Kaufrausch im Duty-free: Warum bezahlen Reisende bereitwillig mehr?
Es ist erstaunlich, wie viele Reisende an Flughäfen Dinge kaufen, die total überteuert sind. Offenbar ist da etwas, das zwischen Security-Schlange und Boarding Kauflust auslöst. Dieses Etwas ist ein simpler chemischer Vorgang im Gehirn.
Sobald man unterwegs die Glitzerwelt des Duty-Free- oder Travel-Value-Paradieses betritt, wird beim Anblick von Champagner-Pyramiden und Schokoladen im XL-Format Dopamin in diversen Hirnarealen ausgeschüttet. Dieses Vorfreude-Molekül macht euphorisch, der rauschhafte Zustand will unbewusst verlängert werden, also kaufen die Kunden.
Rational ist das nicht. Und auch nicht günstig: Branchenriesen wie Gebrüder Heinemann, Extime-Duty-free oder DFS Group veranschlagen im Beautybereich oft 30 Prozent mehr als herkömmliche Geschäfte, im Vergleich zu Online-Händlern zahlen Reisende an Flughäfen schon mal das Doppelte.
Heinemann verspricht beispielsweise „exklusive Markenprodukte zu attraktiven Preisen“, doch vieles ist gar nicht exklusiv, und die Preise sind allenfalls für den Händler großartig. So kostet die 125-Milliliter-Flasche Davidoff Cool Water Reborn Man Eau de Toilette bei Heinemann 72,90 Euro, auf dem Preisvergleichsportal Idealo ist sie ab 34,05 Euro gelistet.
Auch das „Everyday Low Price“-Angebot bietet nicht automatisch Schnäppchen. Beispiel „Modern Muse“ von Estée Lauder: Für 50 Milliliter Eau de Parfum nimmt Heinemann 49,90 Euro, Easycosmetic dagegen 29,52 Euro. Ähnlich ist die Lage bei Schokolade und Alkohol. So kassiert Heinemann für 250 Gramm der belgischen Nougat-Meeresfrüchte von Guylian 11,90 Euro, Rewe nur 6,39 Euro. Ein Liter Hendrick’s Gin schlägt bei Extime mit 47,50 Euro zu Buche, beim Online-Händler zahlt man nur 33,99 Euro. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
Jeder wisse doch, dass in Airport-Shops nichts billiger sei, sagt Heinemann-Sprecher Ansgar Vaut dazu: „Vergleiche mit Discounter oder Online-Handel greifen zu kurz“, man definiere sich als „hochwertigen Marktplatz im Reiseumfeld, der ein besonderes Kauferlebnis bietet“. Und zwar über Qualität, Vielfalt, Kaufberatung.
Heißt im Klartext: Der Kunde zahlt bisweilen das Doppelte für angebliche Exklusivität. Aber wird man bei dm oder Douglas tatsächlich schlechter beraten?
Und wer benötigt beim Kauf von Toblerone Beratung? Allenfalls vielfliegende Manager, die noch nie in einem Supermarkt waren und denen man dringend mal erklären sollte, dass sie am Airport locker das Doppelte oder Dreifache für Süßzeug berappen.
Yvonne Vollmer, Juristin der Verbraucherzentrale Hamburg, rät: „Erst vergleichen, dann kaufen! Ein Kauf am Flughafen macht nur Sinn, wenn man in letzter Minute Mitbringsel braucht. Ansonsten ist es Wucher.“
Lange haben auch die Airlines ihre Stewardessen mit vollgepackten Duty-free-Trolleys durch ihre Jets geschickt. Damit ist bei Lufthansa jetzt Schluss. „Nach umfangreichen Analysen wurde entschieden, den Bordverkauf zollfreier Ware ab September 2025 vollständig einzustellen“, sagt Lufthansa-Sprecher Michael Lamberty. Zu unrentabel. Eine enge Flugzeugkabine ist nun mal nicht der geeignete Ort für Vorfreude-Dopamin und Mondpreise.
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