Bilderbuch-Italien, aber ohne Massentourismus? In Apulien gibt es das noch
Wer Olivenöl mag, wird mit ziemlicher Sicherheit schon einmal welches aus Apulien verzehrt haben, denn rund 40 Prozent des italienischen Olivenöls kommen von der „Hacke“ des italienischen Stiefels, wo an die 60 Millionen Olivenbäume wurzeln – nicht ohne Grund ziert ein Exemplar die apulische Regionalflagge. Seit 2013 befällt das Xylella-Bakterium leider immer mehr Bäume und tötet sie ab, zum Glück wurden aber resistente Arten gezüchtet und neu gepflanzt. Das apulische Olivenöl ist kräftig-würzig.
Die Region
Bekannt ist Italiens Südosten auch für charaktervolle Weine aus Rebsorten, die ausschließlich oder ursprünglich von hier stammen, darunter die roten Primitivo und Negroamaro sowie der weiße Verdeca. Als internationales Reiseziel wurde Apulien erst in den letzten ein, zwei Jahrzehnten entdeckt.
Großflächigen Overtourism wie in Venedig oder an der Amalfiküste gibt es hier nicht, auch wenn sich Orte wie Lecce (berühmt für seine barocke Pracht), Ostuni (die „weiße Stadt“ auf Hügeln mit Adriablick), Polignano a Mare (Instagram-Hotspot wegen seiner Klippen und Grotten) und Bari (verwinkelte Altstadt und Pasta-Kultur) wachsender Beliebtheit erfreuen.
Dank des milden, warmen Klimas dauert Apuliens Badesaison von Mai bis in den November hinein. An der 800 Kilometer langen Küste an Adria und Ionischem Meer gibt es vielerorts geschützte Buchten, Sandstrände und bewirtete Beachclubs.
Italiens Schlumpfhausen
Überall weiß getünchte Rundhäuser mit Kegeldächern: Beim Schlendern durch Alberobello würde man sich nicht wundern, wenn man in den Gassen ein paar Schlümpfen begegnete. Trulli heißen diese hübschen Pilzhäuschen, von denen es in dem Städtchen rund 1500 gibt, darunter sogar eine Kirche in Trullo-Form.
Die einmalige Trulli-Dichte hat Alberobello 1996 den Titel Unesco-Weltkulturerbe und einen massiven Besucherandrang beschert; inzwischen wurden viele Trulli zu Hotels oder Ferienhäusern umgebaut.
Typisch für die Trulli, die in Apulien oft auch auf dem Land stehen und den Bauern als Unterschlupf dienen, ist neben der putzigen Form die Bauweise ohne Zement und Mörtel – sie können bei Bedarf schnell ab- und wieder aufgebaut werden.
Einem solchen Bedarf verdankt Alberobello seine vielen Trulli: Im 17. Jahrhundert ließ der damalige, für seinen Geiz bekannte Landesherr jede Menge dieser Häuser hochziehen, weil sie im Falle einer Steuerinspektion flugs zum Einsturz gebracht werden konnten – für einen Steinhaufen musste schließlich keine Haussteuer gezahlt werden.
Prominente Gäste
Apulien hat viele Fans: Pro Jahr werden inzwischen rund sechs Millionen Urlauber gezählt, darunter sind auch viele Prominente. So hat der Beckham-Clan hier bereits mehrfach Ferien gemacht und das Luxusresort „Borgo Egnazia“ als Domizil gewählt.
Weltstar Madonna kommt regelmäßig und hat hier schon mehrere Geburtstage gefeiert. Im Apulien-Urlaub gesehen wurden auch George Clooney, Naomi Campbell, Jude Law und Sienna Miller.
Zu den größten Apulien-Liebhabern zählt Hollywood-Legende Helen Mirren, die im Salento, einem Landstrich ganz im Süden, seit fast 20 Jahren ein Haus besitzt und dort mehrere Monate im Jahr lebt. Manchmal ist sie auch in der „Farmacia Balboa“ im Städtchen Tricase anzutreffen – Mirren ist nämlich Mitbesitzerin dieser stilvollen, gut bestückten Cocktailbar.
Deutsches Schloss in Süditalien
3.877.539.309 Exemplare wurden von der italienischen Ein-Cent-Münze zwischen 2002 und 2018 insgesamt geprägt – die Wahrscheinlichkeit, dass Sie eine davon in ihrem Portemonnaie haben, ist angesichts der schieren Menge nicht gering. Die Kupfermünze zeigt auf der Rückseite eines der berühmtesten Gebäude Apuliens: das achteckige Castel del Monte.
Es hat acht achteckige Ecktürme, acht Räume auf jeder Etage und einen achteckigen Innenhof. Seit 1996 ist es Unesco-Weltkulturerbe. Friedrich II. aus dem Adelsgeschlecht der Staufer (und ab 1220 römisch-deutscher Kaiser) ließ den Prunkbau zwischen 1240 und 1250 auf einem Hügel im Hinterland von Bari errichten.
Die markante Burg, die wie die Kulisse eines Fantasy-Films wirkt, ist von Weitem sichtbar – ihr Zweck ist bis heute unklar. Je nach Historiker-Deutung diente sie als Jagdschloss, als Schatzkammer oder als symbolische steinerne Krone Apuliens.
Da kleine Münzen in Italien traditionell als Portemonnaie-Ballast verschrien und entsprechend unbeliebt sind, werden seit 2018 keine neuen italienischen Ein- und Zwei-Cent-Stücke mehr ausgegeben; stattdessen wird auf den nächsten Fünf-Cent-Betrag auf- oder abgerundet. Das Klimpergeld kann aber weiterhin verwendet werden.
Aus der Not geborenes Traditionstörtchen
Wer in Apulien Urlaub macht, sollte sich unbedingt durch die gut sortierten Konditoreien probieren, die es selbst in kleineren Orten gibt. Fast jede hat Pasticciotti im Angebot: Das sind knusprige, mit Schmalz gebackene, mit Vanillecreme gefüllte, oval geformte Mürbeteigtörtchen – unwiderstehlich. Lauwarm schmecken sie am besten.
Als Erfinder der Pasticiotti gilt die „Pasticceria Ascalone“ im Städtchen Galatina, wo der Konditor im Jahr 1745 aus Resten von Teig und Creme das Gebäckstück zauberte. Er nannte es Pasticciotto, was übersetzt „kleines Durcheinander“ heißt.
Es wurde in Galatina sofort ein Erfolg und bald darauf in ganz Apulien. Bis nach Neapel reichte der gute Ruf der Törtchen: Ascalone belieferte dort sogar den Königshof mit seiner süßen Köstlichkeit.
Volkskeramik mit Glückssymbol
Keramik wird in Apulien bereits seit Jahrtausenden gefertigt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich die typische apulische Volks- oder Bauernkeramik: Cremefarbene Teller, Schalen, Krüge und Vasen, die mit zarten fünf- oder sechsblättrigen Blüten aus blauer Glasur verziert sind.
Früher galt dieses Motiv als Glückssymbol, es ist bis heute populär. Dieses traditionelle Geschirr wird vor allem in Grottaglie im Norden und Cutrofiano im Süden in kleineren Manufakturen produziert und eignet sich gut als Souvenir. Wer sich für Hintergründe interessiert, findet in Cutrofiano ein kleines, feines Keramikmuseum.
Das Zitat
„Volare, oh, oh / Cantare, oh, oh, oh, oh!“
Dies ist der Refrain aus dem Welthit „Nel blu, dipinto di blu“, den der italienische Sänger und Komponist Domenico Modugno 1958 schuf. Er wurde 1928 im apulischen Polignano a Mare geboren, sein berühmter Ohrwurm handelt vom Fliegen, vom Singen, der Farbe Blau und vielen ohs.
Er belegte 1958 beim Grand Prix d’Eurovision den dritten Platz, ist aber mit mehr als 22 Millionen weltweit verkauften Platten und über 100 Cover-Versionen eines der erfolgreichsten Songs des europäischen Gesangwettbewerbs.
Modugnos Heimatort warb lange damit, dass der Künstler sich das Lied am blauen Meer von Polignano ausgedacht habe, doch Modugno und sein Co-Texter erklärten später, die Idee sei in Rom beim Blick in den blauen Himmel und einer Flasche Rotwein entstanden. Oh, oh!
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