Gute regionale Küche, viel Natur und eine nachhaltige Stadtentwicklung – darauf setzt die Metropole an der Mündung des Flusses Vilnia in die Neris. „Vilnius ist eine frische Brise, eine Hochburg der Nachhaltigkeit im Baltikum“, schreibt etwa „Lonely Planet“, der internationale Reiseführer für Individualurlauber, der Litauens Hauptstadt zum europäischen Reisetipp 2025 erklärt.

Die Europäische Kommission kürte Vilnius zur „Grünen Hauptstadt Europas 2025“ und tatsächlich machen Grünflächen gut 60 Prozent der Stadt aus. „Vilnius – the Green City“ heißt dann auch eine von vielen Fußgängerrouten, die die Website „Walkable Vilnius“ für Touristen verzeichnet, die auf eigene Faust unterwegs sind. Vom historischen Bernhardiner-Garten geht es über den Kalnai-Park („Park der Hügel“) am Ufer der Vilnia entlang, auf der auch Paddel-Touren angeboten werden.

Es heißt, man könne von jedem Punkt in Vilnius mindestens drei Kirchtürme sehen. Tatsächlich hat allein das Stadtzentrum mehr als 50 Gotteshäuser. Das, verbunden mit der hügeligen Lage und den barocken Bauten italienischer Meister aus dem 16. Jahrhundert, trugen ihm den Beinamen „Rom des Ostens“ ein.

Allerdings ist Vilnius weit mehr als eine baltische Kopie der italienischen Metropole. „Trotz Invasionen und teilweiser Zerstörung hat sich die Stadt einen beeindruckenden Komplex von Gebäuden aus Gotik, Renaissance, Barock und Klassizismus erhalten, dazu die mittelalterliche Stadtgestaltung und natürliche Umgebung“, heißt es in der Begründung der Unesco, die Vilnius’ Altstadt bereits 1994 zum Weltkulturerbe erklärte.

1. Historisches Zentrum und älteste Kirche des Landes

Wunderbar erleben lässt sich das bei einem Spaziergang durch das historische Zentrum. Wer sich nebenbei noch einen geheimen Wunsch erfüllen will, startet am besten vor der Kathedrale. Sie gilt als älteste Kirche des Landes, wobei ihr heutiges Aussehen klassizistisch geprägt ist. Vom Glockenturm aus genießen Besucher einen hervorragenden Blick auf die Stadt. Der weitläufige Platz vor der Kirche soll bereits zu vorchristlicher Zeit eine religiöse Kultstätte gewesen sein.

Und ein Volksbrauch besagt, dass Wünsche wahr werden, wenn man sich auf einer bestimmten Stelle um die eigene Achse dreht. Praktischerweise ist dieser Punkt markiert – durch eine Platte mit der Aufschrift „Stebuklas“, übersetzt „Wunder“. Sie gilt auch als Erinnerung an die längste Menschenkette der Geschichte: Am 23. August 1989 bildeten rund zwei Millionen Balten eine über 600 Kilometer lange Verbindung zwischen Tallinn, Riga und Vilnius, um für ihre Freiheit und Unabhängigkeit von der Sowjetunion zu demonstrieren.  

Wie es war, dabei zu sein, erleben Besucher in einer interaktiven Ausstellung im nahen Gediminas-Turm. Der letzte Festungsturm der Oberen Burg ist das Wahrzeichen von Vilnius. Auf dem Hügel, auf dem er steht, soll im Jahr 1316 ein heulender Wolf aus Eisen dem litauischen Großfürsten Gediminas die Entstehung dieser Stadt im Traum vorhergesagt haben.

Heute beherbergt der Bau den beliebtesten Ableger des Litauischen Nationalmuseums. Hier entführen Multimedia-Ausstellungen die Besucher in verschiedene Epochen vom 14. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Nur 300 Meter weiter, im Alten und Neuen Arsenal des Burgkomplexes, zeigt das Nationalmuseum prähistorische Fundstücke und historische Exponate – von Kultgegenständen aus der litauischen Frühzeit bis zu Trachten, Möbeln und Volkskunst.

Auch den klassizistischen Präsidentenpalast sollten Besucher nicht nur von außen besichtigen. Am Wochenende gibt es kostenlose Touren durch das prächtige Gebäude, in dem bereits der russische Zar Alexander I., der französische König Ludwig XVIII. und Kaiser Napoleon Bonaparte zu Gast waren. Heute ist er das Büro des Präsidenten und repräsentativer Empfangsort für hohen Besuch. Beim sonntäglichen Fahnenwechsel um zwölf Uhr tritt die litauische Ehrenwache in modernen Paradeuniformen sowie in mittelalterlichen Rüstungen auf.  

Beeindruckend ist auch das Tor der Morgenröte. Das einzige erhaltene Stadttor der alten Festungsmauer ist ein bedeutender Wallfahrtsort. In der dortigen Kapelle befindet sich Litauens bekanntestes Renaissance-Gemälde: die Madonna von Vilnius.

Das Bild wird als wundertätig verehrt. Man sagt ihm nach, Krankheiten heilen oder aus Notlagen erretten zu können. Liebhaber zeitgenössischer Kunst werden im MO Museum fündig. Das Gebäude, ein preisgekrönter Bau des Star-Architekten Daniel Libeskind von 2018, beherbergt rund 6000 Arbeiten litauischer Künstler von den 1960ern bis heute.

2. Auf den Spuren von Wilne und jüdischem Erbe

Einst trug Vilnius den Beinamen „Jerusalem des Nordens“. Denn bevor die Nazis im Zweiten Weltkrieg über die Stadt herfielen, war sie mit mehr als hundert Synagogen und Gebetshäusern ein Zentrum der jüdischen Kultur. Über Jahrhunderte hatte die Stadt, die als besonders freigeistig und multikulturell galt, verfolgte Juden aus vielen Teilen Europas angezogen, vor allem aus Russland. Ende der 1930er-Jahre betrug der jüdische Bevölkerungsanteil mit 55.000 Menschen mindestens ein Viertel der Einwohnerschaft. Viele sprachen Jiddisch, sie nannten die Stadt Wilne.

Nachdem die Wehrmacht 1941 Vilnius besetzt hatte, wurde die jüdische Bevölkerung in Gettos gepfercht, Überlebende kamen in Vernichtungslager. Am Ende des Krieges waren fast alle Juden aus Vilnius ermordet. Heute steht mit der Choral-Synagoge von 1903 – im maurischen Stil errichtet – nur noch ein jüdisches Gotteshaus.

Ein Ort, der an das jüdische Leben und seine Vernichtung erinnert, sollte auf keiner Vilnius-Tour fehlen: das Staatliche Jüdische Museum Gaon von Wilna, benannt nach einem Gelehrten. Es berührt mit seiner gut gemachten Dauerausstellung über jüdische Kultur, die Schrecken des Holocausts sowie die jüdische Identität in Geschichte und Gegenwart.

3. Sowjetische Ära und Museum für Okkupation

Die lange Zeit der sowjetischen Besatzung ist in Vilnius noch immer spürbar. Im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts wurde Litauen 1940 sowjetisch; nach der Besetzung durch Nazi-Deutschland ab 1941 eroberte die Rote Armee das Land 1944 zurück. Mit Glasnost und Perestroika unter Gorbatschow wurde erneut der Ruf nach Souveränität laut, doch auf Litauens Unabhängigkeitserklärung vom 11. März 1990 reagierte die Moskauer Zentralregierung mit Panzeraufmärschen und Repressionen. Erst 1991 erkannte die sowjetische Führung die Unabhängigkeit der baltischen Staaten an.  

Es liegt auf der Hand, dass man in Vilnius nicht gut auf das Sowjeterbe zu sprechen ist – dennoch hat es die Stadt geprägt. Unbedingt sehenswert ist das Museum der Okkupationen und Freiheitskämpfe. Untergebracht in einem Gebäude, das bis 1991 Sitz des KGB war, bietet es Details zur Sowjetisierung, dem Guerillakrieg und bewaffneten litauischen Widerstand, zu Massendeportationen, Gulags und der strengen Überwachung durch den KGB.

4. Skurriles Szeneviertel „Jenseits des Flusses“

Zum Aufheitern empfiehlt sich anschließend ein Rundgang durch den Stadtteil Uzupis. Der Name bedeutet „Jenseits des Flusses“, gemeint ist die Vilnia. Sie umschließt das Viertel östlich der Altstadt von gleich drei Seiten; Brücken verbinden die beiden Quartiere.

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs entwickelte sich Uzupis vom verwahrlosten Sowjet-Rotlichtviertel zum angesagten Spielplatz für Kunstschaffende und Intellektuelle. 1997 riefen Studierende der Kunstakademie sogar eine eigene Verfassung für die „Republik Uzupis“ aus.

Auf einer Bronzetafel am Café „Uzupio Kavinė“, das sie zum Regierungssitz erklärten, ist zum Beispiel zu lesen: „Jeder Mensch hat das Recht, gewöhnlich und unbekannt zu sein“, steht dort. Seine „Unabhängigkeit“ zelebriert das Viertel jährlich mit einem Fest am 1. April.

Inzwischen ist das Szeneviertel teurer und schicker geworden, hat sich jedoch sein kreatives Flair bewahrt. Die Künstlerresidenz Uzupis Art Incubator überrascht mit Open-Air-Skulpturen und Ausstellungen. Es macht Spaß, durch Uzupis zu bummeln, in die originellen Läden zu schauen und frischen Sakotis (Baumkuchen) in einer Bäckerei zu genießen.

Das Teehaus „Yugen Tea“ überzeugt mit einer breiten Palette an Tees und Törtchen. Unbedingt probieren: das Tee-und-Schokolade-Gedeck „Sancha and Golden Berry & Banana“, bei dem zu grünem Tee fruchtige Schokolade serviert wird.

5. Kulinarisches mit Knolle 

Litauens regionale Küche basiert vor allem auf Kartoffeln. Klingt eintönig? Von wegen. Die Knollen begeistern als Salat, Auflauf, in Suppen oder als Klöße, gefüllt mit Pilzen, Hackfleisch oder Käse. Kolossal sind die gigantischen Kartoffelklöße namens Cepelinai („Zeppelin“). Nicht versäumen sollten Gäste ein weiteres Nationalgericht: Balandeliai, Krautrouladen mit Hackfleisch- oder Reisfüllung.

Die kulinarische Seele von Vilnius ist sein ältester Markt, die Hales Turgus. Die Markthalle von 1906 ist jeden Tag geöffnet. Auf über 8000 Quadratmetern verführt eine Vielfalt an Gemüse-, Wurst- und Käsesorten, Broten und Gebäck – und vor allem Eingelegtes. Wer Gewürzgurken bisher nur aus dem Supermarkt kennt, sollte sich durch verschiedene Reifegrade testen. Knackig eröffnen sich ungeahnte Geschmackswelten.

Gleich nebenan werden im Restaurant „Baleboste“ koschere Speisen wie Rote-Bete-Suppe oder ofenfrische Bagels mit Pastrami serviert. Wer gern gehoben diniert, wird ebenfalls fündig: Vilnius hat inzwischen vier Restaurants mit Michelin-Stern, darunter das unprätentiöse „Pas Mus“ („Unser Haus“).

Das Team um Chefin Vita Bartininkaite zaubert in der offenen Küche jeden Tag ein neues raffiniertes Menü aus regionalen und fermentierten Zutaten. Ob Pizza mit rohen Jakobsmuscheln, Steinpilz-Tamari oder Eis aus Tomatenwasser – eine Entdeckung!

So wie die Cocktailbar „Nomads“, die außergewöhnliche Drinks mit lokalem Bezug ausgeschenkt – etwa Wermut mit Lavendel und Flieder oder einen Cocktail mit Erbsenpüree. Zu viele Kreationen sollte man aber nicht testen. Sonst läuft man Gefahr, den Trinkspruch „I sveikatą“ („Auf die Gesundheit“) nicht unfallfrei über die Lippen zu bekommen.

Tipps und Informationen:

Wie kommt man hin? Es gibt immer mehr Direktflüge aus Deutschland, etwa von Düsseldorf, Dortmund, München, Nürnberg, Hamburg oder Berlin, etwa mit Air Baltic, Ryanair, Wizz Air oder auch Lufthansa. Alternativ von Kiel oder Rostock mit der Fähre zum litauischen Hafen Klaipeda, weiter mit der Bahn in gut vier Stunden nach Vilnius.

Wo wohnt man gut? Etwa im Boutique-Hotel „Narutis“ in der Altstadt, DZ/F ab 158 Euro (narutis.com). Im „Hotel Vilnia“, ebenfalls in der Altstadt, DZ/F ab 99 Euro (hotelvilnia.lt).

Weitere Infos: govilnius.lt

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Go Vilnius. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit

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