes Angebot für eine Griechenland-Reise für Zwei mit Flug ab Hamburg.
Schnell verschwinden die Informationen jedoch hinter einer Schranke: Nach einer dreitägigen, kostenlosen Testphase muss man Layla bezahlen (ab 4,17 Euro monatlich bei Jahresabo). Dass sie oft auf Angebote von booking.com zugreift, ist kein Zufall. „Ich habe mich mit Skyscanner und Booking.com zusammengetan“, sagt die „Ride or die“-Reise-KI (Layla über Layla) und verspricht: „Alles, was du tun musst, ist, deine Taschen zu packen und süß auszusehen.“
Ein weiterer KI-Reiseplaner ist Mindtrip.ai (kostenlose Basisfunktion); dort wird dem Nutzer auch die Lage des Hotels auf einer Karte gezeigt. Die US-amerikanische Suchmaschine Kayak wiederum gilt als KI-Vorreiter bei der Suche nach günstigen Flügen. Sie hat PriceCheck, eine KI-gestützte Preisvergleichsfunktion, sogar als Patent angemeldet.
Die Nutzer können in der App einen Screenshot von einem beliebigen Flugangebot hochladen – und PriceCheck prüft, ob es wirklich das günstigste ist. Kayak hat dafür ChatGPT mit „Milliarden von Suchanfragen von Urlaubern“ aus der eigenen Datenbank trainiert. Bisher hätten Kunden weltweit so im Durchschnitt bis zu 18 Prozent gespart.
Das Berliner Start-up Ygo nutzt die neue Technologie eher im Hintergrund. Über die KI-gestützte Plattform namens Athena hat die Seite Ygotrips.com Zugriff auf Systeme von Veranstaltern, Hotels, Fluggesellschaften und Events, die nach Wunsch in Echtzeit zusammengestellt werden können. 64 Destinationen und rund 300.000 Hotels sind so derzeit buchbar.
Besonders gut funktioniert die KI bei Städtereisen, wo Erlebnisse kombiniert werden sollen, zum Beispiel London inklusive Abba-Show. „Die Trips sind nicht von Menschen gemacht, sondern von Athena zusammengebaut und durchpersonalisiert“, sagt einer der Gründer, Julian Kögel. Der Sohn von Last-minute-Reise-Erfinder Karl-Heinz Kögel (l’tur) sieht Athenas Stärken künftig auch bei einem möglichen Einsatz in Reisebüros, wo sie die Mitarbeiter unterstützen könnte.
Kann die KI das Reisebüro ersetzen? Nein, glaubt Digitalexperte Mirschel: „Gute Beratung von Menschen mit Charisma und jahrelanger Expertise werden bei einem emotionalen Thema wie Urlaub weiterhin gefragt sein.“ Serviceroboter an der Hotelbar seien allenfalls ein kurzer Gimmick.
Damit hat er offensichtlich recht: Die japanischen Henn-na-Hotels, die mit Dino-Robotern an der Rezeption und Techno-Kofferträgern Aufsehen erregte, hat das maschinelle Personal reduziert – zu viel Wartungsaufwand, zu viele Probleme. Durchgesetzt haben sich in vielen Hotels dagegen Putzroboter, zu sehen unter anderem im „JEN Orchardgateway by Shangri-La“ in Singapur.
Auch Airlines haben künstliche Intelligenz für sich entdeckt: Bei Qatar Airways ist die derzeit einzige virtuelle Flugbegleiterin, Sama, im Einsatz. Geht es über Standardinformationen wie Flugziele hinaus, wird der Avatar allerdings leider schnell einsilbig und verweist auf lebendiges Personal. Auch bei dieser KI-Figur wurde aus Marketinggründen eine Frau kreiert.
Fazit nach einer Reise durch die Welt der KI im Tourismus: Künstliche Intelligenz kann Urlauber buchstäblich in die Wüste schicken, wenn ihre Inhalte nicht korrekt sind. Wenn sie seriöse Anregungen gibt, das Buchen erleichtert, Abläufe in Hotels verbessert oder unterwegs den Kontakt zum Veranstalter ermöglicht, ist die Technologie eine tolle Begleitung für den nächsten Urlaub.
Tipps zu KI-Anwendungen:
Chatbot Layla (Layla.ai) und die Website mindtrip.ai unterstützen bei der individuellen Suche von Reisewünschen, auch bei einem bestimmten Budget. Basisversion gratis, Premium-Funktionen kostenpflichtig.
Anbieter Ygo schnürt unter ygotrips.com personalisierte Reisepakete, auch mit Erlebnissen. Empfehlenswert bei City-Trips.
Die Suchmaschine Kayak ermöglicht die schnelle Suche nach günstigen Flügen. In der App auf „Profil“ gehen, dort unter „Tools“ Kayak PriceCheck Beta wählen und Screenshot hochladen. Die KI prüft, ob es billigere Optionen gibt.
GuideGeek ist ein KI-gestützter Reiseassistent, zu erleben unter discovergreece.com – hier in Form des Chatbots Pythia.
Die virtuelle Flugbegleiterin Sama antwortet auf Englisch unter qatarairways.com – und in der App von Qatar Airways auch auf Fragen, die auf Deutsch gestellt werden.
KI-Influencerin Emma von der Deutschen Zentrale für Tourismus kann man auf Instagram unter @emmatravelsgermany folgen, SchwarzwaldMarie ist ab Sommer als Chatbot auf schwarzwald-tourismus.info anzutreffen.
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