Alternative für die USA – Warum sich ein Besuch Torontos gerade jetzt lohnt
Viele Kanadier sind auf die USA und ihren übergriffigen Präsidenten nicht gut zu sprechen. Seit Donald Trump verkündete, ihr Land zum 51. Bundesstaat machen zu wollen, kriselt es zwischen den Nachbarn. Die Kanadier machen lieber im eigenen Land als in Florida oder Kalifornien Urlaub.
Auch viele Deutsche sind zunehmend zurückhaltend mit USA-Buchungen. Davon profitiert Kanadas Tourismus, insbesondere die Großstädte sind gefragt, allen voran die Metropole Toronto. Die bietet jede Menge Highlights, die sie zu einer echten Alternative für die nächste Nordamerika-Reise machen.
„Die Krise zwischen Kanada und den USA ist eine fortwährende Geschichte“, sagt Mike Wonnacott, aber das habe auch positive Effekte: „Sie sichert meinen Job, denn die Leute wollen gerade jetzt viel über die Vergangenheit Nordamerikas erfahren, auch immer mehr Europäer“.
Er arbeitet als Guide im Fort York, einer Festung unweit des Ontariosees, an der die heutige Stadt Toronto 1793 von den Briten gegründet worden ist. „Mit dem Fort wollte sich die britische Krone, zu der Kanada bis heute gehört, vor Angriffen der US-Amerikaner schützen“, erzählt Wonnacott, während er über das grasbewachsene Gelände schreitet, das von glitzernden Wolkenkratzern umgeben ist.
Das mit der Verteidigung klappte nur bedingt, denn im April 1813 überrannten die Amerikaner die Festung und plünderten York, ein Jahr später rächten sich die Briten, indem sie das Weiße Haus in Washington, D.C., anzündeten. „Ohne das Tauziehen beider Länder um die Vorherrschaft an den Großen Seen gäbe es Toronto wahrscheinlich nicht“, sagt Wonnacott.
Aus York wurde Toronto
Durch den amerikanischen Druck bauten die Briten York zur Garnisonsstadt aus, die zur größten Stadt Oberkanadas wurde und 1834 den Namen Toronto erhielt – auch um sich vom amerikanischen New York zu unterscheiden.
1867 übernahm das neu gegründete Kanada die Stadt, in deren Großraum heute gut acht Millionen Menschen leben. Übersetzt in der Sprache der Ureinwohner, die schon lange vor der Ankunft der Europäer dort siedelten, ist Toronto der „Ort, an dem die Bäume im Wasser stehen“ – ein Hinweis auf den nahen Ontariosee.
Fort York ist heute ein sehenswertes Freilichtmuseum mit Kasernen im Blockhausstil, Backsteingebäuden, historischen Munitionsdepots, gusseisernen Kanonen; eine Tour ist wie eine Reise in die koloniale Vergangenheit.
Auch sonst hat Toronto einiges Historisches aus dieser Ära zu bieten, etwa St. Lawrence Market, eine pompöse Klinkerhalle, die den ältesten Markt der Stadt beherbergt. Er geht auf das Jahr 1803 zurück. 120 Farmer, Händler und Handwerker bieten dort ihre Waren an, vom kanadischen Ahornsirup bis zu Manufaktursenf.
Gleich nebenan geht es in den Distillery District. Das kopfsteingepflasterte Viertel samt Fabrikgelände aus dem 19. Jahrhundert gilt als größtes zusammenhängendes Ensemble viktorianischer Industriearchitektur in ganz Nordamerika. Wo einst die weltgrößte Brennerei Gooderham & Worts zu Hause war, ist heute ein Vergnügungsviertel entstanden. Aus den Bars, Kneipen und Restaurants schallt Musik, auf der Trinity-Bühne gibt es bei gutem Wetter Live-Acts – von Klassik über Jazz und Folk bis Country.
Einige Straßenzüge weiter Richtung Seeufer fällt das John Street Roundhouse auf, ein Eisenbahnschuppen der Canadian Pacific Railway von 1929. In dem halbkreisförmigen Gebäude aus Ziegeln und Stahl wurden früher Dampflokomotiven gewartet. Heute ist dort das Brauhaus Steam Whistle untergebracht, das für seine spritzigen Pilsener bekannt ist.
Auf geführten Touren erfährt man viel über die Bedeutung der Eisenbahn in Kanada, die bei der Erschließung des riesigen Landes einst eine wichtige Rolle spielte. Danach führt der Guide durch die Produktions- und Abfüllanlagen der Brauerei – ein Pilsener zum Probieren gehört erfreulicherweise dazu.
Rekorde in Toronto
Der Aufzug rauscht mit 22 Kilometern pro Stunde nach oben. Das Herz rast, die Ohren drücken. Durch die Glaswand sieht man Bürotürme, die mit jeder Sekunde kleiner werden, bis nach knapp einer Minute die Aussichtsplattform des CN Towers erreicht ist.
Der Fernsehturm ist die Hauptattraktion von Toronto und im Wortsinn ein Höhepunkt: Mit Antenne misst er über einen halben Kilometer, genau 553 Meter, damit ist er das höchste Bauwerk Nordamerikas. Die obere Aussichtsplattform liegt mit 447 Metern so hoch wie keine andere in der westlichen Welt.
Bei gutem Wetter reicht der Blick über den Ontariosee bis zu den Niagarafällen, 60 Kilometer Luftlinie entfernt. Wagemutige können im Turm über einen schwindelerregenden Glasboden schreiten oder sich im Freien angeseilt am äußeren Rand des Zwischendecks entlanghangeln – nichts für Weicheier.
Gute Nerven braucht auch Ricardo Alba. Der Manager des „360 Restaurant“ im CN Tower verwaltet den höchsten Weinkeller der Welt (ausgezeichnet vom „Guinness-Buch der Rekorde“), wobei „Keller“ die Sache auf den Kopf stellt, denn der Wein befindet sich in luftiger Höhe in einem gläsernen Kühlraum.
Fast 10.000 Flaschen lagern dort, die teuerste kostet über 8000 kanadische Dollar (rund 4900 Euro). Das Turm-Restaurant dreht sich in 72 Minuten einmal um die eigene Achse und erlaubt Besuchern, die am Fenster sitzen, einen unverbaubaren Rundumblick auf die Stadt.
Im Untergrund bietet Toronto ebenfalls Rekorde: Fußgängertunnel ziehen sich auf 30 Kilometern durch die Innenstadt. Sie schützen im Winter vor der eisigen Kälte und verbinden 1200 Geschäfte – es ist das größte unterirdische Einkaufszentrum der Welt.
Großstadttrubel wie am New Yorker Times Square hat auch Toronto zur Genüge: Die Kreuzung von Dundas und Yonge Street ist die geschäftigste der Stadt – und zu besonderen Gelegenheiten ein gigantischer Veranstaltungsort. Gewinnt zum Beispiel Kanada bei Olympia die Goldmedaille im Eishockey, versammelt sich auf der Kreuzung gefühlt die halbe Stadt.
Die Band R.E.M. und Weltstar Beyoncé haben sie bereits als Freilichtbühne benutzt, und Dragqueens dient die berühmte Kreuzung regelmäßig als Laufsteg bei Kanadas größter Christopher-Street-Day-Parade, die jedes Jahr im Juni stattfindet.
Jeder zweite Bewohner außerhalb Kanadas geboren
In einigen Stadtvierteln kommt man sich vor wie in Asien – überall fremde Schriftzeichen, exotische Gerüche, fernöstliches Sprachengewirr. In Toronto gibt es gleich mehrere Chinatowns, dazu Little Tokyo, Little India, Korea Town und sogar Little Tibet. Tatsächlich ist Toronto mindestens so vielfältig wie New York: Jeder zweite Bewohner wurde außerhalb Kanadas geboren, in der Stadt leben über 200 ethnische Gruppen, der Telefonnotruf bietet seine Dienste in 150 Sprachen an.
Jusep Sim ist einer von über zwei Millionen asiatischstämmigen Bewohnern Torontos, er kam als Kind mit seinen Eltern aus Korea hierher. Er liebt die Küche, die Gerüche und den Geschmack seiner Heimat, machte als Erwachsener seine Leidenschaft zum Beruf und gründete Chopsticks & Forks, einen Anbieter für Food-Touren.
„Toronto hat die vielfältigste Food-Szene der Welt, wobei asiatische Küchen überwiegen“, sagt Sim, während er Besucher zu Lokalen und Streetfood-Imbissen in Kensington Market führt, einem der buntesten Viertel der Stadt. Ein Heimspiel hat er im „Ka Chi“-Restaurant in der Andrew Street, in dem würzige Bulgogi serviert werden, Rindfleisch-Tacos mit Chili-Paste und Sojasoße.
Wer auf chinesischen Nudelsuppen steht, der geht am besten in die „Shi Miao Dao“-Suppenküche an der Spadina Avenue. Die Brühen werden nach der Art der Yunnan-Provinz zubereitet und zeichnen sich durch intensive Aromen und regionale Zutaten wie wilde Morcheln aus. Besonders lecker: die würzig-saure Golden Rice Noodle Soup mit Schweinefleisch, Wachteleiern und Goji-Beeren.
Nur ein paar Schritte weiter gelangt man nach Old Chinatown, zwischen Spadina Avenue und Dundas Street gelegen. Die Straßenschilder sind zweisprachig, die Märkte quellen über mit exotischen Waren aus Fernost wie Lotuswurzeln oder gesalzenen Enteneiern. Die leckersten chinesischen Dim-Sum-Teigtaschen Torontos tischt dort Eric Chong auf, der in seinem Restaurant „R&D“ asiatische Tradition mit jugendlicher Experimentierfreude verbindet.
In Little Tokyo, einem Straßenabschnitt auf der Dundas Street, haben sich wiederum viele Japaner niedergelassen – die Sushi-Auswahl hier kann durchaus mit der in japanischen Metropolen mithalten. Zum Beispiel im „Japango“ in der Elizabeth Street, einem winzigen Lokal mit Hinterzimmer-Atmosphäre, das an traditionelle Sushi-Bars in Tokio, Kyoto oder Osaka erinnert.
Ein Abstecher in den Vorort Parkdale ist eine Reise in eine andere Welt: nach Little Tibet, die Heimat der größten tibetischen Exilgemeinde in Nordamerika. In vielen Schaufenstern wehen bunte Gebetsfahnen, in den Restaurants werden Momos serviert, gedämpfte Teigtaschen mit Chilisoße. Mit etwas Glück findet in einem buddhistischen Tempel gerade ein Puja statt, ein spirituelles Meditations-Ritual, bei dem die Gläubigen Opfergaben wie Blumen und Räucherkerzen mitbringen.
Wildes Leben in Torontos Stadtpark
Irgendetwas raschelt im Gebüsch. Ein Bär, ein Kojote oder bloß eine Maus? „Ab und zu streifen Schwarzbären durch den Park“, warnt Rangerin Hayley Lashmar – und die Wanderer halten inne. Bären in Toronto?
Häufig komme es nicht vor, doch ab und zu verirre sich tatsächlich ein Bär in den Rouge National Urban Park, Kanadas einzigen städtischen Nationalpark im Westen Torontos, sagt Lashmar. Mehr als 1700 Tier- und Pflanzenarten sind in dem 80 Quadratkilometer großen Schutzgebiet am Ufer des Rouge River heimisch – gerade mal 30 Autominuten vom CN Tower entfernt. Neben vereinzelten Bären streifen hier Weißwedelhirsche, Waschbären, Kojoten, Dachse, Stachelschweine und Biber durch das Unterholz, im Uferbereich sind auch Schildkröten unterwegs.
Toronto ist überraschend grün: Fast ein Fünftel der Stadtfläche besteht aus Parks, Wiesen, Wäldern, Schluchten, Flusstälern, Stränden. Im Rouge National Urban Park können Besucher wandern, Fahrrad fahren, paddeln oder angeln – auf Wunsch unter Anleitung von Rangern. Im Herbst ist es hier besonders schön, dann lässt sich der Indian Summer mit dem rot-gelb-orange gefärbten Laub sogar im Stadtgebiet bewundern.
Wer eine Fährfahrt bevorzugt, schippert zu den Toronto Islands, 15 vorgelagerten Inseln im Ontariosee, die über Stege und Brücken miteinander verbunden sind. Sie bestehen aus Dünen, Gräsern und Wäldern und breiten sich wie eine sichelförmige Sandbank vor Torontos Skyline aus.
Am besten macht man es wie die Einheimischen: Man schnappt sich einen Picknickkorb und entspannt sich auf einer Wiese oder bei gutem Wetter an einem der vier Sandstrände, von denen Hanlan’s Point Beach einer von nur zwei offiziellen FKK-Stränden in Kanada ist.
Unbedingt besuchenswert sind die Flusstäler und tiefen Bachläufe der Stadt – die zusammen rund 150 Ravines, Valleys und Creeks sind Überbleibsel aus der Eiszeit, so viele wie in keiner anderen Metropole der Welt. Wer einen guten Eindruck bekommen will, besucht die Evergreen Brickworks, ein Naturschutzgebiet am Don River mit Spazierwegen, Seen, Besucherzentrum, Café und Gewächshäusern. Hier sind Begegnungen mit Schwarzbären nicht zu befürchten; Waschbären sind die einzigen bärenartigen Tiere, die am Don River unterwegs sind.
Abstecher zu den Niagarafällen
Wasser rauscht, die Brille beschlägt, die Gischt prasselt auf die roten Plastikumhänge der Besucher: Ein Toronto-Besuch wäre ohne einen Abstecher zu den Niagarafällen nicht komplett. In rund zwei Stunden ist man da, wer will, kommt auch mit dem Bus hin.
Am eindrucksvollsten ist eine Bootsfahrt in die Nähe des tosenden Wassers, von dem bis zu 3000 Tonnen pro Sekunde knapp 60 Meter in die Tiefe rauschen. Dass man dabei klatschnass wird, gehört zum Erlebnis dazu. Ähnlich unvergesslich ist ein Besuch der unterirdischen Tunnel, die einen Blick hinter die Abbruchkante der Wasserfälle erlauben.
Ein zweites spannendes Ausflugsziel ist die Niagara-Halbinsel, wo das Klima für kanadische Verhältnisse besonders milde ist. Hier haben sich an die 120 Weingüter angesiedelt – die Gegend ist Kanadas führendes Weinbaugebiet. Nach dem Großstadttrubel in Toronto kann man sich hier nicht nur an Bilderbuchlandschaften erfreuen, sondern auch bei Weinproben entspannen.
Zu den schönsten gehört die Reif Estate Winery, geführt vom deutschen Auswanderer Klaus Reif, bekannt für ihren frischen Riesling mit Pfirsich-Limetten-Note. Beliebt sind auch die Ravine Vineyards im historischen Städtchen Niagara-on-the-Lake. Die Cuvée Reserve Red schmeckt fruchtig-würzig mit leichter Schokoladennote, dazu passen Köstlichkeiten wie selbst geräucherter Schinken und hausgemachte Antipasti.
Kanada und der Eiswein
Und dann ist da das Weingut Inniskillin, dessen Aushängeschild der Vidal Icewine ist – der gewann 1991 als erster kanadischer Eiswein den Grand Prix d’Honneur auf der Vinexpo in Bordeaux. Damals eine Sensation! Andere Weingüter zogen nach, mittlerweile sind die aromatisch-süßen, zugleich knackig-frischen Dessertweine, die vor den Toren Torontos gedeihen, weltberühmt.
Wer eine Reise im Winter plant, sollte im Januar kommen: Dann findet an den letzten beiden Wochenenden das alljährliche Niagara Icewine Festival statt, das das verschneite Städtchen in ein Winterwunderland verwandelt, mit Eisskulpturen und Feuerstellen. Gut 30 Winzer bieten Kostproben ihrer Süßweine an, weiße und rote, die allesamt ungeahnte Geschmacksexplosionen bieten und mit jedem Schlückchen beweisen, dass Eiswein für Kanada längst so wichtig ist wie Champagner für Frankreich.
Tipps und Informationen:
Wie kommt man hin? Nonstop fliegen Lufthansa und Air Canada von Frankfurt/Main und München nach Toronto, Condor hat Toronto ab Frankfurt im Programm. Ab Mai 2026 plant Air Transat Nonstop-Flüge von Berlin.
Wo wohnt man gut? Das „Gladstone House“ wurde 1889 eröffnet und ist das älteste Hotel der Stadt, es liegt im Trendbezirk Queen Street West und wurde umgebaut zu einem charmant-modernen Boutique-Hotel, Doppelzimmer ab umgerechnet 160 Euro (gladstonehouse.ca). In Old Chinatown ist das „Hotel Ocho“ mit seinen hellen, funktional eingerichteten Zimmern zu empfehlen, Doppelzimmer ab 122 Euro (hotelocho.com).
Aktivitäten: Das historische Fort York ist geöffnet mittwochs bis sonntags von 11–16 Uhr, Eintritt frei, kostenlose Führungen werden stündlich angeboten (toronto.ca/explore-enjoy/history-art-culture/museums/fort-york-national-historic-site), das Fort ist mit der Straßenbahnlinie 509 zu erreichen, Haltestelle Fleet Street/Fort York. Der CN Tower liegt im Stadtzentrum, täglich geöffnet von 10–21 Uhr, Eintritt ab 28 Euro, der Edgewalk im Freien kostet ab 123 Euro (cntower.ca). Food-Touren mit Chopsticks & Forks finden täglich um 11 Uhr im Stadtviertel Kensington Market statt, 73 Euro, Dauer rund 2,5 Stunden (chopsticksandforks.com). Tagestouren von Toronto zu den Niagarafällen per Bus werden beispielsweise von Niagara & Toronto Tours angeboten, ab 80 Euro, Dauer: acht Stunden (niagaratorontotours.com)
Weitere Infos: destinationtoronto.com; destinationontario.com/de-de/deutschland; travel.destinationcanada.com/de-de
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Destination Toronto und Destination Ontario. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit
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