Es sind nicht die monumentalen Tempelanlagen der Pharaonen. Nicht die bunt bemalten Grabkammern im Tal der Könige. Und auch nicht die mumifizierten Krokodile in Kom Ombo – so beeindruckend sie auch sein mögen. Es sind die Minuten kurz vor Sonnenaufgang, die sich von dieser Reise auf dem Nil ins Gedächtnis eingebrannt haben, jene kurze Zeitspanne am frühen Morgen, wenn der Tag die Nacht ablöst.

Nebel hängt dann wie ein zarter Schleier über dem Wasser von Afrikas größtem Strom. Die ersten Sonnenstrahlen lassen die seichten Wellen magisch funkeln. Manchmal gleitet der Kahn eines Fischers, im Dämmerlicht nur schemenhaft zu erkennen, geisterhaft durch die Szenerie.

An einem Morgen steht ein weißer Ibis regungslos im flachen Wasser am Ufer und wartet auf Beute. An einem anderen Tag raschelt es im Schilf und hervor kommt der riesige Kopf eines Wasserbüffels, der gerade ein Bad im Nil nehmen will, sich aber schnell wieder verkrümelt, als er bemerkt, dass er nicht allein ist.

Nicht mehr lange, dann erwacht auch auf der „Queeny of The Nile“ das Leben. Matrosen bereiten Segel und Takelage vor, während andere Crewmitglieder die Holzböden wienern, das Messing polieren, die Sofakissen aufschütteln. Die „Queeny“ ist kein gewöhnliches Flusskreuzfahrtschiff, sondern eine sogenannte Dahabiya – 56 Meter lang, mit einem flachen Rumpf aus Holz und mit zwei großen Segeln ausgestattet.

Gegen den Strom segeln

Klassische Dahabiyas wie die „Queeny“ haben keinen Motor. Sie kommen trotzdem selbst flussaufwärts problemlos voran – sofern Wind weht, versteht sich. Bei Flaute wird das Boot von einem kleinen Schlepper gezogen. Das Tau zwischen den Booten ist jedoch so lang, dass vom Motor am Deck der „Queeny“ nichts zu hören oder zu riechen ist.

Zum Sonnenaufgang ist Abdel Gilil längst auf den Beinen. Der 58-Jährige ist der Kapitän der „Queeny“. Auf Deck geht er stets barfuß. Bekleidet ist er mit einer knöchellangen Galabija, einem traditionellen Gewand, das im arabischen Kulturkreis oft von Männern getragen und mit einem weißen Turban kombiniert wird – „wie Sindbad der Seefahrer“, sagt eine Mitreisende.

Bereits seit den Anfängen des Tourismus in Ägypten ist eine Schifffahrt auf dem Nil die bequemste und beliebteste Art, die antiken Stätten entlang des Flusses zu besuchen. Zuerst waren es Feluken, also kleine Segelboote, auf denen Reisende auf dem Fluss kreuzten. Später folgten luxuriöse Raddampfer.

Inspiriert von so einer Kreuzfahrt auf dem Dampfer „Sudan“ schrieb die Britin Agatha Christie, die zu erfolgreichsten Autorinnen der Welt zählt, in den 1930er-Jahren ihren Bestseller „Tod auf dem Nil“. Mittlerweile befahren vor allem riesige Hotelschiffe den Strom, etwa 300 sind es. Und eben Dahabiyas, wie die „Queeny of The Nile“, die man als Boutique-Hotelschiff bezeichnen kann. Verlässliche Statistiken darüber, wie viele Dahabiyas auf dem Nil kreuzen, gibt es nicht.

Eine Erfindung der Moderne sei die Dahabiya aber keineswegs, erklärt Katharina Németh später beim Frühstück. Sie ist Schweizerin und Besitzerin der „Queeny“, hin und wieder nimmt sie an Reisen auf ihrem Schiff teil. „In jahrtausendealten Gräbern hat man Abbildungen solcher Boote gefunden. Daher weiß man, dass bereits die Pharaonen auf Dahabiyas den Nil bereisten.“

Der Name leite sich aber vom arabischen Wort Dahab ab, was Gold bedeutet. „Auch die Araber, die im Mittelalter über Ägypten herrschten, segelten mit Dahabiyas auf dem Nil, und die waren reich mit Gold verziert“, fügt Németh hinzu, die bereits als junge Frau bei Tauchurlauben am Roten Meer ihr Herz an Ägypten verlor.

„Was mir an meiner ersten Kreuzfahrt mit einer Dahabiya besonders gefiel, war das gemächliche Tempo. Es geht nicht darum, möglichst schnell von A nach B zu gelangen, sondern diese wunderbar entschleunigte Art des Reisens wiederzuentdecken.“

Haltmachen, wo andere vorbeituckern

Ein weiterer Vorteil der Dahabiya: Aufgrund ihres flachen Rumpfs kann das Schiff an praktisch jeder Stelle des Ufers festmachen, also auch dort, wo die großen Flusskreuzer nicht hinkommen. Die Passagiere haben dadurch die Möglichkeit, Orte abseits ausgetretener Touristenpfade zu entdecken. So legt die „Queeny“ am Nachmittag des ersten Reisetages in Al Hegz an, einem Dorf wie viele andere Dörfer am Nil, in denen das Leben nach wie vor stark von Landwirtschaft geprägt ist.

Die Gäste erhalten hier einen Einblick in das Leben am Fluss. Sie erfahren, wie Felder bewirtschaftet werden, sehen Frauen beim Brotbacken zu sowie den Dorfältesten beim Dominospielen.

Als Katharina Németh 2018 eine Erbschaft machte, fasste sie den Entschluss, gemeinsam mit einem ägyptischen Freund eine eigene Dahabiya zu bauen. Ihre Motivation: „Ägyptische Tradition und Schweizer Qualität, historisches Flair und den Luxus modernen Reisens zu vereinen.“ Während der Ägypter sich um Bürokratie und Handwerker kümmerte, steckte die Baslerin viel Herzblut in Planung und Gestaltung der Räumlichkeiten.

Herausgekommen ist ein Schiff mit zehn geräumigen Kabinen (mit Panoramafenstern) plus zwei Suiten (mit kleinem Balkon). Alle Unterkünfte sind mit eigenem Bad, mit Schränken für die Garderobe und Klimaanlage ausgestattet. Das Interieur beeindruckt durch stilsichere, zurückhaltende Eleganz. Handgefertigte Holzmöbel im Biedermeierstil, goldfarbene Messingbeschläge, kunstvolle Holzverzierungen, elegante Alabaster-Skulpturen und feine Stoffe prägen das dezent orientalische Ambiente.

Passend zur Reisegeschwindigkeit folgt auch das Leben an Bord einem ruhigen, sehr entspannten Rhythmus: Der Tag beginnt meist mit dem Besuch eines Tempels oder einer anderen Sehenswürdigkeit, gefolgt von einem Lunch und schließlich einer Siesta in der Kabine oder auf einer der Liegen auf dem Sonnendeck – ein guter Platz, um die zauberhafte Landschaft auf beiden Seiten des Ufers im Zeitlupentempo vorbeiziehen zu lassen.

Dattenpalmen und Minarette ziehen vorbei

Sattgrüne Felder und Schilfgürtel, Dattelpalmen und Mango-Plantagen, Siedlungen mit Lehmgebäuden und Minaretten wechseln sich ab. „Alles kommt zu uns, wie wir so fahren“ – so beschrieb der österreichische Lyriker Rainer Maria Rilke seine Eindrücke während einer Nilkreuzfahrt 1911. 114 Jahre später trifft das noch immer zu.

Die Mahlzeiten werden auf dem überdachten Teil des Sonnendecks serviert. Chefkoch Qenawy Muhammad, ein freundlicher Mann, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt, verwöhnt die Passagiere mit traditionell ägyptischen Gerichten wie Koshari, einem Eintopf aus Hühnchenfleisch mit Linsen, Kichererbsen und karamellisierten Zwiebeln, oder mit anderen lokalen Spezialitäten wie Babaganusch – gegrillten Auberginen mit Sesampaste – und natürlich gegrilltem Fisch. Mit Mohamed Abdulla gibt es sogar einen Patissier an Bord, der seine liebevoll dekorierten, köstlichen Desserts tagtäglich eigenhändig gut gelaunt von der Kombüse aufs Sonnendeck trägt.

Während die großen Nildampfer abends in großen Häfen anlegen und sich dort Tausende Passagiere durch die trubeligen Orte schieben, von Lokal zu Souvenirshop, ankert die „Queeny“ fernab auf dem Land. Es ist dort wunderbar still, die Palmen zeichnen sich im Zwielicht des schwindenden Tags ab wie ein Scherenschnitt, die Oberfläche des Nils glänzt silbrig.

Man kann sich kaum entscheiden, ob so ein farbenprächtiger Sonnenuntergang schöner ist als der aufkeimende Morgen. Muss man auch nicht – man kann sich ja den Wecker stellen und beides haben.

Tipps und Informationen:

Wie kommt man hin? Aktuell gibt es keine Nonstop-Flüge von Deutschland nach Luxor. Egypt Air fliegt beispielsweise mit Umsteigen in Kairo, Aegean Airlines mit Zwischenhalt in Athen.

Dahabiya-Reisen: Die „Queeny of the Nile“ kreuzt jeweils sechs Tage/fünf Nächte zwischen Assuan und Esna (mit Ausflugsmöglichkeit nach Luxor), ab 2426 Euro pro Person in der Doppelkabine, Kabinen-Einzelnutzung ab 3880 Euro; im Preis sind Vollpension, Getränke ohne Alkohol, Transfers und Ausflugsprogramm enthalten (queeny-of-the-nile.com). Merit Dahabiya segelt mit mehreren, weniger opulent ausgestatteten Schiffen zwischen Assuan und Luxor, angeboten werden vier- und achttägige Reisen ab 1470 Euro pro Person in der Doppelkabine (meritdahabiya.com). Memphis Tours bietet auf derselben Nilroute Fahrten mit der „Nebeyt“ an, vier Tage ab 2665 Euro pro Person in der Doppelkabine (deutsch.memphistours.com).

Weitere Infos: egypt.travel

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von der Schweizer Airline Edelweiss und der Kreuzfahrtgesellschaft Queeny Of The Nile. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke