Unesco-Weltkulturerbe: Diese Auszeichnung trägt die Altstadt von Graz seit 1999. Aber das Gefühl, in musealer Nostalgie zu versinken, kommt zum Glück nicht auf, denn die 300.000-Einwohner-Stadt bietet eben nicht nur reichlich Historie, sondern auch viel moderne Architektur und ein fortschrittliches Lebensgefühl – Graz ist eine gesunde Mischung aus gestern und heute.

Zu verdanken hat die steirische Metropole dies vor allem der Tatsache, dass sie 2003 Europas Kulturhauptstadt war. Das bescherte ihr nicht nur einen Bauboom mit teils spektakulären Projekten, sondern auch Zulauf durch ein jüngeres, aufgeschlossenes Publikum.

Hinkommen

Mit dem Zug erreicht man Graz von Berlin aus in etwa zehn Stunden oder von Frankfurt/Main in neun Stunden, jeweils mit Umsteigen in München (von dort dauert die Fahrt rund sechs Stunden). Wer den Nachtzug nimmt, erreicht die Hauptstadt der Steiermark ab Berlin oder Dresden ohne Umsteigen.

Schon bei der Ankunft wird’s modern: Der Grazer Hauptbahnhof wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, der Nachkriegsbau des österreichischen Architekten Wilhelm Aduatz mit der verglasten Eingangshalle steht bereits unter Denkmalschutz. 2003, als Graz Kulturhauptstadt wurde, entwarf Peter Kogler, Medienkünstler und Kunstprofessor, eine großflächige, amorph rot verschlungene Installation auf den Innenwänden.

Rumkommen

In der Innenstadt ist vieles zu Fuß erreichbar. Aber man kann auch in die Bim einsteigen, wie hier die Straßenbahn heißt. Die ist in der Altstadt umsonst.

Leihräder gibt es direkt am Bahnhof in der Radstation, ein E-Bike kostet 32 Euro am Tag, ein Trekkingrad 18 Euro. Graz ist eine besonders fahrradfreundliche Stadt, man radelt auf Radwegen, gemischten Geh- und Radwegen und Radrouten.

Anschauen

Was ist das? Eine überdimensionierte Seegurke aus blaugrünem Glas, ein umgestülpter Riesenmagen? So bezeichnet der Volksmund mit einem Augenzwinkern das moderne Wahrzeichen von Graz, das am Ufer der Mur steht, umringt von Altbauten, einen Steinwurf von der Altstadt am anderen Ufer entfernt.

Es ist ein „friendly Alien“, etwas „freundlich Fremdes“ – so nannten die Architekten Peter Cook und Colin Fournier ihr 2003 gebautes Kunsthaus, das spektakulärste Projekt aus dem Kulturhauptstadt-Jahr. Die Schale aus 1288 Teilen blauen Acrylglases wölbt sich haushoch zwischen der Altstadtbebauung, darunter wird zeitgenössische Kunst gezeigt. Das Kunsthaus hat keine eigene Sammlung, die Wechselausstellungen werden vom Haus kuratiert.

Mit der Aufbruchsstimmung von 2003 hoffte Graz auf den Bilbao-Effekt – der sich auch einstellte. Wie in der baskischen Stadt, in der das Guggenheim-Museum das Umfeld positiv veränderte, hat sich auch das Grazer Lendviertel vom Ruf des Rotlichtmilieus befreit.

Kaum war das Kunsthaus eröffnet, kamen Studenten, Kunstschaffende, Kreative und krempelten die damals noch ziemlich heruntergekommenen Straßen des Quartiers zum Szenebezirk um. Wer hier abends bei gutem Wetter flaniert, kommt sich vor wie in Wiens Mitte.

Nun aber rüber über den Fluss in die Altstadt. Der Weg führt über die künstliche Mur-Insel, ebenfalls 2003 entstanden – eine Pontonbrücke mit gläsernem Café und Bühne; das Ensemble wirkt wie eine überdimensionierte Schildkröte, die sich gegen das rauschende Flusswasser stemmt. Abends leuchtet sie in wechselnden Farben.

Die Altstadt präsentiert sich wuselig, aber ohne das Geschiebe und Gedränge, das zum Beispiel im Wiener Zentrum herrscht und nervt. Es gibt mehr als genug zu sehen. Einen guten Überblick kann man sich von oben verschaffen: Dafür geht es erst einmal mordsmäßig treppauf, 260 Stufen, auf den Schlossberg (einen Lift innen im Berg gibt es aber auch). Ein Schloss ist leider nicht zu sehen, das wurde ab 1809 abgetragen, der Hügel behielt aber seinen Namen.

Von oben zeigt sich die Stadt mit all ihren Kontrasten: Hüben das geschlossene Häusermeer der Altstadt, drüben, jenseits der Mur, das auffällige Kunsthaus. Vorbei am Uhrturm, dem Wahrzeichen von Graz, geht es durch den Schlosspark hinunter in die Altstadt zu den Sehenswürdigkeiten.

In der Stadtkirche Zum Heiligen Blut hängt ein Tintoretto, in der Grazer Burg, einem in sich geschlossenen Ensemble, windet sich seit 1499 die Doppelwendeltreppe mit gegenläufig gedrehten Steinstufen, im spätgotischen Grazer Dom zum Hl. Ägydius werden zwei Reliquienschreine mit Reliefs der italienischen Frührenaissance aus Elfenbein ausgestellt.

Italienische Baumeister wie Domenico dell’Aglio brachten im 16. Jahrhundert die Renaissance nach Graz, der Baustil prägt die Altstadt bis heute. Auch das trägt zur südlichen Atmosphäre der steirischen Metropole bei, neben all den Cafés mit ihren Schanigärten, wie man in Österreich die Außengastronomie nennt.

Jenseits der Sehenswürdigkeiten ist es schön, sich treiben zu lassen. In der Sporgasse kann man in kleinen Shops stöbern, beim Flanieren immer mal wieder einen Durchgang entdecken und hineinspazieren – um dann in einem der typischen, mit Arkaden geschmückten Innenhöfe zu stehen.

Auch in der Altstadt zeigt sich die Moderne. In der Burggasse wölbt eine weiße Fassade Glupschaugen-Fenster auf die Straße, ein fotogener Apartment-Bau namens „Argos“ der verstorbenen Stararchitektin Zaha Hadid. Wer müde vom Herumgehen ist und sich auf einer Ruhebank niederlässt, sollte sich nicht wundern, wenn sie wie ein stilisiertes Tier aussieht: Das örtliche Designbüro Perz Gattler entwarf die Sitzmöbel-Serie „Getier“.

Manches in Graz aber hat sich seit Jahrhunderten nicht verändert. Wer den Blick über die Fassaden der perfekt aufgemöbelten Altstadt wandern lässt, versteht sofort, was Johann Gottfried Seume 1802 in seinem „Spaziergang nach Syrakus“ über Graz schrieb: „Das Ganze hat hier überall einen Anblick von Bonhomie und Wohlhabenheit.“

Essen & Trinken

Unbedingt sollte man Grazer Krauthäuptel probieren, eine alte Salatsorte aus der Steiermark, knackig und leicht süßlich. Besonders gut schmeckt die lokale Spezialität im Restaurant „Landhauskeller“ (Schmiedgasse 9) mit seinem historischen Innenhof, serviert wird sie mit gerösteten Eierschwammerln, also Pfifferlingen.

Beim „Frankowitsch“ (Stempfergasse 2) trifft man sich auf einen Happen, die berühmten belegten Brötchen aus der Vitrine, die allerdings keine Brötchen wie in Deutschland sind, sondern raffiniert belegte kleine Brotscheiben.

Zu den Bestsellern gehören Schwarzbrot mit gekochtem Beinschinken & Kren (so nennt der Österreicher Meerrettich) sowie Schnittchen mit hausgemachtem Kürbiskern-Aufstrich – die Steiermark ist bekannt für ihr fantastisches Kürbiskernöl.

Zwischendrin ein Eis? Dann auf zu „Eis Greissler“ (Sporgasse 10) und Weichsel-Eis, Ribisel-Kefir-Eis und Marilleneis probieren, also Sauerkirschen, Johannisbeeren und Aprikosen, am besten im Stanitzel, wie in Österreich die Eiswaffel heißt.

Wie in Wien fühlt man sich in der „Hofbäckerei Edegger-Tax“ (Hofgasse 6, gegründet 1569) mit ihren „Sissi-Busserl“: Die halbrunden Haselnussmakronen-Kekse sind gefüllt mit Marillenmarmelade und zergehen auf der Zunge – ein schönes Mitbringsel.

Nach all der kulinarischen Tradition geht es abends zurück ins Lendviertel, jenseits der Mur, wo im Kultlokal „Scherbe“ (Stockergasse 2) moderne internationale Küche aufgetischt wird, vom koreanischen Feuertopf bis zum libanesischen Grillhühnchen in Granatapfelsoße. Im Scherbenkeller darunter finden regelmäßig Konzerte, Lesungen, Poetry-Slams statt, das Publikum ist eine feine Mischung aus Ur-Grazern und aufgeschlossenen Reisenden.

Wohnen

Aus Alt mach Neu: Die Grazer Architektin Nicole Lam hat einen Altbau zum schicken Hotel „Kai 36“ (Kaiser-Franz-Josef-Kai 36) umgebaut. Seine Besonderheit: Über dem Altstadthotel, an den Schlossberg gebaut, gibt es einen Pool mit formidabler Aussicht. Das Doppelzimmer mit Frühstück kostet ab 210 Euro. Auch das Frühstückscafé ist bemerkenswert: Dort und im Treppenhaus hängt die private Kunstsammlung des Eigentümers Helmut Marko, österreichischer Ex-Rennfahrer.

Direkt am Bahnhof steht das „Hotel Daniel“ (Europaplatz 1), eine architektonische Perle von 1955. Außen ist es originalgetreu restauriert, drinnen keine Spur von 50er-Jahre-Mief, sondern modern-gradliniges Design und Wohlfühlatmosphäre – welches Hotel hat schon eine Espressobar als Rezeption?

Die Preise sind moderat (Doppelzimmer mit Frühstück ab 79 Euro). Wem die zwei Kilometer in die Altstadt zu Fuß zu weit sind: Kein Problem, das Hotel verfügt über einen gut bestückten Fuhrpark zum Ausleihen – schwarze City-Bikes und flotte E-Vespas stehen für eine Spritztour bereit.

Info: graztourismus.at, austria.info

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